Einen Ring, den schon die Mutter und die Großmutter getragen haben:
Viele besitzen so etwas. Goldschmiede fertigen diese Erinnerung aus
Metall und Edelsteinen. Wer den Job ergreifen will, braucht Geduld –
und vor allem viel Zeit.
Herne/Dortmund (dpa/tmn) – Scheu vor dem Umgang mit edlen Materialien
wie Gold oder Edelsteinen hat Marie Pichol nicht. Respekt aber schon:
«Bei der Arbeit kann unglaublich viel schiefgehen», sagt die
19-Jährige. Sie ist im ersten Jahr als Auszubildende beim
Goldschmiedemeisterbetrieb Sebastian Dülfer in Herne. Wer zu viel an
einem Metallstück sägt oder feilt, läuft Gefahr, alles neu machen zu
müssen.
Pichol stellt aus Silber oder Gold Ringe, Ketten oder Krawattennadeln
her. «Massenware ist das nicht», sagt sie. Jedes Teil wird
individuell angefertigt – nach Besteller-Wünschen oder eigenen Ideen.
So klein und zartgliedrig die Teile mitunter sind – im
Schnellverfahren lassen sie sich nicht anfertigen. «Nötig sind Zeit
und Geduld», erzählt Pichol.
Als Auszubildende fertigt Pichol zunächst Übungsstücke an – zuletzt
einen Herrenring. «Am Anfang war es nur ein Stück Blech.» Es musste
gewalzt, gefeilt und gebogen werden: «Bei der Arbeit muss man sehr
genau sein, nichts darf verrutschen.» Manchmal geht es dabei nur um
einen halben Millimeter.
Fingerfertigkeit und handwerkliches Geschick sollten Bewerber für
einen Ausbildungsplatz mitbringen. Von Auszubildenden wird zumindest
ein Hauptschulabschluss erwartet. «Bevorzugt werden jedoch Kandidaten
mit Fachoberschulreife oder Abitur», sagt Ingrid Nordmann vom
Landesinnungsverband der Gold- und Silberschmiede sowie Juweliere
Nordrhein-Westfalen in Dortmund. Bewerber müssen außerdem fit in
Mathematik sein. Denn Zahlen gehören zum Alltag – etwa bei der
Berechnung des Materials. Von Vorteil sind außerdem gute Kenntnisse
in Chemie und Physik. So können Azubis besser nachvollziehen, wie
Edelmetalle, aber auch Perlen auf Hitze oder Druck reagieren.
Ein Muss sind daneben gute Fähigkeiten im Zeichnen. Denn bevor
Goldschmiede ein Schmuckstück anfertigen, entwerfen sie es auf
Papier. «Zum Teil wird auch Computerwissen verlangt, da einige
Betriebe mit PC-gestützten Zeichenprogrammen arbeiten», erläutert
Brigitte Seyfried vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in
Bonn. Wer all die Voraussetzungen mitbringt, bekommt aber längst
nicht immer einen Ausbildungsplatz.
Goldschmiede-Betriebe bieten tendenziell immer weniger neue
Ausbildungsplätze an, sagt Seyfried. «Die Zahl der Neuabschlüsse von
Ausbildungsverträgen lag bundesweit zum 30. September 2015 bei 213
gegenüber 240 im Vorjahr und 282 im Jahr 2011.». Wer einen Platz
bekommen hat, durchläuft eine dreieinhalbjährige Ausbildung.
Jugendliche lernen im Handwerksbetrieb oder in der Industrie sowie in
der Berufsschule. Daneben gibt es eine rein schulische Ausbildung. In
den ersten beiden Jahren beschäftigen sich Azubis etwa damit, wie
Edelmetalle zugeschnitten werden.
In der Werkstatt üben die angehenden Fachkräfte das Glühen. Dabei
wird das Metall stark erhitzt – entweder im Ofen oder mit der Flamme.
Dadurch verändert sich die Dehnbarkeit des Materials. Jetzt können
Goldschmiede es etwa walzen oder hämmern, bis es die gewünschte Form
erreicht hat. Anschließend wird die Fläche verziert – etwa durch
Emaillieren, Mattieren, Punzieren oder Ziselieren.
Die Ausbildung ist vielseitig: Gelernt wird, wie man Schmuck mit
Edelsteinen wie etwa Diamanten oder Smaragden besetzt. Auf der
Tagesordnung steht auch, wie man Schmuckglieder aus Edelmetallen zu
Ketten oder Armbändern zusammenfügt. Auch das Schmieden, Reparieren
oder Umarbeiten von Schmuckstücken ist Inhalt der Ausbildung. In
einem Goldschmiede-Betrieb kommt neben der rein handwerklichen
Tätigkeit auch die Kundenberatung dazu.
Genau diese Mischung reizt Marie Pichol. Um ihrem Traumberuf
nachgehen zu können, nimmt sie in Kauf, dass die Bezahlung eher
unattraktiv ist. Laut BIBB schwankt sie zwischen 220 bis 850 Euro im
ersten, 250 bis 900 Euro im zweiten, 300 bis 980 Euro im dritten
sowie 320 bis 1060 Euro im vierten Ausbildungsjahr. Die genaue Höhe
hängt davon ab, ob die Ausbildung in der Industrie oder im Handwerk
erfolgt. Im Handwerk kommt es auch auf die Betriebsgröße sowie die
Region an.
Nach der Ausbildung arbeiten Goldschmiede in der Industrie, im
Betrieb, in Galerien, als Restaurator oder Gutachter. Das
Einstiegsgehalt beträgt nach BIBB-Angaben zwischen 1500 und 1600
Euro. Es kann auch niedriger sein. Wer weiterkommen will, kann den
Meister machen oder ein Gestalter- oder Designer-Studium anschließen.
Pichol freut sich schon auf ihre Zukunft. Vielleicht wird sie
studieren. Wahrscheinlich geht sie nach Afrika. «In Namibia werden
Goldschmiede gesucht», weiß sie. Dort möchte sie arbeiten und
eventuell einen eigenen Laden eröffnen: «Fernweh hatte ich eigentlich
schon immer.»