SDS-newsline Onlinezeitung

Spicker bis Smartwatch: Schummeln im Studium wird hart bestraft Von Tobias Schormann, dpa

| Keine Kommentare

Tarnen, tricksen, täuschen – immer wieder versuchen Hochschüler, sich
durch das Studium zu mogeln. Und sie lassen sich dabei immer neue
Schummeleien einfallen. Was aber nichts daran ändert: Wer erwischt
wird, fliegt schlimmstenfalls.

Köln/Berlin (dpa/tmn) – Der moderne Student schreibt nicht einfach ab
– er hat einen Bluetooth-Stecker im Ohr und lässt sich die Antworten
von einem Kommilitonen außerhalb des Hörsaals einflüstern. Was
Studenten sich so alles einfallen lassen, um sich bei Prüfungen
durchzumogeln, ist überraschend. Andere sollten sich aber vorsehen,
solche Versuche nachzumachen. Denn es drohen harte Strafen.

Schummeln im Studium ist weit verbreitet. Vier von fünf Studenten
geben zu, bei Prüfungen zu unsauberen Tricks zu greifen. Das zeigt
eine Studie des Kölner Soziologen Sebastian Sattler. Das reicht vom
Spickzettel über das Fälschen von Laborergebnissen bis hin zum
Plagiat.

Vorschub leisten dabei nicht zuletzt die moderne Technik und das
Internet – denn sie sind verführerisch. «Es ist heute sehr viel
einfacher geworden, zu betrügen», sagt Sattler. Das gilt zum Beispiel
fürs Abkupfern aus dem Internet, das auch schon prominenten
Politikern wie dem ehemaligen Bundesverteidigungsminister
Karl-Theodor zu Guttenberg zum Verhängnis geworden ist. «Es gibt
heute so große Massen von Texten online, die man mit ein paar Klicks
übernehmen kann. Das gab es vor 20, 30 Jahren noch nicht», sagt
Sattler.

Das Problem kennt auch Juraprofessor Gerhard Dannemann von der
Humboldt-Universität zu Berlin, der sich mit dem Thema Plagiate
intensiv auseinandergesetzt hat. Dannemann schätzt, dass hierzulande
in etwa einem Fünftel der eingereichten Bachelor- und Masterarbeiten
abgekupfert wird.

Studenten sind beim Schummeln auf jeden Fall erfinderisch: So ist der
Spickzettel 2.0 kein handgeschriebener Zettel mehr. Studenten drucken
sich vielmehr abgewandelte Flaschenetiketten aus und verwandeln dabei
das Kleingedruckte zur Formelsammlung – passende Vorlagen gibt es im
Internet.

Andere setzen aufs Handy und verschicken ein Foto der Aufgaben – die
Lösung kommt per SMS. Oder sie wird eben mündlich über einen
drahtlosen Knopf im Ohr durchgegeben. Einige verstecken ihr
Smartphone auch in einem leeren Kakao-Tetrapak, das sich aufklappen
lässt.

Der nächste logische Schritt sind Smartwatches als Spickzettel. Eine
ausländische Firma bietet im Netz Schummel-Uhren im Set mit einer
Spezialbrille an. Nur mit ihr ist der digitale Spickzettel zu lesen,
für andere sieht der Bildschirm leer aus, verspricht der Hersteller.
«Das ist wie beim Doping im Sport – es gibt immer etwas Neues, und
die Jäger sind oft einen Schritt hinterher», sagt Sattler.

Auf viele Tricks haben Hochschulen aber inzwischen reagiert. Dazu
gehört etwa ein striktes Handyverbot in Klausuren. Klingelt im Raum
ein Telefon, wird das teilweise schon als Täuschungsversuch gewertet,
erklärt Sattler. Jemand anderen zur Prüfung schicken? Das klappt oft
nicht mehr. Denn vielfach werde heute der Personalausweis überprüft,
ergänzt Dannemann. Und gegen Plagiate gehen die Hochschulen
systematisch mit spezieller Software vor.

Manche Tricks sind aber auch ganz altmodisch: Vieles spielt sich
immer noch auf dem Klo ab, hat Dannemann beobachtet. Dort wartet dann
entweder ein Spickzettel, ein Lehrbuch oder ein Kommilitone. Andere
verwenden immer noch altes Klausurpapier, auf dem vorgeschriebene
Texte stehen.

Und Dannemanns dreistester Pfuscher-Fall war keine Arbeit, die aus
dem Netz kopiert war, sondern ein handfester Diebstahl. Ein Student
bat eine Kommilitonin, seine Arbeit für ihn abzugeben. Das tat sie
auch – aber unter ihrem Namen. Das Ganze flog erst auf, als der
Student sich später erkundigte, wo denn seine Arbeit geblieben sei.

Was sich wohl nicht jeder klarmacht: Schummel-Studenten drohen harte
Strafen. Das fängt an beim Punkteabzug, wenn etwa in einer Hausarbeit
Zitate teilweise nicht gekennzeichnet sind, sagt Roland Schimmel,
Juraprofessor an der Frankfurt University of Applied Sciences. Wird
eine Prüfung als durchgefallen gewertet, kann das im Bachelor
gravierende Folgen haben, ergänzt Dannemann. Denn wenn es eine
Pflichtprüfung ist und sie nicht wiederholt werden kann, ist das
Studium damit beendet. Und mitunter regelten die Prüfungsordnungen,
dass Studenten nach einem Täuschungsversuch als endgültig
durchgefallen gelten. Werden Betrüger zwangsexmatrikuliert, ist das
außerdem folgenschwer, weil dann keine andere Hochschule in
Deutschland sie in dem Fach wieder aufnimmt, erklärt Schimmel.

Immer wieder kommt es aber auch vor, dass Studenten sich beim
Schummeln selbst entlarven. In einem Fall hatte ein Student
erfolgreich einen Spickzettel in die Klausur geschmuggelt – ihn aber
dummerweise hinterher mit der Klausur abgegeben, erzählt Dannemann.
In einem anderen Fall wollten zwei Studentinnen auf Teamarbeit
setzen: Die eine bearbeitete Aufgabe eins in doppelter Ausführung,
die andere Aufgabe zwei. Vor der Abgabe tauschten sie heimlich Zettel
aus, schildert Schimmel. Dumm nur: Das Klausurpapier hatte
unterschiedliche Farben. Die Zettel der einen Studentin waren grün,
die der anderen blau.

Info-Kasten: Viele Studenten greifen zu Schummeltricks

Schummeln im Studium kommt häufig vor. Das zeigt eine Studie, die der
Soziologe Sebastian Sattler an der Universität Bielefeld erstellt
hat. Dafür wurden von 2009 bis 2012 mehrfach jeweils 2000 bis 6000
Studenten verschiedener Hochschulen anonym befragt. Dabei gaben 79
Prozent zu, in den letzten sechs Monaten mindestens einmal im Studium
zu Schummeltricks gegriffen zu haben. Mehr als jeder Dritte hatte in
einer Klausur (37 Prozent) oder bei anderen Aufgaben wie Protokollen
(35 Prozent) abgeschrieben. Jeder Vierte (24 Prozent) hatte Daten
gefälscht oder erfunden. Und fast jeder Fünfte (18 Prozent) hatte bei
schriftlichen Arbeiten plagiiert.

Info-Kasten: Gründe fürs Mogeln

Die Gründe fürs Pfuschen im Studium sind vielfältig: Überforderung,
Faulheit oder der Wunsch, als Einser-Absolvent dazustehen, nennt
Prof. Gerhard Dannemann von der Humboldt-Universität zu Berlin als
Beispiele. Und bei einigen kommt Unwissenheit im Umgang mit Quellen
hinzu. «Die Leute wissen einfach nicht, wie man’s richtig macht.»
Einigen fehlt auch das Unrechtsbewusstsein – denn für nicht wenige
ist Mogeln im Studium offenbar nur ein Kavalierdelikt. So hält
beispielsweise jeder Fünfte das Schummeln in Klausuren nicht für
unmoralisch, erklärt Sebastian Sattler von der Universität Köln, der
zum Thema Plagiate forscht. Aber auch Prüfungsangst, Konkurrenzdruck
und schlechte Studienbedingungen befördern laut seiner Studie Betrug
im Studium. Außerdem gingen viele Lehrende noch nicht intensiv genug
gegen diesen Betrug vor.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.