Mit afrikanischer Gelassenheit kehrt Bernd Althusmann in die
niedersächsische Politik zurück. Die CDU will ihn zum
Spitzenkandidaten 2018 machen. Der einstige Bildungsminister steht
für liberale Positionen. Was bedeutet das für seine Partei?
Hannover (dpa) – Bernd Althusmann liebt Schachtelsätze. Stephan Weil
liebt sie auch. Auf ein Rededuell zwischen dem Spitzenkandidaten der
Niedersachsen-CDU für die Landtagswahl im Januar 2018 und dem
sozialdemokratischen Ministerpräsidenten kann man also gespannt sein.
Nicht nur in ihrer Rhetorik sind sich die beiden Politiker ähnlich.
Der 57-jährige Amtsinhaber Weil gibt sich gerne bewusst gelassen. Der
Jurist wirkt volksnah und charakterisiert sich selbst als «schlichten
Erdenbürger».
Auch der 49-jährige Althusmann gilt als ruhig und sachlich.
Gelassenheit habe er in Afrika gelernt, sagt der ehemalige
niedersächsische Kultusminister, der in Namibia für zweieinhalb Jahre
das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung leitete. Seine Zeit außerhalb
der Politik hat ihm noch eine Erkenntnis gebracht. «Als Politiker
steht man in der Gefahr, von lauter wohlmeinenden Menschen umgeben zu
sein, die einem sagen, wie toll alles ist.» Man müsse dem Volk aufs
Maul schauen, zitiert der Pastorensohn Martin Luther.
Als Althusmann im Juni aus Afrika in seine Heimat zurückkehrte,
brodelte in Hannover die Gerüchteküche. Der promovierte Pädagoge
hatte ein Comeback in der Landespolitik nie ausgeschlossen. Schnell
galt Althusmann als Favorit für die Nachfolge von CDU-Parteichef
David McAllister. Der Abgeordnete im Europäischen Parlament hatte
bereits im Sommer 2015 angekündigt, dass er Weil 2018 nicht
herausfordern und auch die Parteiführung abgeben wolle. Zu schwer wog
für Niedersachsens einstigen Ministerpräsidenten die Erinnerung an
die Wahlniederlage, die er 2013 gegen Weil erlitten hatte.
Ernsthafte Rivalen hatte Althusmann nicht. Zwar brachte sich
zeitweilig Landtagspräsident Bernd Busemann (64) ins Spiel. Doch
CDU-Insider waren überzeugt: Busemann nutzte den Personal-Poker, um
sich für die Zeit nach der Wahl seinen Posten als Landtagspräsident
zu sichern. Am Ende ließ er Althusmann den Vortritt.
«Verwaist» habe die Niedersachsen-CDU in den vergangenen Monaten
gewirkt, findet der Politologe Wichard Woyke. Diese Zeit sei nun aber
vorbei. «Die Partei hat jetzt jemanden, der sie in den Wahlkampf
führt. Althusmann kann viel stärker Probleme mit den Bürgern
diskutieren als McAllister, der vor allem mit EU-Angelegenheiten
befasst war», sagte der Wissenschaftler aus Münster.
Althusmann vertritt Positionen, die nicht weit von denen der SPD
liegen. Er fordert ein Einwanderungsgesetz, ist gegen eine Obergrenze
beim Flüchtlingszuzug und will in Niedersachsen keine erneute
Schulstrukturdebatte – selbst wenn die rot-grüne Landesregierung
viele Neuerungen abgeschafft hat, die er selbst einst als
Kultusminister einführte.
Diese Positionen und Althusmanns pragmatische Art bilden einen
Kontrast zur gelegentlich polternden Fraktionsspitze. «Vermutlich
wird Althusmann versuchen, seine Vorstellungen in die Fraktion
hineinzubringen und die Partei liberaler auszurichten», sagt Woyke.
Innerhalb der SPD wird es härter formuliert: Ein Hardliner wie der
parlamentarische Geschäftsführer Jens Nacke könne unter Althusmann
seine Träume vom Posten des Innenministers «gleich vergessen».
Und was meint Amtsinhaber Weil zu seinem Herausforderer? Er «fürchte»
sich nicht vor Althusmann, sagte der Ministerpräsident kürzlich der
«Nordwest-Zeitung». «Ich respektiere jeden politischen Gegner. Aber
bange ist mir nicht.»
Einer aktuellen Umfrage zufolge könnten nach der Wahl am 14. Januar
2018 sechs Parteien im Landtag vertreten sein, zwei mehr als jetzt.
«Das lässt viele bunte Mehrheitsoptionen zu – auch in dieser Hinsicht
ist es für die CDU von Vorteil, einen Spitzenkandidaten zu haben, der
Flexibilität zeigt», sagt der Politologe Stephan Klecha von der
Universität Göttingen. Entsprechend reagiert Althusmann auf Fragen
nach Koalitionspräferenzen: Er schweigt.