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Theorie und Praxis: Auto-Standort Mexiko setzt auf duale Ausbildung

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Noch eineinhalb Jahre dauert es, bis in San Luis Potosí die ersten
BMW-Limousinen vom Band laufen. Die Ausbildung der Arbeiter nach
deutschem Vorbild hat aber schon längst begonnen. Die Kombination aus
Theorie und Praxis gilt weltweit immer mehr als Erfolgsmodell.

San Luis Potosí (dpa) – Der dicke Roboterarm fährt ruckartig herum,
greift ein quadratisches Plastikteil und legt es im präzisen Abstand
neben den anderen Quadern auf dem Tisch ab. Guadelupe Acosta
kontrolliert den Bewegungsablauf an einem tragbaren Monitor,
überprüft das Ergebnis, justiert ein wenig nach. Dann setzt sich der
Roboter wieder in Bewegung.

Nebenan sägen, fräsen und löten die Auszubildenden des ersten
Lehrjahrs, ein paar Räume weiter polieren junge Männer eine frisch
lackierte Karosserie. «Die jungen Leute trainieren hier alle
Fähigkeiten, die sie später in der Produktion auch brauchen», sagt
Ausbilder Hazael Paita. «Außerdem sollen sie lernen, Probleme zu
erkennen und im Team nach einer Lösung zu suchen.»

Eineinhalb Jahre dauert es noch, bis im neuen BMW-Werk im
mexikanischen San Luis Potosí das erste Auto vom Band rollt. Große
Teile des künftigen Fabrikgeländes liegen noch brach, aber im neuen
Ausbildungszentrum werden die Lehrlinge schon für ihre künftigen
Aufgaben geschult.

«Die Ausbildung ist der Schlüssel zum Erfolg», sagt
BMW-Personalchefin Milagros Caiña-Andree. In Mexiko werden die
Mitarbeiter in der dualen Berufsausbildung nach deutschem Vorbild
geschult. «Die theoretischen Kenntnisse werden an Technik-Schulen und
der Universität von San Luis Postosí vermittelt, die Praxis im
Ausbildungszentrum auf dem Werksgelände», sagt Ausbildungsleiterin
Joy Tirado.

Neben Autos, Maschinen und Chemie gilt die duale Ausbildung als
deutscher Exportschlager. In immer mehr Ländern wird das Modell
aufgegriffen. «Die duale Ausbildung ist das effizienteste Modell, um
junge Leute auf den Beruf vorzubereiten, weil sie Theorie und Praxis
verbindet», sagt der Präsident des mexikanischen Unternehmerverbands
CCE, Juan Pablo Castañón Castañón.

Gerade die aufstrebende Automobil- und Luftfahrtindustrie ist auf gut
ausgebildete Arbeiter angewiesen. Derzeit ist Mexiko der siebtgrößte
Automobilstandort der Welt, bis 2020 will das Land in die Top Five
aufrücken. Dafür braucht es Facharbeiter: Bis 2018 sollen 10 000
Mexikaner eine duale Berufsausbildung durchlaufen. «Wir wollen unser
Humankapital stärken», sagt Bildungsminister Aurelio Nuño Mayer.
Langfristig strebt Mexiko 40 Prozent duale Ausbildung bei
Schulabgängern an.

Auch in den USA und Russland, der Slowakei und Italien gibt es
Pilotprojekte. Das deutsche Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)
unterstützt und berät interessierte Unternehmen und Regierungen bei
der Umsetzung. «Im Ausland hat die duale Berufsbildung in den letzten
Jahren stetig zunehmende Beachtung gefunden. Zahlreiche Länder führen
duale Elemente in ihr Berufsbildungssystem ein», sagt Michael
Wiechert, Leiter der Internationalen Kooperation und Beratung beim
BIBB.

Trotzdem ist häufig auch Überzeugungsarbeit zu leisten. «Oft wird
ausschließlich akademische Bildung als qualitativ hochwertig
gesehen», sagt Wiechert. Unternehmer fürchten zudem häufig, ihre
teuer ausgebildeten Mitarbeiter später an die Konkurrenz zu
verlieren. «Erfolgreich können duale Strukturen nur dann eingeführt
werden, wenn Staat und Wirtschaft das Thema gemeinsam bearbeiten und
es gelingt, die Gesellschaft mitzunehmen», sagt Wiechert.

Zudem kann das deutsche Modell nicht einfach ins Ausland exportiert
werden, sondern muss an die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort
angepasst werden. Das BIBB analysiert zunächst die Ausgangslage und
legt mit den Partnern danach fest, welche Elemente in welcher
Reihenfolge und Geschwindigkeit umgesetzt werden.

Die angehende Mechatronikerin Elda Velázquez ist bei BMW in Mexiko im
zweiten Ausbildungsjahr. Zwei Wochen im Monat geht sie in die
Berufsschule, zwei Wochen steht sie in der Ausbildungswerkstatt.
«Beide Teile ergänzen sich. Durch die praktischen Übungen verstehe
ich die Theorie besser und umgekehrt», sagt die 19-Jährige.

Neun Millionen US-Dollar hat BMW in das Ausbildungszentrum in San
Luis Potosí investiert. 170 Mechatroniker und Automobilmechaniker
wurden bereits ausgebildet. Bis zur Werkseröffnung im April 2019
sollen es rund 700 sein. Dann wird in Mexiko der Großteil der
weltweiten Produktion der neuen 3er-Serie vom Band laufen.

Auch nach dem Produktionsstart soll es im Trainingszentrum regelmäßig
Fortbildungen für die mexikanischen BMW-Mitarbeiter geben. «Wir
brauchen eine dauerhafte Ausbildung, um die Herausforderungen der
Zukunft zu meistern», sagt BMW-Vorstandsmitglied Caiña-Andree. Oder,
wie es Werksleiter Hermann Bohrer ausdrückt: «Champions werden nicht
geboren, Champions werden gemacht.»

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