Wer nach dem Abi in Deutschland Medizin studieren will, braucht sehr
gute Noten. Zuletzt lag der Numerus clausus zwischen 1,0 und 1,1. Wer
strategisch denkt und Bonuspunkte sammelt, kommt auch mit einer
schlechteren Abiturnote zum Ziel. Aber auch dann ist es hart.
Dortmund/Köln (dpa/tmn) – Anderen helfen, einen spannenden und
sicheren Job haben: Arzt ist für viele junge Menschen ein Traumberuf.
Das zeigt auch ein Blick auf die Zahl der Studienbewerber im Fach
Medizin: Im Wintersemester 2016/17 gab es bundesweit 9150 freie
Studienplätze, aber 43 827 Bewerber. Auf einen Platz kommen also fast
fünf Kandidaten. Der Numerus clausus lag zuletzt zwischen 1,0 und
1,1. Doch auch wer eine schlechtere Note hat, kann zum Ziel kommen.
Wichtig ist, sich früh mit dem Bewerbungsverfahren vertraut zu machen
– und strategisch vorzugehen.
Die Bewerbung läuft über die Stiftung für Hochschulzulassung – sie
vergibt zentral alle Studienplätze für Medizin an den staatlichen
Hochschulen für das erste Fachsemester. Drei Quoten sind dabei
maßgeblich: 20 Prozent der Plätze gehen an Bewerber mit den besten
Abiturnoten, 20 Prozent an jene mit der längsten Wartezeit, und 60
Prozent werden nach den Auswahlverfahren der Hochschulen verteilt.
Für jeden der drei Wege müssen sich Bewerber im Antrag bei der
Stiftung für Hochschulzulassung gesondert melden. «Ich würde auf
jeden Fall bei allen drei Quoten mitmachen, denn Bewerber haben
nichts zu verlieren», rät Kerstin Lütge-Varney von der Stiftung für
Hochschulzulassung. Die Chancen stehen nicht besser, wenn
Abiturienten nur auf eine Variante setzen.
Wer im Wintersemester 2016/17 über die Abiturnote an den Studienplatz
kommen wollte, brauchte allerdings sehr gute Noten. Die Abiturienten
werden nach Bundesländern geordnet: Wer aus Berlin oder Hamburg kam,
brauchte mindestens die Note 1,0, in Niedersachsen war es eine 1,1.
Die 20 Prozent der Plätze, die über die Warteliste vergeben werden,
kommen für viele Abiturienten ebenfalls nicht infrage. Im
Wintersemester 2016/17 kam zum Zuge, wer mindestens 14 Semester
Wartezeit vorweisen konnte.
Für die allermeisten Bewerber liege die Chance in den 60 Prozent der
Plätze, die über die Auswahlverfahren der Hochschulen vergeben
werden, sagt Lütge-Varney. Und hier können sie durchaus strategisch
vorgehen. Denn wie die Hochschulen ihre Plätze vergeben, ist
unterschiedlich. Auch hier wird maßgeblich die Abiturnote
berücksichtigt, die Hochschulen gewähren aber unter Umständen einen
Bonus, wenn Kandidaten bestimmte Kriterien erfüllen:
– Medizinertest: An 23 Hochschulen können Bewerber ihre Note
verbessern, wenn sie erfolgreich am Medizinertest TMS teilgenommen
haben. Der findet einmal im Jahr an rund 50 Orten in Deutschland
statt. Er dauert von 10.00 bis 17.00 Uhr und kostet 73 Euro. Bewerber
müssen neun Aufgabengruppen bearbeiten. Wie hoch der Bonus für das
Bestehen ist, bestimmt jede Hochschule selbst. Ein Beispiel: Die
Hochschule Erlangen-Nürnberg gewährt Bewerbern, die beim
Medizinertest zu den besten zehn Prozent gehören, einen Bonus von 0,8
auf die Abiturnote. Aus einer 2,0 wird so eine 1,2. Den Medizinertest
kann man nur einmal machen.
Um sich darauf vorzubereiten, sollten Bewerber 30 bis 40 Stunden an
Vorbereitung einplanen, rät Alexander Zimmerhofer von der Firma ITB
Consulting, die den Test entwickelt hat und anbietet. Sie stellt ein
kostenpflichtiges E-Learning-Tool im Netz zur Verfügung. Bewerber
sollten wissen, wie der Test abläuft und was auf sie zukommt, sagt
Zimmerhofer. Es sei aber nicht möglich, die Aufgabentypen umfassend
zu trainieren. Im Test würden keine Wissensfragen gestellt, sondern
Aufgaben, die die Studierfähigkeit einer Person messen.
Die Universitäten in Hamburg und Berlin machen mit dem Ham-Nat einen
eigenen Medizinertest. Hier lohnt es, sich für die Vorbereitung an
den Universitäten zu erkundigen.
– Berufsausbildung: Einen Bonus können Bewerber häufig auch mit einer
abgeschlossenen, einschlägigen Berufsausbildung bekommen. So gewährt
beispielsweise die Universität Freiburg hierfür einen Bonus von
maximal 0,5 auf die Abiturnote. Welche Ausbildung als einschlägig
gilt, variiert leicht von Hochschule zu Hochschule, Bewerber müssen
dies also im Einzelfall prüfen.
– Auswahlgespräch: Einige Hochschulen geben Bewerbern die
Gelegenheit, bei einem Auswahlgespräch zu punkten. Hierbei sollten
sich Bewerber jedoch vorab genau nach den Konditionen erkundigen.
Einzelne Hochschulen machen es zur Bedingung, dass sie einen Bewerber
nur einladen, wenn er sie auf Rang eins seiner Wunschliste bei der
Studienbewerbung gesetzt hat. Bei ihrer Bewerbung haben Abiturienten
die Möglichkeit, eine Rangliste von sechs Universitäten zu erstellen,
an denen sie am liebsten studieren möchten.
– Einzelnoten/Wettbewerbe/Freiwilligendienst: Vier Hochschulen – in
Dresden, Jena, Rostock und Greifswald – gewähren außerdem einen
Bonus, wenn Bewerber sehr gute Einzelnoten in bestimmten Fächern
haben. So ist es zum Beispiel an der Universität Rostock: Dort sind
die Noten in den Fächern Mathe, Deutsch, Bio, Physik und Chemie
besonders wichtig. Andere wiederum geben einen Bonus von 0,2, wenn
ein Bewerber den Wettbewerb Jugend forscht gewonnen hat. Einen Bonus
gibt es häufig auch für ein Freiwilliges Soziales Jahr oder den
Bundesfreiwilligendienst.
Wer also auf jeden Fall Medizin studieren möchte und bereit ist, sich
bundesweit umzusehen, schaut sich am besten die Auswahlverfahren
aller Hochschulen an – und überlegt sich dann, welchen Bonus er
bekommen kann.