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Schneegestöber im Theater: Bühnenbildner geben Geschichten einen Raum Von Kristin Kruthaup, dpa

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Sie stehen nicht selbst auf der Bühne. Doch ob einem Zuschauer ein
Theaterstück im Gedächtnis bleibt, hängt wesentlich von ihnen ab.
Bühnenbilder entwerfen Räume für Theaterstücke – die Handwerker in
den Werkstätten setzen ihre Ideen um. Ein Blick hinter die Kulissen.

Dresden/Berlin (dpa/tmn) – Wenn der Vorhang hoch- und das Licht
angeht, steht ihre Arbeit für einen kurzen Augenblick im Mittelpunkt.
Alle Augen richten sich dann auf das Bühnenbild. Es ist der Rahmen
für die Geschichte, die nun erzählt wird. Bei dem Theaterstück Prof.
Bernhardi an der Schaubühne Berlin ist das ein klinisch weißer Raum,
an dem es keine Dekoration und kaum Ablenkung gibt. Lediglich in der
hinteren Wand der Bühne sind zwei Türen eingelassen. Jan Pappelbaum
hat das Bühnenbild entworfen, er ist Leiter der Ausstattung an der
Schaubühne. «Das Tolle an der Arbeit als Bühnenbildner ist, dass man
mehr eigenen Freiraum bei der Gestaltung hat als beispielsweise in
der Architektur, aus der ich mal ursprünglich kam», sagt er.

Bühnen- und Kostümbildner sowie Kulissenbau ist für viele Schüler ein
Traumjob. Es interessierten sich deutlich mehr Jugendliche für den
Bereich Bühnen- und Kostümbild, als es zum Beispiel Ausbildungsplätze
gibt, erklärt Paul Ebsen, Pressereferent von der Bundesagentur für
Arbeit. Dabei braucht es am Theater nicht nur Bühnenbildner, die
Kulissen entwerfen. Gesucht sind auch Handwerker, die Entwürfe
praktisch umsetzen.

Mark-Olliver Hoppe ist einer von denen, die an der Schaubühne die
Modelle und technischen Zeichnungen der Bühnenbildner realisieren. Er
hat seine Ausbildung zum Tischler an der Schaubühne gemacht,
mittlerweile ist er seit zehn Jahren da. «Wenn ich meine Ausbildung
in einem normalen Tischlerbetrieb gemacht hätte, würde ich jetzt
vermutlich nur Möbel, Türen oder Fenster machen», sagt er. Das Tolle
an der Arbeit am Theater sei, dass er durch die Kulissen extrem
vielfältig arbeitet. Mal muss er eine Treppe bauen, ein anderes Mal
ein Möbelstück.

Neben Tischlern wie Hoppe braucht es Schlosser, Maler und Lackierer
sowie Dekorateure, um die Kulissen zu fertigen. Rund zwanzig
Handwerker arbeiten an der Schaubühne im Hintergrund, an kleineren
Häusern sind es deutlich weniger. Neben ihrem handwerklichen Geschick
haben sie vor allem eins gemeinsam: die Lust, auch verrückte Ideen
praktisch umzusetzen. «Man kann nicht alles zu 100 Prozent
hinbekommen, was der Bühnenbildner will», erzählt Hoppe. «Aber man
versucht, was hinzuzaubern, und am Ende klappt es auch immer.»

So war es auch, als es bei einem Stück auf der Bühne schneien sollte.
«Das Schwierige war: Es sollte mal stärker und dann wieder schwächer
schneien», erzählt Hoppe. Erst war die Idee, dass ein Techniker den
Kasten, aus dem der Schnee fällt, per Hand steuert. Am Ende hatten
sie einen Motor eingebaut, über den zwei Lattenroste gegeneinander
liefen, die den Schnee, also weiße Kunststoffschnipsel, auf die Bühne
schaufelten.

Anders als die Handwerker steht der Bühnenbildner nicht vor
technischen Problemen – er arbeitet vielmehr künstlerisch Hand in
Hand mit dem Regisseur und transportiert über sein Bühnenbild auch
eine Aussage zum Stück. Der klassische Weg in den Beruf ist ein
Bühnenbildstudium an der Kunsthochschule.

Einer der Bühnenbildstudiengänge mit den meisten Studenten in
Deutschland ist an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden.
Dort ist die Besonderheit, dass sich Studenten sowohl mit Kostüm- als
auch mit Bühnenbild befassen. Rund 50 Studenten sind
jahrgangsübergreifend für das Bühnen- und Kostümbildstudium
eingeschrieben. «Pro Jahr nehmen wir 10 bis 12 Studierende an», sagt
Prof. Barbara Ehnes von der Hochschule. Dafür gebe es etwa 40 bis 50
Bewerber. In einem ersten Schritt müssen Bewerber eine Mappe
einreichen, dann werden sie zum Vorstellungsgespräch eingeladen.
Einige der Bewerber haben aufgrund ihrer Familie schon seit
Kindesbeinen mit dem Theater zu tun. «Viele haben aber auch einfach
irgendwann Theaterluft gerochen – etwa im Rahmen eines Praktikums
oder im Jugendclub im Theater», erzählt Ehnes.

Das Studium dauert in Dresden fünf Jahre, Studierende schließen mit
dem Diplom ab. Im ersten Jahr beschäftigen sie sich mit bildnerischen
Grundlagen wie Raum- oder Farblehre, sagt Prof. Ehnes. Im weiteren
Studium geht es unter anderem darum, selbstständig Bühnen- und
Kostümbilder zu erarbeiten.

Der Weg in den Beruf ist mit dem Studium aber noch nicht beendet:
Nach dem Studium assistierten Absolventen häufig noch ein oder zwei
Jahre am Theater, bevor sie selbstständig als Bühnen- und
Kostümbildner arbeiten, sagt Prof. Ehnes. Viele arbeiten
freiberuflich. Familienfreundlich sei der Beruf aber nicht unbedingt.
Anders als die Techniker, die häufig geregelte Arbeitszeiten haben,
sind die Bühnen- und Kostümbildner während der sechs- bis
siebenwöchigen Probenzeit für ein Theaterstück meist wie die
Regisseure fast rund um die Uhr am Theater. Doch wer Leidenschaft für
das Theater sowie bildnerisches und künstlerisches Talent mitbringt,
könne auch sehr frei arbeiten.

Der Weg über das Bühnenbildstudium ist nicht der einzige in den
Beruf. Zum Beispiel hat der Bühnenbilder der Schaubühne, Jan
Pappelbaum, Architektur studiert. Auch Maler oder Videokünstler
arbeiten mitunter als Quereinsteiger.

Mit einem muss man sich als Bühnenbildner allerdings abfinden: Die
Kulissen sind nichts für die Ewigkeit. Wird das Stück nicht mehr
gespielt, wird auch das Bühnenbild aussortiert. Doch das sei nicht
schlimm, sagt Pappelbaum. «Am Theater ist man süchtig nach der
Anerkennung im Augenblick.»

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