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Zwischen Kunst und Scherbenhaufen: Glasbläser müssen lange üben Von Inga Dreyer

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Zur Weihnachtszeit werden die Schätze hervorgeholt: handgeblasene und
bemalte Christbaumkugeln. An der Berufsfachschule im thüringischen
Lauscha können Auszubildende sich als Glasbläser darauf
spezialisieren. Doch das Berufsfeld ist noch viel breiter.

Lauscha (dpa/tmn) – Glas ist ein fragiles Material. Es zu formen,
erfordert Geduld und Übung. Die ersten Versuche, eine Form zu blasen,
sind schwierig. «Wenn man das hinbekommt, ist man ganz schön stolz»,
sagt Johanna Barth. Die 23-jährige ist im ersten Lehrjahr zur
Glasbläserin an der Berufsfachschule im thüringischen Lauscha, das
für sein Glasbläserhandwerk bekannt ist. In den ersten beiden Jahren
lernen die Auszubildenden in Lauscha die Grundlagen, im dritten Jahr
spezialisieren sie sich auf Glasgestaltung oder Christbaumschmuck –
der Bereich, den die meisten Menschen mit diesem Handwerk verbinden.
Im Fachbereich Glasgestaltung werden unter anderem Schalen, Schmuck
und Dekorationsobjekte hergestellt.

«Der Begriff Glasbläser ist eher ein Oberbegriff, unter dem sich eine
Vielzahl von Berufen zusammenfindet», erklärt Peter Schweifel,
Vorsitzender des Verbands Deutscher Glasbläser. Neben dem
künstlerischen Bereich finden sich viele weitere Berufe – vom
Glasapparatebauer bis zum Thermometermacher. Auch auf Kunstaugen
können sich Glasbläser spezialisieren.

Die Berufsfachschule in Lauscha sei die einzige, die sich auf
Christbaumschmuck spezialisiert habe, berichtet Fachpraxislehrer
Günther Horn. Derzeit läuft dort ein besonderes Projekt: Seit Monaten
sind die Auszubildenden damit beschäftigt, 2000 Kugeln herzustellen,
die den Weihnachtsbaum vor dem Buckingham-Palast in London schmücken
werden – verziert mit einem Wappenstempel des Landkreises Sonneberg.

Grundsätzlich gibt es für Glasbläser verschiedene Möglichkeiten: Eine
duale Ausbildung oder der Besuch einer Glasfachschule. Allerdings
wird in den Betrieben kaum noch ausgebildet, sagt Alexander Legowski
vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). An der
Glasfachschule seien die Zahlen klein, aber stabil, berichtet Günther
Horn. Neun Lehrlinge haben in diesem Jahr in Lauscha angefangen.
«Jeder Glasbläser, der hier aufhört, könnte sofort einen Job
bekommen», sagt Horn. Derzeit gingen viele ältere Glasbläser in den
Ruhestand.

Johanna Barth möchte sich auf Glasgestaltung spezialisieren. Sie hat
bereits eine Ausbildung als Holzbildhauerin hinter sich und in der
elterlichen Schnitzerei gearbeitet. «Ich hatte Lust, noch etwas zu
lernen, was ich mit dem Holz verbinden kann», erzählt sie. Glas sei
für sie ein faszinierendes Material, das Licht und Wärme ausstrahle –
und deswegen gut zum Holz passe. Es sei spannend, sich dem Glas
anzunähern. «Das muss man sich wirklich erarbeiten.» Glasbläser
erwärmen Glasröhren oder Glasstäbe, bis das Glas formbar wird. Mit
Werkzeugen wie der Glasmacherpfeife modellieren sie das Glas und
blasen Formen. Anschließend lackieren oder bemalen sie das Ergebnis.
«Grundsätzlich darf man keine Angst vorm Feuer haben», sagt Horn.
«Das erste Jahr ist das härteste, da muss man sich durchbeißen.»

Voraussetzung für den Besuch der Glasfachschule ist ein
Hauptschulabschluss. Außerdem gibt es einen Eignungstest. Finanzieren
müssen sich die Auszubildenden selbst – über ihre Eltern, Bafög oder
Nebenjobs.

Auch Tamara Fischer liebt das künstlerische Glasblasen, hat sich aber
für eine andere Richtung entschieden. An der Glasfachschule in
Zwiesel im Bayerischen Wald ist Fischer im dritten Jahr der
Ausbildung zur Glasapparatebauerin. Sie lernt, Geräte herzustellen,
die vor allem in Laboratorien eingesetzt werden. Dazu bearbeitet sie
vorgefertigte Glasrohre und -stäbe, bläst Glaskugeln oder verschmilzt
Glas mit Metall. Die 26-Jährige hat zuerst eine Ausbildung zur
Kinderpflegerin gemacht und dann ihre Leidenschaft für Glas entdeckt.
Im Glasapparatebau seien die Berufsaussichten größer als in der
Kunst, sagt sie. «Künstler wird man nebenbei.»

Außerdem habe es ihr die Präzision angetan, mit der Glasapparate
hergestellt werden. Brandwunden gehörten zu der drei Jahre langen
Ausbildung allerdings dazu. «Aber mit der Zeit tun die nicht mehr
weh.» Das Glasbläserhandwerk sei in Deutschland so klein, dass man
früh Kontakte knüpfen müsse, empfiehlt Fischer.

Das Berufsfeld Glas verändert sich außerdem: Die Ansprüche an die
Fehlerfreiheit des Glases und die Perfektion der Bearbeitung würden
immer größer, sagt Schweifel. «Firmen müssen sich, um bestehen zu
können, immer mehr spezialisieren. Das erschwert eine umfassende
Ausbildung, die möglichst viele Bereiche abdeckt.» In der Elektronik
oder Optik kämen Gläser mit speziellen Eigenschaften hinzu. Er
betont, dass die verschiedenen Glasberufe gefragt seien, auch wenn
sie nur Nischen abdeckten. Seiner Kenntnis nach erlebten sowohl der
Glasapparatebauer als auch der Thermometermacher, der
Flachglasmechaniker und der Verfahrensmechaniker Glastechnik in den
vergangenen fünf Jahren einen Aufschwung. Und auch die Nachfrage nach
Weihnachtskugeln scheint ungebrochen – wie der Auftrag für die
britische Queen zeigt.

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