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Nie wieder auf 180 sein – Konflikte im Job gelassen lösen

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Die anstrengendsten Tage bei der Arbeit? Das sind für viele jene mit
Konflikten. Keine To-do-Liste der Welt macht einen so fertig wie
Streit mit Kollegen. Der erste Fehler ist, gleich auf 180 zu sein.
Gelassen Konflikte zu lösen, setzt aber Selbstkenntnis voraus.

Münster/Düsseldorf (dpa/tmn) – Erst fangen die Backen an zu zittern.
Dann rutscht man auf dem Stuhl hin und her. Und schließlich fängt man
an, zu schimpfen: «Das kann doch nicht wahr sein!». Es ist passiert:
Man ist auf 180.

So oder so ähnlich spielen sich tausendfach Szenen am Arbeitsplatz
ab. Wo gearbeitet wird, gibt es immer auch Konflikte. Doch während es
manchen gelingt, sie konstruktiv und souverän zu lösen, regen sich
andere nur furchtbar auf. Letztere sind in der Sache im schlimmsten
Fall nach der emotionalen Achterbahnfahrt noch nicht einmal weiter.
Doch kann man lernen, Konflikte souverän auszutragen, ohne sich dabei
aufzuregen?

«Soziale Konflikte sind der größte Stressfaktor für Menschen
überhaupt», sagt Coach Günter Hudasch, der bei Konflikten im Büro
berät. Außerdem ist er Vorstand vom MBSR-MBCT-Verband, dem
Zusammenschluss der Achtsamkeitslehrer in Deutschland. Sich mit
Kollegen auseinanderzusetzen, stresst viele mehr als ein übervoller
Terminkalender.

Vermeiden lassen sich die Differenzen am Arbeitsplatz aber kaum. Es
geht dabei nicht nur um Sachfragen. Ganz unterschiedliche Typen,
Arbeitsweisen, Charaktere und Werte treffen aufeinander – und das oft
unter Stress und Zeitdruck. Kollidieren Interessen und Werte, ist der
Konflikt da. Aber man kann lernen, sie gelassen zu lösen – und das
bedeutet nicht, ihnen aus dem Weg zu gehen.

Regen sich Menschen am Arbeitsplatz selten auf, kennen sie sich
häufig sehr gut selbst, sagt Susanne Klein, Coach zum Thema. Jeder
Mensch hat bestimmte Werte, bei deren Verletzung er an die Decke
geht. Der eine regt sich sehr über Ungerechtigkeit auf, der nächste
über Unverbindlichkeit, wieder andere stört Unpünktlichkeit oder
Respektlosigkeit. Zu erkennen, was einen stört, ist der erste
Schritt, um den Konflikt souverän zu lösen, erklärt Klein. Denn dann
kann man aus einer Situation aussteigen – und reagiert nicht
impulsiv, wenn jemand bestimmte Knöpfe drückt.

Ein Beispiel: Kollege X braucht von Kollege Y jede Woche bis Mittwoch
bestimmte Unterlagen, damit er seine Arbeit machen kann. Kollege Y
schickt die Unterlagen in vielen Fällen jedoch zu spät – statt am
Mittwochabend am Donnerstagmittag. Kollege X regt sich darüber maßlos
auf und vor allem ärgert ihn die Respektlosigkeit von Y. «Der muss
doch kapieren, dass er die Unterlagen pünktlich abgeben muss», denkt
er jede Woche aufs Neue. Viele verharren in dieser Situation.

Sie reagieren reaktiv, erklärt Hudasch. Die Unterlagen fehlen am
Mittwochabend, und schon ist der Groll da. «Das ist ein völlig
unbewusstes, direktes Reagieren auf Verletzungen von anderen», sagt
Hudasch. Wer gut im Konfliktelösen ist, steigt hier aus, analysiert
die Situation, und gibt Kollege Y dann eine neue Deadline. Das kann
zum Beispiel sein, dass Y die Unterlagen immer schon am Dienstagabend
schicken soll. Sendet er sie dann zu spät, ist es erst Mittwoch, und
Kollege X bei zu später Lieferung immer noch im Zeitplan.

Sind Menschen besonders souverän im Umgang mit Konflikten bei der
Arbeit, haben sie außerdem häufig ein gutes Selbstbewusstsein. Sie
ziehen sich bestimmte Schuhe erst gar nicht an, sagt Mareike große
Darrelmann, Business Coach aus Düsseldorf. Eine Aussage von anderen
interpretieren Berufstätige ganz unterschiedlich. Ein Beispiel:
Kollegin X sagt zu Kollegin Y: «Das Papier im Drucker ist ja schon
wieder alle.» Fühlt sich Kollegin Y wenig respektiert und anerkannt,
antwortet sie vielleicht patzig: «Ich bin doch hier nicht das Mädchen
für alles.» Wer in seiner Rolle sehr sicher ist, und weiß, was seine
Aufgaben sind, würde antworten. «Oh ja stimmt, das Papier ist dort
hinten.»

Wer sehr souverän Konflikte löst, ist außerdem häufig sehr gut darin,
sich selbst und sein Verhalten zu reflektieren. Er stellt sich
überhaupt erst einmal die Frage: Warum gerate ich am Arbeitsplatz
immer wieder in die Situation, dass ich mich aufrege? Welche
Situationen machen Ärger und wie kann ich die angehen? Und er ist gut
darin, Situationen, die er selbst nicht ändern kann, zu akzeptieren.

Regen Menschen sich im Büro selten auf, gelingt es ihnen außerdem,
die Kollegen für ihre Art und Weise zu achten, sagt Coach große
Darrelmann. Sie wissen, wo die roten Linien ihrer Kollegen sind und
übertreten diese nicht. Ist es jemandem zum Beispiel sehr wichtig,
pünktlich Schluss zu machen, damit er Zeit mit der Familie verbringen
kann, achtet man als Kollege darauf und kommt nicht mit einem
wichtigen Anliegen fünf Minuten vor Dienstschluss. Hat jemand ein
Bedürfnis nach Harmonie am Arbeitsplatz, führt man wütende
Wortgefechte lieber mit Personen, die das besser wegstecken können.
Wer im Team immer wieder mit anderen aneinandergerät, sollte einmal
abends für sich versuchen herauszufinden, was die roten Linien der
anderen sind.

Und er sollte sich fragen, ob er selbst weiß, wo seine roten Linien
sind. Denn geht es wieder los, und man regt sich auf, kann man dem
anderen auch leichter kommunizieren, was einen überhaupt stört.

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