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Selbstbewusste Niedersachsen-SPD: «Wir sind eben nicht so aufgeregt

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Nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen brodelt es in der SPD.
In Berlin bricht der Streit um Personalentscheidungen offen aus.
Derweil geben sich die Sozialdemokraten in Niedersachsen
selbstbewusst. Eine gewonnene Landtagswahl macht sie optimistisch.

Springe (dpa) – In aller Ruhe greift Niedersachsens Ministerpräsident
Stephan Weil zum Putenbrust-Wrap auf seinem Teller. «Wir sind hier
alle ganz gelassen», sagt der SPD-Politiker beim Abendessen im
Bildungs- und Tagungszentrum in Springe bei Hannover. Nur einen Tag
nach dem Durchbruch bei den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD
in Berlin sind die niedersächsischen Sozialdemokraten zu ihrer
Jahresauftaktklausur zusammengekommen. Die Stimmung in angeregt und
entspannt, es wird viel gelacht. Schulz-Unmut und Krise – kaum eine
Spur.

Zur gleichen Zeit brodelt es in Berlin: Der Streit über die
Personalentscheidungen in der SPD bricht offen aus. Der
geschäftsführende Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel, der
der neuen Regierung voraussichtlich nicht mehr angehören wird, wirft
der Parteiführung in einem Interview Wortbruch vor und beklagt sich
über respektlosen Umgang.

Gabriel stammt aus Goslar, er ist der wichtigste Vertreter der
niedersächsischen SPD in der noch amtierenden Regierung.
Möglicherweise droht ihm nun der Sturz in die politische
Bedeutungslosigkeit, da SPD-Chef Martin Schulz Außenminister werden
will. Stephan Weil allerdings glaubt, dass Gabriel noch einiges vor
hat. «Ich bin sicher, wir werden weiter von ihm hören. Das ist nicht
das Ende seiner politischen Arbeit und auch nicht seiner politischen
Karriere.»

Yasmin Fahimi, von Gabriel einst als SPD-Generalsekretärin geholt und
dann auch wieder abserviert, äußert sich da schon wesentlich kühler.
«Die Personalie Gabriel ist für sich zu klären, es gibt da
unterschiedliche Ansichten.» Entscheidend sei, dass sich die SPD in
den Koalitionsverhandlungen das Außen- und das Finanzministerium
gesichert habe. Damit könne man europapolitische Weichen stellen.

Das gleiche sagt der Parteilinke Matthias Miersch. Auch mit den
Inhalten des Koalitionsvertrags ist er zufrieden. «Viele Dinge, für
die ich Wahlkampf gemacht habe, finde ich da abgebildet.» Dem
Mitgliederentscheid zum Koalitionspapier sehe er deshalb ohne Angst
entgegen, sagt Miersch. «Die Mitgliedschaft denkt
verantwortungsbewusst und wird genau die Alternativen abwägen.»

«Wir sind eben nicht so aufgeregt», kommentiert die ehemalige
niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt die Stimmung
in dem Landesverband, der mit 60 000 Mitgliedern zu den drei größten
bundesweit zählt. In Niedersachsen hat die SPD Grund zu
Selbstbewusstsein: Im Oktober fuhren die Sozialdemokraten bei den
Landtagswahlen einen fulminanten Sieg ein – den einzigen für die SPD
im vergangenen Jahr. Seit ein paar Moanten führt Weil eine große
Koalition mit der CDU – bislang pragmatisch und geräuschlos.

Ein Kritikpunkt allerdings ist bei der Klausurtagung in Springe öfter
zu hören: In der neuen Regierung könnten gerne mehr Sozialdemokraten
aus Niedersachsen vertreten sein. Sowohl Weil als auch sein
Innenminister Boris Pistorius saßen mit im Verhandlungsteam für den
Koalitionsvertrag, wurden zeitweilig auch als mögliche
Bundesinnenminister gehandelt. Das hat sich nun offenbar zerschlagen.
Weil nimmt auch das gelassen: «Ich schlafe ohnehin lieber zuhause.»

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