SDS-newsline Onlinezeitung

6. November 2017
von schueler
Keine Kommentare

Schwesig für Aufhebung des Kooperationsverbots in der Bildung

Schwerin (dpa) – Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela
Schwesig (SPD) hält das im Grundgesetz verankerte Kooperationsverbot
in der Bildung für überholt und will den Bund auch direkt an der
Schulfinanzierung beteiligen. «Wir brauchen gute Schulen und
Chancengleichheit in der Bildung, und zwar überall in Deutschland.
Das Kooperationsverbot steht dem im Wege. Deshalb sollte es endlich
abgeschafft werden», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in
Schwerin. Die SPD hatte eine solche Forderung auch im
Bundestagswahlkampf erhoben.

Schwesig verwies darauf, dass in der vergangenen Wahlperiode dem Bund
zumindest die Möglichkeit eröffnet worden sei, finanzschwachen
Kommunen bei Schulbaumaßnahmen zu helfen. «Darauf hat die SPD sehr
gedrängt. Dank dieser Unterstützung haben wir in
Mecklenburg-Vorpommern gerade ein neues Schulbauprogramm auf den Weg
gebracht. Aber da muss noch mehr passieren.» Unterstützung erhofft
sich das Land insbesondere auch bei der Digitalisierung in den
Schulen, die wegen Geldmangels nur schleppend vorankommt.

Der Bereich Bildung galt bislang neben der Polizei als hohes
politisches Gut der Länder, die Trennung der Kompetenzen ist im
Grundgesetz verankert. In der ersten Jamaika-Sondierungsrunde kamen
Union, FDP und Grüne zwar überein, bis 2025 für Bildung und Forschung
mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes auszugeben. Die
Zukunft des Kooperationsverbots blieb zunächst aber offen.

6. November 2017
von schueler
Keine Kommentare

Der «Muff von 1000 Jahren» wird 50

Der Tod von Benno Ohnesorg und das Attentat auf Rudi Dutschke – zwei
Daten, die die Studentenproteste prägten. Ein berühmter Spruch, der
auch sinnbildlich für die «68er» steht, wird nun 50. Und wird dort
gefeiert, wo die Studenten den «Muff» der Alten vertreiben wollten.

Hamburg (dpa) – Als Detlev Albers und Gert Hinnerk Behlmer am 9.
November 1967 schelmisch grinsend die Treppe im Hamburger Audimax
herunterschreiten, ahnen sie, dass ihnen gerade ein spektakulärer
Coup glückt. Was die beiden Studenten aber nicht wissen können ist,
dass sie mit ihrer Aktion im großen Hörsaal in die bundesdeutsche
Geschichte eingehen werden. Denn der Spruch «Unter den Talaren Muff
von 1000 Jahren», den die beiden damaligen AStA-Vorstände vor den
bloßgestellten Professoren auf einem schwarzen Banner in die Höhe
halten, gilt heute als DER Slogan der 68er-Proteste und der
Studentenbewegung.

«Die Aktion war sicher erforderlich und geeignet, verkrustete
Strukturen in Universität und Gesellschaft aufzubrechen. Sie war
frech, gewaltlos, nicht ohne persönliches Risiko und im besten Sinne
antiautoritär», sagt Behlmer rückblickend laut Uni-Mitteilung.

«Der Spruch brachte einfach alles auf den Punkt», sagt der Leiter der
Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte, Rainer Nicolaysen. Noch
heute rankten sich aber unterschiedliche Legenden darum, was sich
damals im pickepackevollen Audimax bei der feierlichen Übergabe des
Rektorats genau zugetragen hat. «Es gibt 1700 Plätze im Audimax, aber
ich kenne inzwischen mehr als 1700 Leute, die damals dabei waren.»

Klar ist: Albers, später Bremer SPD-Vorsitzender, und Behlmer, später
Hamburger Staatsrat, hatten ihre Aktion gemeinsam mit Mitstreitern
gut geplant und perfekt umgesetzt. Während die in Talar gekleideten
Professoren zu einer Bach-Ouvertüre in den Saal schreiten, setzen
sich die beiden Studenten vor den Zug und entrollen das zuvor in
Behlmers Sakkotasche versteckte Transparent. Die 350 Studenten im
hinteren Saalteil johlen, die Ehrengäste schweigen betreten. Einer
der Professoren, der Orientalist Bertolt Spuler, ruft den Studenten
wütend entgegen: «Ihr gehört alle ins KZ» – der Skandal ist perfekt.

Für den Spruch ließ sich Behlmer nach eigener Aussage von einem
Graffiti auf dem Campus inspirieren. «Aber die Talare, der Reim und
vor allem – darauf lege ich großen Wert – die 1000 Jahre stammen von
mir», sagte er dem «Hamburger Abendblatt» im Jahr 2008.

Ob die Formulierung von den «1000 Jahren» wirklich eine bewusste
Anspielung auf das «Tausendjährige Reich» war, bezweifelt hingegen
Nicolaysen nach ausgiebiger Quellenforschung. Manchmal trüge einen
auch die Erinnerung. Es sei zu 1968 erstaunlich viel geschrieben,
aber erstaunlich wenig geforscht worden, sagt der Historiker. Behlmer
aber betont, die Anspielung auf die Nazizeit sei von ihm gewollt,
allerdings damals kaum beachtet gewesen.

Aber unstrittig ist: Quasi keine 68er-Deutung kommt heute ohne den
«Muff» aus. Für den Hamburger Protestforscher Wolfgang Kraushaar ist
der «Generalangriff auf die Ordinarienuniversität» ein «Affront
sondergleichen», für Nicolaysen ein Symbol für die Zeitenwende an den
deutschen Unis und die 68er-Bewegung schlechthin.

Zumal auch das Banner, das heute im Hamburger Staatsarchiv aufbewahrt
wird, ein ganz besonderes ist. Denn den Spruch klebte Behlmer mit
weißen Leukoplaststreifen auf ein Stück Trauerflor, das er von der
Beerdigung des am 2. Juni 1967 in Berlin von einem Polizisten
erschossenen Studenten Benno Ohnesorg aufgehoben hatte.

Es sei darum gegangen, den ersten Toten der Studentenbewegung zu
würdigen, schreibt Kraushaar in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift
«Mittelweg 36». Und dies in Hamburg, das damals anders als Berlin
oder Frankfurt nicht als Hochburg des studentischen Protests galt.

Die «Majestätsbeleidigung» der Ordinarien bleiben für Behlmer und
Albers folgenlos. Denn auch die Presse sei für die Studenten gewesen,
eine Bestrafung wäre folglich nach hinten losgegangen, sagt
Nicolaysen.

Dafür ist an den Unis bald nichts mehr beim Alten. In Hamburg tritt
eineinhalb Jahre später das Universitätsgesetz in Kraft, das als
erstes Hochschulreformgesetz der Bundesrepublik mit den alten
Strukturen bricht. Die Professoren, die zuvor ein strenges Regiment
an der Uni führten, fühlen sich fortan nicht mehr «kurz unter Gott»,
wie Nicolaysen sagt. «Und an den meisten Unis war es danach vorbei
mit den Talaren».

Für die aktuelle Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses
(AStA) der Uni, Franziska Hildebrandt, haben die damaligen Studenten
eine «Basis geschaffen, auf der wir bis heute agieren und leben». Und
das Jubiläum der Aktion könnten die Studenten zum Anlass nehmen, aus
den Kämpfen von früher zu lernen, um sie zu aktualisieren. «Das muss
man wieder neu schaffen, diese treffende Kritik», sagt Hildebrandt.

Und Behlmer? Der hält sich lieber zurück. «Ich habe mir vorgenommen,
neun Jahre nach dem Tod meines Kompagnons keine Interviews mehr zu
dieser gelungenen Aktion zu geben», sagte Behlmer nun der Deutschen
Presse-Agentur. Nur einmal will er anlässlich des Jubiläums auf
Einladung Nicolaysens öffentlich über den Protest reden: am 50.
Jahrestag der Aktion am Donnerstag. Und zwar eben dort, wo er damals
gemeinsam mit seinem 2008 gestorbenen Wegbegleiter Albers Geschichte
geschrieben hat: im Hamburger Audimax.

6. November 2017
von schueler
Keine Kommentare

Jobwahl nach Mangel?

Vom Altenpfleger bis zum Ingenieur: Glaubt man Studien und Prognosen,
droht in vielen Branchen ein Fachkräftemangel. Eine
Arbeitsplatzgarantie ist das aber nicht, sagen Experten – und warnen
davor, das Phänomen für die Karriereplanung zu nutzen.

Bonn/Nürnberg (dpa/tmn) – «Du willst Germanistik studieren? Damit
wirst du doch höchstens Taxifahrerin» oder «Altenpfleger? Super, da
kannst du dich bestimmt vor Angeboten nicht retten»: Solche oder
ähnliche Sätze bekommen viele angehende Azubis und Studenten zu
hören. Bis zum Ende des Schuljahres sind es zwar noch einige Monate.
Doch vielen jungen Leuten stellt sich schon jetzt die Frage: Wie
mache ich nach der Schule weiter? Und bekomme ich damit einen Job?
Mancher kommt da vielleicht auf die Idee, gezielt in die Branchen zu
gehen, die händeringend Verstärkung suchen.

«Die Frage nach dem Fachkräftemangel spielt bei Jugendlichen schon
eine Rolle», sagt Paul Ebsen von der Bundesagentur für Arbeit. «Für
junge Leute ist wichtig: Wo lohnt es sich für mich überhaupt, eine
Bewerbung hinzuschicken?»

Wie sich der Arbeitsmarkt in Zukunft verändert, hat das
Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) zusammen mit dem Institut für
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) untersucht. Laut der Studie
wird es im Jahr 2035 die größte Arbeitskräftelücke in den Pflege- und
Gesundheitsberufen geben, erklärt Klaus Weber vom BIBB. «Ein
deutliches Überangebot an Fachkräften wird dagegen insbesondere für
Büroberufe und im Personalwesen angenommen.»

Jugendliche sollten sich bei der Berufswahl aber nicht auf solche
Hochrechnungen verlassen, sagt Britta Matthes. Sie leitet die
Forschungsgruppe Berufliche Arbeitsmärkte am IAB. Natürlich verändere
sich der Arbeitsmarkt mit der Gesellschaft. Da diese immer älter
wird, braucht man in Zukunft zum Beispiel mehr Pflegekräfte. Dabei
gibt es nur ein Problem: «Diese Arbeitsplätze müssen aber auch
finanziert werden.» Ob sie also wirklich entstehen, ist noch unklar.

Der Bedarf an Arbeitskräften sei wegen solcher Ungewissheiten
praktisch in keiner Branche vorhersehbar: «IT-Berufe sind in Zukunft
sicher zunehmend wichtig, aber daraus kann man nicht schließen, dass
man in einem IT-Beruf vor Arbeitslosigkeit geschützt sein wird.»

Beispiel Digitalisierung: Laut des Fortschrittsberichts 2017 zum
Fachkräftekonzept der Bundesregierung ist damit zu rechnen, dass in
den kommenden 10 bis 20 Jahren ungefähr 12 bis 15 Prozent aller
Tätigkeiten, die heute noch von Menschen ausgeführt werden, durch
Computer erledigt werden können. Das betrifft vor allem Arbeitsplätze
im Einzelhandel, im Papier- und Druckgewerbe sowie in der
öffentlichen Verwaltung. Welche das genau sind, weiß aber noch
niemand: Technischer Fortschritt ist schließlich nicht planbar.

Auch für Klaus Weber geht es bei der Berufswahl um andere Faktoren
als um den Blick in die Kristallkugel. «Als erstes ist es wichtig zu
wissen, wo die eigenen Stärken und Interessen liegen.» Wenn jemand
für eine bestimmte Fachrichtung brennt und das auch vermitteln kann,
sei es einfacher, dort einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Außerdem
steige durch große Motivation die Chance auf einen guten Abschluss.

«Als zweites ist es unverzichtbar, sich über die Inhalte der
angestrebten Ausbildung oder des Studiums zu informieren», sagt
Weber. Das zeige zum Beispiel die Erfahrung mit
Ausbildungsabbrüchen: Nicht selten seien falsche Vorstellungen vom
Arbeitsplatz der Grund dafür.

Wer seinen Beruf nach Mangel wählt, läuft außerdem Gefahr, in einen
sogenannten Schweinezyklus zu geraten. «In den 1960er und 1970er
Jahren herrschte zum Beispiel akuter Lehrermangel, weil die
geburtenstarken Jahrgänge zur Schule kamen und gleichzeitig der
Anteil der Kinder stieg, die auf ein Gymnasium gingen», erklärt
Britta Matthes das Phänomen. «Deshalb entschieden sich damals viele
junge Leute dafür, Lehrer zu werden.» Doch schon Ende der 1970er
Jahre drehte sich das Blatt, und viele Lehrer fanden keine Stelle.

«Heute besteht wieder die Gefahr eines Lehrermangels», sagt Matthes.
Jedoch sei nicht absehbar, ob nach fünf bis sechs Jahren
Lehramtsstudium noch ein Mangel oder schon eine Sättigung auf dem
Lehrerarbeitsmarkt herrschen wird, so die Expertin.

Sie rät angehenden Auszubildenden und Studierenden deshalb, sich zu
fragen: Welche Tätigkeit kann ich engagiert ausführen? Was will ich
individuell erreichen? In dem gewählten Fachbereich könne man sich
dann durchaus an aktuellen Entwicklungen orientieren. «Bei der
Studienwahl kann man zum Beispiel darauf schauen, an welcher
Hochschule das Fach besonders modern gestaltet ist», rät Matthes.

Und wer gerne Germanistik studieren möchte, solle das auch tun – ohne
die Angst, später keinen Job zu finden. «Geisteswissenschaftler wie
Germanisten zählen zu den Generalisten auf dem Arbeitsmarkt.»
Ingenieure könne man dagegen als Spezialisten bezeichnen. «Und der
Arbeitsmarkt braucht in Zukunft weiterhin beides: Generalisten und
Spezialisten.»

6. November 2017
von schueler
Keine Kommentare

So locken Firmen begehrte Fachkräfte Von Sarah Thust

Der Fachkräftemangel betrifft viele Branchen und verändert so die
Dynamik auf dem Arbeitsmarkt. Das gilt für Ausbildungsberufe ebenso
wie für Akademikerjobs. Bewerber können davon profitieren – mit
höheren Gehältern, aber vor allem mit mehr Zeit.

Berlin/Köln (dpa/tmn) – Mancher Arbeitnehmer träumt vielleicht von
kostenloser Kinderbetreuung. Der nächste von mehr Freizeit, von
besserer Altersvorsorge – oder von einem Pool im Büro. Klingt nach
Wunschdenken? Nicht unbedingt: Wo Fachkräftemangel herrscht, haben
Bewerber durchaus gute Aussichten auf Zusatzleistungen.

Da sind zum Beispiel Ausbildungsberufe wie Erzieher, Pflegekräfte,
Maschinenbauer oder Handwerker, in denen offene Stellen oft lange
leer bleiben. Während eine offene Stelle in der Regel nach 100 Tagen
besetzt werden kann, suchen Arbeitgeber in der Altenpflege
durchschnittlich 167 Tage nach einem neuen Mitarbeiter. Und im
Bereich Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klima dauert es rund 156
Tage, zeigt eine Studie der Bundesagentur für Arbeit.

Für Bewerber ist das eine Chance: Einige Betriebe zahlen mehr als die
branchenüblichen Gehälter und Tarife, um gute Fachkräfte zu gewinnen
und an ihren Betrieb zu binden. Darauf weist der Zentralverband des
Deutschen Handwerks (ZDH) hin. Manche Branchen haben deshalb auch die
Vergütungen für Auszubildende erhöht – zum Beispiel der Verband
Deutscher Zahntechniker-Innungen. Dort sei die Bezahlung zwischen
September 2011 und September 2017 um mehr als 40 Prozent in
Westdeutschland und um fast 60 Prozent in Ostdeutschland gestiegen.

Noch deutlich wird der Wandel des Arbeitsmarkts durch den
Fachkräftemangel, wenn es um die begehrtesten Akademiker geht: Manche
Ingenieure, IT-Fachkräfte oder Naturwissenschaftler sind inzwischen
so nachgefragt, dass sie sich Privilegien quasi aussuchen können.

Zeit ist dabei oft am begehrtesten – nicht Geld. Das zeigt eine
Erhebung der Unternehmensberatung Kienbaum und der Zeitschrift
«Capital», für die mehr als 1000 Unternehmen zu ihren Lock-Angeboten
befragt wurden. Hoch im Kurs stehen zum Beispiel Arbeit von zu Hause
aus oder Sabbaticals. Das bestätigt auch Maike Rademaker vom
Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): «Viele Arbeitnehmer legen Wert auf
eine gute Work-Life-Balance, das heißt vernünftige Arbeitszeiten,
Chancen für ein Sabbatical oder auf gute Weiterbildung.»

Selbst Berufseinsteiger können davon profitieren. Das zeigt eine
Online-Befragung von Kienbaum und dem Staufenbiel-Institut unter 297
Unternehmen. «Die fünf häufigsten Vorteile, die potenzielle
Arbeitgeber Hochschulabsolventen anbieten, sind flexible
Arbeitszeiten, betriebliche Altersvorsorge, Homeoffice, ein
Firmen-Smartphone und ein erfolgsabhängiger Bonus», erklärt Thomas
Friedenberger, Karriereberater beim Staufenbiel-Institut, die
Ergebnisse der Studie JobTrends 2017.

Nur wenige Arbeitgeber bieten solche Vorteile allerdings von sich aus
an. Bewerber müssen konkret nachfragen – und zwar am besten nach dem
Vorstellungsgespräch. Ist das erfolgreich und der Arbeitgeber
interessiert, sollte man nie sofort zustimmen. «Sagen Sie zum
Beispiel: Ich denke darüber nach», sagt Friedenberger.

Wie flexibel der Arbeitgeber bei den Verhandlungen ist, hat unter
anderem damit zu tun, wie groß der Fachkräftemangel und damit die Not
ist. Wer das bereits weiß und sich vielleicht sogar bei Mitarbeitern
des Unternehmens informieren konnte, kann seine Verhandlungsstrategie
entsprechend anpassen.

Bewerber sollten sich in Ruhe überlegen: Gefallen mir die Aufgaben im
Job? Ist das Gehalt angemessen? Welche Argumente habe ich dafür, ein
höheres Gehalt oder andere Leistungen zu bekommen? «Dann nimmt man
den Telefonhörer in die Hand, ruft an und kann nachverhandeln», sagt
Friedenberger. «Sie können beispielsweise sagen: «Das Gehalt scheint
mir zu wenig, ich würde gerne so und so viel verdienen. Ich halte das
für angemessen, weil…» Dann wird verhandelt und man trifft sich in
der Mitte.»

Gibt es keinen Spielraum beim Gehalt, signalisiert das der
Arbeitgeber in der Regel. An dieser Stelle können Bewerber andere
nützliche Vorteile ansprechen. Statt mehr Geld gibt es vielleicht ein
Jobticket, einen Firmenparkplatz oder eine Altersvorsorge. Je nach
Branche können Fachkräfte auch Arbeitstage im eigenen Heim oder
zusätzliche Urlaubstage ergattern. Viele Arbeitgeber passen sich an
die Lebenssituation an – zum Beispiel in Sachen Kinderbetreuung.

«Generell sollte man niemals sofort auf das erste angebotene Gehalt
eingehen. Nehmen Sie sich Zeit», so Karriereberater Friedenberger.
«Später können sie immer noch Ja sagen, weil der Arbeitgeber sagt,
dass es keine andere Möglichkeit gibt.»

6. November 2017
von schueler
Keine Kommentare

Der Fachkräftemangel in Ausbildungsberufen Gespräch

Keine Sonntagsbrötchen mehr, kein frisches Fleisch und Restaurants,
die nur noch ab und zu auf haben? So könnte die Zukunft aussehen,
denn in vielen Ausbildungsberufen zeichnet sich ein dramatischer
Fachkräftemangel ab. Die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich.

Bonn (dpa/tmn) – Wer vom Fachkräftemangel hört, denkt vielleicht
zunächst an Ingenieure und IT-Spezialisten. Lücken und Engpässe gibt
es aber auch in anderen Jobs – und zwar vor allem bei den
Ausbildungsberufen. Ein ganz neues Phänomen ist das nicht. «Seit dem
Jahr 2011 steigt die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze, die
Passungsprobleme nehmen zu», sagt Andreas Pieper vom Bundesinstitut
für Berufsbildung (BIBB). «Das heißt, die Ausbildungswünsche der
Jugendlichen und die Ausbildungsplatzangebote der Betriebe passen
nicht mehr zueinander.»

Davon sind nicht alle Regionen und Branchen gleichermaßen betroffen –
und auch nicht aus den gleichen Gründen. Im Gastgewerbe, bei den
Köchen und Hotelbeschäftigten etwa, ist die Lage geradezu dramatisch.
So bleibt zum Beispiel jeder dritte Ausbildungsplatz für
Restaurantfachleute unbesetzt, sagt Pieper. «Betroffen sind auch das
Lebensmittelhandwerk – die Fleischer, die Bäcker -, dann die
Baubranche und die Gebäudereiniger.»

Auch sonst im Handwerk klagen viele Betriebe über ausbleibende
Azubis. «Was auch daran liegt, dass es da sehr viele kleine Betriebe
gibt, die als Ausbildungsbetrieb für Jugendliche oft nicht so
attraktiv sind», erklärt Pieper. Allerdings leide längst nicht das
ganze Handwerk unter einem Fachkräftemangel. «Es gibt Berufe wie den
Kfz-Mechatroniker oder den Tischler, die keine Probleme haben.» Und
auch in der Altenpflege gibt es eher keinen Mangel an potenziellen
Azubis – sondern eher zu wenig Ausbildungsplätze, um die steigende
Nachfrage einer alternden Gesellschaft zu decken.

Doch warum sind manche Ausbildungen für Jugendliche attraktiv und
andere nicht? Das liegt einerseits an Faktoren wie den Arbeitszeiten,
die vor allem im Gastgewerbe ein Problem sind. Hinzu kommt der Ruf
eines Jobs: «Der Beruf ist eine Art Visitenkarte für ihr soziales
Umfeld, das ist Jugendlichen sehr wichtig», erklärt Pieper. «Und da
ist der Fleischer oder der Bäcker eben nicht so angesehen wie der
Kfz-Mechatroniker, der Mediengestalter oder der Kaufmann.»

Nicht immer entspricht dieser Ruf der Realität – viele Vorstellungen
sind veraltet oder schlicht falsch. «Die Berufsbilder ändern sich
gerade durch die Digitalisierung», sagt Pieper. «Der Schornsteinfeger
zum Beispiel steht heute nicht mehr nur auf dem Dach und reinigt den
Kamin, der analysiert per Laptop die gesamte Heizungsanlage.»

Hier könnte Aufklärungsarbeit dazu beitragen, Jobs spannender und
attraktiver zu machen. Auch eine gute Außendarstellung kann
Unternehmen helfen, wieder mehr Azubis zu finden, so Pieper: «Wir
wissen aus eigenen Untersuchungen, dass ein positives Betriebsklima
wichtig für Jugendliche ist, weil sie daraus auf ein gutes Image des
Betriebs und auf gute Ausbildungsbedingungen schließen.» Anderswo
gilt es Missstände aus der Welt zu schaffen: den rauen Umgangston
gegenüber Azubis zum Beispiel, für den viele Küchen berüchtigt sind.

«Manche Sachen werden sich aber auch nicht ändern, die Arbeitszeiten
in der Gastronomie oder von Bäckern etwa», sagt Pieper. «Da sollte
man den Jugendlichen auch keinen Sand in die Augen streuen.»

6. November 2017
von schueler
Keine Kommentare

Fünf Studien zum Fachkräftemangel

Nürnberg/Berlin (dpa/tmn) – In Deutschland gibt es einen
Fachkräftemangel. Darüber sind sich die meisten Experten einig. Nur
wie groß er ist, wo er am schlimmsten ist und wie dramatisch es noch
wird – darüber gibt es weit weniger Einigkeit. Fünf aktuelle Studien
und ihre Ergebnisse zum Fachkräftemangel im Überblick:

– Einzelne Engpässe: «Es gibt keinen flächendeckenden
Fachkräftemangel in Deutschland», schreibt die Bundesagentur für
Arbeit in ihrer Fachkräfteengpassanalyse – und widerspricht damit
scheinbar vielen Schwarzmalern. Allerdings sagt die Agentur auch: In
manchen Bereichen fehlt es bereits jetzt an Personal. So dauert es in
der Altenpflege zum Beispiel durchschnittlich 167 Tage, bis eine
Stelle besetzt ist – im Schnitt aller Berufe sind es nur 100. Ein
ähnliches Bild zeigt sich auch bei anderen Jobs, vor allem bei
technischen Berufen, am Bau und in Gesundheitsberufen.

– Eine millionengroße Lücke: Ein düsteres Bild von der Zukunft
zeichnet das Forschungsinstitut Prognos mit einer Studie im Auftrag
der bayerischen Wirtschaft. Bis 2030 werden demnach bundesweit 3
Millionen Fachkräfte fehlen, bis 2040 steigt die Zahl sogar auf 3,3
Millionen. Betroffen sind vor allem Ausbildungs-, aber auch
Akademikerberufe. Und das über alle Branchen hinweg: Denn der
wichtigste Grund für die Fachkräftelücke sei, dass die
geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen – gleichzeitig aber nicht
genug Fachkräfte nachrücken.

– Der Nachwuchs fehlt: Die dramatischen Auswirkungen der Demografie
spüren viele Ausbildungsbetriebe schon jetzt. Wie eine Studie des
Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) zeigt, findet schon
knapp jeder dritte Betrieb (31 Prozent) nicht mehr genug Azubis für
alle freien Plätze – zehn Jahre vorher waren es nur 12 Prozent.
Trauriger Spitzenreiter ist das Gastgewerbe, in dem satte 61 Prozent
der Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. Die Bereiche Handel sowie
Verkehr und Logistik liegen mit 33 Prozent aber ebenfalls etwas über
dem Durchschnitt.

– Die Angst geht um: Kein Wunder, dass kaum etwas in der Wirtschaft
und ihren Verbänden so intensiv diskutiert wird wie der
Fachkräftemangel. Das zeigt die Vielzahl an Förderprogrammen,
Veranstaltungen und Veröffentlichungen zu dem Thema – und das zeigt
auch eine Studie vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und
der Unternehmensberatung AT Kearney. Für mehr als die Hälfte der
deutschen Unternehmen (52 Prozent) ist der Fachkräftemangel demnach
eine der größten Herausforderungen der Zukunft.

– Was also tun? Bildungschancen verbessern, mehr Aus- und
Weiterbildung, mehr Integration, bessere Vereinbarkeit von Familie
und Beruf und eine bessere Einbindung älterer Arbeitnehmer und
Langzeitarbeitsloser: Das sind die Maßnahmen, mit denen das
Bundesarbeitsministerium den Fachkräftemangel stoppen will. Dabei
gibt es aber noch Luft nach oben, so das Ministerium selbst in einem
Zwischenstandsbericht. Im Bereich Frauenerwerbstätigkeit etwa, genau
wie bei der Integration von Fachkräften mit Migrationshintergrund
oder bei der Schulbildung.

6. November 2017
von schueler
Keine Kommentare

Technische Produktdesigner basteln am Computer

Vom Auto bis zur Küche: Technische Produktdesigner sind gefragt.
Mitbringen sollten Berufsanfänger räumliches Vorstellungsvermögen,
viel technisches Verständnis – und die Bereitschaft, auf
Kundenwünsche und immer neue Anforderungen einzugehen.

Fulda (dpa/tmn) – Der Vater Hobbyschrauber, der ältere Bruder
Schlosser: Lisa-Marie Schott war in ihrer Familie immer von Technik
umgeben. «Ich war als Kind schon sehr auf Autos fixiert», erzählt die
22-Jährige, die früh eine Faszination für technische Zeichnungen
entwickelte. Trotzdem sah sie sich andere Berufe an, machte Praktika
bei der Polizei und beim Anwalt. Nach dem Abitur aber wurde klar,
dass sie ihrer Liebe zur Technik folgen wollte. Die Wahl fiel auf
eine dreieinhalbjährige duale Ausbildung zur Technischen
Produktdesignerin. Die absolviert Schott bei der EDAG in Fulda, einem
Ingenieurs-Dienstleister für die internationale Automobilindustrie.

Technische Produktdesigner entwerfen und konstruieren kleine Bauteile
oder große Anlagen. Sie wählen passende Normteile und Werkstoffe aus,
setzen Änderungsvorschläge um und erstellen Dokumentationen. Die
Ausbildung gibt es erst seit dem Jahr 2005. 2011 ging der Technische
Zeichner im Technischen Produktdesigner auf. Statt des Zeichenbretts
stehen bei der modernisierten Ausbildung sogenannte CAD-Verfahren im
Mittelpunkt, also das rechnergestützte Konstruieren, erklärt Markus
Bretschneider vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB).

Trotzdem lernen die Auszubildenden noch das Zeichnen per Hand. In
einer sechswöchigen Werkstattphase bekam Lisa-Marie Schott auch
Einblick in die handwerklichen Grundlagen – obwohl Technische
Produktdesigner vorwiegend im Büro arbeiten. «Das war sehr
hilfreich», sagt sie. Nur so könne man verstehen, was in der
Werkstatt gebraucht wird.

Mitbringen sollten Auszubildende Interesse an Technik und räumliches
Vorstellungsvermögen. «Ich war in der Schule schon sehr mathematisch
und in Richtung Physik interessiert», sagt Schott. Das
dreidimensionale Zeichnen sei ihr deshalb relativ leichtgefallen.
Weitere Voraussetzungen seien Kommunikationsfreude, Neugierde, eine
hohe Lernbereitschaft und Flexibilität, ergänzt Michael Noll, bei der
EDAG verantwortlich für den Ausbildungsbereich der
Produktentwicklung. Auch Englischkenntnisse seien wichtig – denn
viele Auszubildende wollen später im Ausland arbeiten.

Nach Angaben des BIBB entscheiden sich in Deutschland pro Jahr
zwischen 2600 und 2700 junge Menschen für eine Ausbildung zum
Technischen Produktdesigner. «Die stabilen Ausbildungszahlen deuten
darauf hin, dass der Beruf relativ robust ist, was
Konjunkturschwankungen betrifft», erklärt Michael Assenmacher,
Referatsleiter für technische Berufe beim Deutschen Industrie- und
Handelskammertag (DIHK).

Der Beruf teilt sich in zwei Fachbereiche: Rund 2000 Auszubildende
starten pro Jahr im Maschinen- und Anlagenbau. Im Mittelpunkt steht
dabei die Konstruktion von Maschinen jeglicher Art – beispielsweise
für die Autoindustrie oder den Schiffsbau. Bei der EDAG entstehen in
diesem Bereich zum Beispiel Fertigungsanlagen und Fördertechnik.

Der zweite, kleinere Fachbereich ist die Produktgestaltung und
-konstruktion – vom Fahrzeugbau über Möbel bis hin zu klassischen
Konsumgütern wie einer Kaffeekanne. «In dieser Fachrichtung wird auch
auf das Design Wert gelegt», sagt Assenmacher.

Für diese Richtung hat sich auch Lisa-Marie Schott entschieden. Die
Abteilung, in der sie ihre Ausbildung macht, ist auf das Interieur
von Autos spezialisiert. Im dritten Lehrjahr arbeitet die
Auszubildende erstmals an einem eigenen Bauteil: der Verkleidung
einer B-Säule als Verbindung zwischen Fahrzeugboden und Dach.

Bei der Gestaltung und Konstruktion solcher Produkte spielt auch das
Präsentieren der Entwürfe vor Kunden eine große Rolle. Deswegen
sollten Technische Produktdesigner auch sprachliches
Ausdrucksvermögen mitbringen, sagt Bretschneider.

Doch nicht nur die Wünsche der Kunden beschäftigen Technische
Produktdesigner, auch die Anforderungen der Ingenieure und anderer
Abteilungen eines Unternehmens, bis hin zur Verpackung. «Eine
Herausforderung ist es, das alles zu erfassen und dann auch noch
seine eigene Kreativität einzubringen», sagt Assenmacher. Gerade
diese Interdisziplinarität sei das Spannende an diesem Beruf: «Es
gibt viele, die mit dem Beruf sehr zufrieden sind, weil er so
wahnsinnig abwechslungsreich ist.»

Auszubildende verdienen nach Angaben der Agentur für Arbeit je nach
Lehrjahr zwischen 400 und rund 1200 Euro monatlich. Bei der EDAG
liegt das durchschnittliche Einstiegsgehalt nach der Ausbildung bei
2400 Euro, sagt Michael Noll. In der Praxis verfügt nach Angaben von
BIBB-Experte Bretschneider knapp die Hälfte der Auszubildenden über
eine Hochschulreife – vorgeschrieben sei jedoch keine bestimmte
Schulbildung. Etwa zwei Drittel der Auszubildenden seien männlich.

Auch bei der EDAG werden hauptsächlich Abiturienten und gute
Realschüler eingestellt, sagt Noll. Und fast alle bilden sich nach
der Ausbildung weiter – entweder als Techniker für Karosserie- und
Fahrzeugtechnik oder innerhalb eines dualen Studiums im Bereich
Maschinenbau. «Die Entwicklungsmöglichkeiten sind enorm.»

2. November 2017
von schueler
Keine Kommentare

Gute Bauchentscheidungen brauchen fünf Jahre Erfahrung

München (dpa/tmn) – Manager, aber auch andere Berufstätige treffen
die meisten Entscheidungen nicht mit dem Kopf. Stattdessen dominiert
der Bauch, sagt Christian Chlupsa, Professor für
Betriebswirtschaftslehre an der FOM Hochschule für Oekonomie und
Management. Das sei auch kein Problem. Denn oft sind solche
unterbewussten Entscheidungen genau die richtigen.

Chlupsa rät Managern und anderen Arbeitnehmern daher, sich auf das
eigene Bauchgefühl zu verlassen – zumindest dann, wenn sie genug
Erfahrung haben. «Wir wissen aus der Forschung, dass es etwa 10 000
Stunden braucht, bis ich etwas richtig beherrsche», sagt Chlupsa.
«Nach etwa fünf Jahren bin ich im Job also so weit, dass ich
unterbewusst meistens richtige Entscheidungen treffe – und dann den
Kopf frei habe für Zusammenhänge und andere Dinge.»

2. November 2017
von schueler
Keine Kommentare

Ein Cocktail muss lachen

Für den legendären Bar-Mann Charles Schumann (76) ist
ein gelungener Cocktail mehr als die Summe seiner Zutaten. Ein guter
Drink müsse so serviert werden, «dass er einen anlacht», sagte er der
Deutschen Presse-Agentur. «Ein Cocktail muss lachen.» Es mache einen
guten Cocktail aus, «dass ihn derjenige, der ihn trinkt, auch
in Erinnerung behält». Dazu gehöre, «nicht nur genießen zu können,
sondern auch, dass man ihn zur richtigen Zeit trinkt, zum richtigen
Augenblick». Sein eigenes Lieblingsgetränk sei Portwein mit Cognac.

Für den Film «Schumanns Bargespräche» hat die Filmemacherin Marieke
Schroeder den 76-Jährigen zu einer Entdeckungsreise überredet, die
ihn in die besten Bars der Welt führt, etwa in New York, Havanna und
Tokio. Zu Wort kommen in dem Film viele Barkeeper, aber auch der
Schriftsteller Maxim Biller und Fußballtrainer Pep Guardiola. Am
Donnerstag läuft der Film in den deutschen Kinos an.

2. November 2017
von schueler
Keine Kommentare

Signal an Merkel und EU Von Christian Böhmer und Thomas Lanig

Zwei Wochen nach seiner Europa-Rede eröffnet Frankreichs
Staatspräsident Macron mit Kanzlerin Merkel die Frankfurter
Buchmesse. Bei dem Auftritt gibt es auch eine politische Botschaft.

Paris/Frankfurt (dpa) – Emmanuel Macron hat es eilig. Der mit 39
Jahren jüngste französische Staatspräsident aller Zeiten ist kaum
fünf Monate im Amt und hat bereits einen ehrgeizigen Plan zur Reform
der EU vorgelegt. Seine erste Auslandsreise, die nur der Kultur
gewidmet ist, führt den sozialliberalen Spitzenpolitiker zur
Frankfurter Buchmesse. Gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel wird der
Staatschef am Dienstag den weltgrößten Branchentreff eröffnen.
Frankreich ist dieses Mal Ehrengast.

Warum kommt Macron nach Frankfurt?

Kultur hat einen wichtigen Stellenwert in seinem Programm. «Was
Europa am stärksten zusammenhält, werden immer die Kultur und das
Wissen sein», sagte er vor zwei Wochen in der Pariser
Sorbonne-Universität. Europa solle aus seiner Sprachenvielfalt einen
Vorteil machen und diese nicht beklagen, lautet sein Credo. Seine
Forderung: Mehr europäischen Austausch für Studenten und
Auszubildende. Kultur ist zudem ein Aushängeschild Frankreichs. Der
große Auftritt des Landes in Frankfurt mit zahlreichen Autorinnen und
Autoren wurde jahrelang vorbereitet.

Ist der Besuch in Deutschland auch ein politisches Signal?

Über Macrons Europa-Vorstoß wurde auch in Deutschland viel
diskutiert. Dazu gehören ein eigener Haushalt, ein Parlament und ein
Finanzminister für die Eurozone. Der Senkrechtstarter schlug
Deutschland zudem eine «neue Partnerschaft» vor. Sein Plan lautet,
schon im Januar kommenden Jahres – also zum 55. Jubiläum – einen
erneuerten Élysée-Freundschaftsvertrag mit Berlin zu vereinbaren.

In Berlin gibt es nach der Bundestagswahl bisher keine neue
Regierung, wie soll das gehen?

Auch in Paris wird gesehen, dass die Regierungsbildung dauern kann.
Wir pochen nicht auf Termine, auch nicht Jubiläumstermine, heißt es
inzwischen in Élyséekreisen. Falls es nicht im Januar möglich sein,
könne der neue Vertrag auch später im kommenden Jahr vereinbart
werden. Unter dem Strich ist die Pariser Machtzentrale mit der
Aufnahme von Macrons EU-Offensive aber zufrieden.

Wie sind die Kontakte zwischen Paris und Berlin?

Es wird vor und hinter den Kulissen viel miteinander gesprochen. Erst
in der zurückliegenden Woche war der scheidende Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble (CDU) im Élyséepalast. Seine Botschaft an Macron
lautete: Am Ende wird es in Berlin «eine sehr gute und auch
proeuropäische Regierung» geben. Gemeint war eine Jamaika-Koalition
von Union, FDP und Grünen.

Wie hat Merkel auf Macrons Vorschläge reagiert?

Mit einiger Verzögerung, dann aber wohlwollend. Auf dem
EU-Sondergipfel Ende September in Tallinn stellte die Kanzlerin ein
«Höchstmaß an Übereinstimmung zwischen Deutschland und Frankreich»
fest. Macron habe Dynamik in die Debatte gebracht. Über Details müsse
natürlich noch gesprochen werden. Aber genau dort steckt
bekanntermaßen der Teufel: Merkel lehnt einen eigenen
Eurozonen-Haushalt und einen Finanzminister nicht generell ab. Doch
stellt sie sich die Beiträge und Kompetenzen erheblich kleiner vor
als Macron. Von dessen visionärem Pathos ist sie sehr weit entfernt
– nur als Bremserin will sie aber auch nicht erscheinen.

Was heißt das für die Regierungsbildung in Berlin?

Vor allem die FDP und ihr künftiger Einfluss auf die Außen- und
Europapolitik werden in der Umgebung des Präsidenten mit großer Sorge
gesehen. «Wenn Merkel sich mit den Liberalen verbündet, bin ich tot»,
soll Macron gesagt haben. Die FDP bemüht sich um Freundlichkeit,
inhaltlich aber gibt es klare Konfliktlinien – wie beim
Eurozonen-Budget. Parteichef Christian Lindner, der als künftiger
Finanzminister gehandelt wird, wollte schon Griechenland aus der
Euro-Zone entlassen. Jetzt warnt er vor einer «Geldpipeline» aus
Deutschland in andere Länder.

Vorbehalte gibt es auch in der CSU?

Die CSU befürchtet, dass Macrons Reformpläne für Deutschland teuer
werden könnten. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann etwa
sagte: «Was Macrons finanzpolitische Vorstellungen angeht, bin ich
sehr, sehr skeptisch. Es läuft letztendlich auf mehr Transfer
hinaus.» Das ist eben die große, manchmal irrationale Sorge auch
vieler Bürger: dass am Ende immer Deutschland bezahlen muss. Dass die
Griechenland-Krise sogar Geld in die deutschen Kassen gespült hat,
wird dabei oft vergessen.

Ist Macron ein Leser?

Ja. Auf seinem offiziellen Foto, das in jeder französischen Amtsstube
hängt, sind Bücher zu sehen, unter anderem die Memoiren des
Weltkriegshelden und Staatspräsidenten Charles de Gaulle.