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Wenn die Kita die Familienkasse zu sehr belastet

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Es geht ungleich zu bei den Kitas in Deutschland – bei Gebühr und
Qualität. Die Bertelsmann-Stiftung hat Tausende Eltern befragt. Für
mehr Chancengleichheit ab dem Kleinkindalter ist noch viel zu tun.
Die neue Familienministerin sagt: Wir sind dran.

Gütersloh (dpa) – Die ersten Lebensjahre gelten als prägend – und
Kitas spielen als Bildungsorte bei der Entwicklung der Kleinsten eine
große Rolle. Aber: Qualität, Personalschlüssel und Ausstattung fallen
überall anders aus. Ungleichheit herrsche auch bei den Gebühren,
bilanziert die am Montag in Gütersloh veröffentlichte Studie
«ElternZoom 2018» der Bertelsmann-Stiftung. Was Mütter und Väter für
die Betreuung zahlen, hängt stark davon ab, wo sie wohnen. Weiteres
Ergebnis: Wer wenig Geld hat, armutsgefährdet ist, zahlt
überproportional viel – jeder zehnte Euro aus der Familienkasse geht
dann an die Kita. Die Ergebnisse beruhen laut Stiftung auf zwei
Befragungen von insgesamt 10 490 Eltern.

Wieviel kostet die Betreuung?

Eltern geben für die Kita-Betreuung im Bundesschnitt 173 Euro aus.
Dieser Mittelwert klingt recht unspektakulär. Aber: Die Beiträge
schwanken laut Erhebung bei 90 Prozent der Eltern zwischen 30 und 390
Euro monatlich. Plus Zusatzkosten für Verpflegung. In
Schleswig-Holstein zahlen Familien im Ländervergleich am meisten, in
Berlin am wenigsten. Das bevölkerungsreichste Bundesland
Nordrhein-Westfalen liegt im oberen Mittelfeld. Innerhalb der Länder
können die Gebühren auf kommunaler Ebene noch einmal sehr
unterschiedlich ausfallen.

Ist das fair?

Wenn Eltern unterschiedliche Beiträge je nach Wohnort zahlen müssen,
sei das ein Beleg dafür, «dass der Staat von der Erfüllung seines
Auftrags, für gleiche Bildungschancen zu sorgen, weit entfernt ist»,
kritisiert der Vorsitzende des Bildungsverbands VBE, Udo Beckmann.
Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AFG)
fordert, dass Familien nur gemäß ihrer tatsächlichen
Leistungsfähigkeit an den Kita-Kosten beteiligt werden.

Woher kommen die Schwankungen?

Das liegt auch an der unterschiedlichen Gewichtung der Länder. Manche
wollen möglichst schnell eine finanzielle Entlastung der Eltern oder
haben diese teilweise oder schon weitgehend realisiert. Andere nennen
Qualitätsverbesserungen als oberste Priorität. Der VBE verlangt: Der
frühkindliche Bereich müsse wie die Schule beitragsfrei sein.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) betont, eine zentrale
Säule des geplanten «Gute-Kita-Gesetzes» – das das Bundeskabinett vor
der Sommerpause beschließen soll – sei «der Einstieg in die
Beitragsfreiheit».

Sind Unterschiede bei der Qualität ein Grund zur Aufregung?

In der Kita geht es um die umfassende Persönlichkeitsentwicklung der
Kinder und um ein altersgemäßes Lernen. «Qualitätsunterschiede in der
Betreuung können Entwicklungsunterschiede der jeweiligen Kinder von
bis zu einem Lebensjahr zur Folge haben», erklärt die AGF. «Das gilt
insbesondere für Kinder aus anregungsärmeren oder belasteten
Familien.» Eltern müssten sich überall auf gleich hohe Qualität
verlassen können. Laut Familienministerium haben sich Bund und Länder
«erstmalig und gemeinsam auf Qualitätskriterien geeinigt», die nun in
das «Gute-Kita-Gesetz» einfließen sollen.

Was sagen Mütter und Väter?

Schon Untersuchungen zuvor haben ergeben, dass viele Eltern
zusätzliche Kita-Plätze, einen besseren Betreuungsschlüssel und mehr
Erzieherinnen für nötig halten. Laut Bertelsmann-Studie wäre eine
Mehrheit bereit, für mehr Qualität auch mehr zu zahlen.

Ist Eile geboten?

VBE-Chef Beckmann sieht dringenden Handlungsbedarf: «Wenn nicht
deutlich mehr in die Kitas investiert wird, dann werden wir den
Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungschancen nicht
annähernd aufgelöst bekommen.» Bertelsmann-Stiftungsvorstand Jörg
Dräger hält es für geboten, armutsgefährdeten Familien die Gebühr zu
erlassen. Das würde geschätzte 730 Millionen Euro kosten.

Könnte ein Finanz-Kraftakt eine Gratis-Kita für alle bringen?

Man bräuchte dafür 7,3 Milliarden Euro pro Jahr, schätzt die
Stiftung. Plus 8 Milliarden Euro für mehr Qualität. Die GroKo legt im
Koalitionsvertrag fest, dass der Bund Länder und Kommunen auch bei
«der Entlastung von Eltern bei den Gebühren bis hin zur
Gebührenfreiheit» unterstützt. Ministerin Giffey verweist auf 3,5
Milliarden Euro, die die Länder 2019 bis 2021 erhalten sollen und auf
eine Fachkräfte-Offensive für mehr Erzieherinnen. «Der Bund engagiert
sich erstmals in einer solchen Größenordnung in der frühkindlichen
Bildung.» Die Länder investieren hohe Summen in die Kinderbetreuung,
viele Länder und Kommunen sind aber verschuldet.

Gibt es Eltern, die wegen der Gebühr ganz auf eine Kita verzichten?

Infratest-dimap hatte auch 1036 Eltern befragt, warum sie ihren
Nachwuchs bis sieben Jahre nicht in eine Kita schicken. 20 Prozent
begründeten das mit zu hohen Kosten. Beckmann mahnt: «Wenn wir
bereits die Kleinsten verlieren, hat das verheerende Auswirkung auf
deren Bildungsbiografie und damit auch auf die Zukunft der
Gesellschaft.»

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