Die Chancen einer neuen milliardenschweren «Exzellenzstrategie» für
die Forscher-Elite stehen nicht gut. Denn Hamburg will dem geplanten
Regelwerk nicht zustimmen. In Berlin ist die Unruhe inzwischen groß.
Am Donnerstag könnte der Sekt schal werden.
Hamburg/Berlin (dpa) – Eigentlich schien es nur eine Formalie zu
sein: Die Ministerpräsidenten der 16 Länder und Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) unterschreiben die Neuauflage der Exzellenzinitiative
für Spitzenforschung, loben nochmal kurz ihre Wissenschaftsminister
für die schöne, den auserwählten Hochschulen jährlich 533 Millionen
Euro einbringende Vereinbarung – um sich dann im Kanzleramt den
«wichtigen» Themen zu widmen. Schließlich haben die Regierungschefs
an diesem Donnerstag eine Reihe kritischer Punkte zu besprechen, etwa
die Bund-Länder-Finanzen oder die Integrationskosten für Flüchtlinge.
Aus den Feierlichkeiten rund um die Elite-Förderung an den
Hochschulen wird aber nun womöglich nichts. Selbst der
Feuerwehreinsatz vieler Staatsräte und Staatssekretäre, Senats- und
Staatskanzleien, Landesvertretungen, ja selbst anderer
Ressortminister hat bislang nichts genützt: In der vorliegenden Form
will Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) das Bund-Länder-Papier
nicht unterschreiben – womit die Vereinbarung der Minister hinfällig
wäre. Denn bei derartigen Abkommen ist Einstimmigkeit Pflicht.
Dabei drängt die Zeit. Die 2006 gestartete, bislang rund 4,6
Milliarden Euro teure Exzellenzinitiative läuft Ende 2017 aus. Noch
in diesem Sommer sollen deshalb für das nun als «Exzellenzstrategie»
bezeichnete Nachfolgeprogramm die Ausschreibungen für bis zu 50
Forschungsprojekte als Exzellenzcluster beginnen. Im Juli 2019 sollen
dann auch die acht bis elf neuen Elite-Universitäten feststehen.
Grundsätzlich hat Hamburg auch nichts dagegen. «Wir stehen zur
Exzellenzinitiative», sagt Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank
(Grüne) bei nahezu jeder sich bietenden Gelegenheit. Und doch bleibt
sie in einem Punkt unnachgiebig – nämlich bei der Frage, wie
sichergestellt werden kann, dass jede Hochschule in Deutschland die
gleiche Chance hat, Elite-Uni zu werden.
Genau das scheint den Hamburgern nach den bisher vorgesehenen
Regularien zumindest zweifelhaft. Denn demnach – davon ist Fegebank
überzeugt – ist es künftig für eine aufstrebende Hochschule faktisch
unmöglich, den Titel Eexzellenz-Universität neu zu erwerben, da die
Platzhirsche ihre Leistungen nicht wirklich überprüfen lassen müssen.
Disqualifizieren könne sich eine Universität nur, wenn sie keine zwei
Exzellenzcluster mehr vorzuweisen habe. Fegebank: «Das heißt also:
Nur wer trotz intensiver Förderung nach sieben Jahren schlechter ist
als heute, verliert den Status.»
Schon im April hatte sich die Senatorin aus dem hohen Norden in der
Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) beim Beschluss zur
Bund-Länder-Vereinbarung der Stimme enthalten und in einer
Protokollnotiz ihre Bedenken festhalten lassen. Zudem machte Hamburg
einen Vorschlag, wie der umstrittene Evaluationsparagraf ergänzt
werden könnte – indem «die bereits in der Förderung befindlichen
Exzellenzuniversitäten im Wettbewerb mit möglichen Neuanträgen
regelmäßig nach sieben Jahren evaluiert werden».
Eine Selbstverständlichkeit? Nicht für das Forschungsministerium von
Johanna Wanka (CDU), der mit einem «Exzellenzstrategie»-Flop eine der
bittersten Niederlagen ihrer gut dreijährigen Amtszeit droht. Bisher
hatte die Bundesministerin freundlich-jovial und durchaus
selbstbewusst meist Schönes zu verkünden: die Fortsetzung des
Hochschulpakts, mehr Bundes-Kompetenzen in der Forschungspolitik, die
komplette Bafög-Kostenübernahme, zahlreiche teure Förderprogramme –
und überhaupt eine Aufwertung der Bildungspolitik in Deutschland.
Die ursprüngliche Berliner Idee, nur ganz wenige Elite-Unis als
«Leuchttürme» zu fördern (dafür aber dauerhaft), kam vor allem bei
jenen Ländern nicht gut an, die schon eine der bisher elf deutschen
Top-Hochschulen haben. Sie fürchteten einen möglichen Abstieg in die
zweite Forscher-Liga. Im Wanka-Ministerium wird die Hamburger
Position nun wohl auch deswegen als so nervig empfunden, weil bald
auch andere Länder trotz des Pakts der Ressortchefs noch
Sonderwünsche äußern könnten.
Stellt sich die Frage, warum Scholz und Fegebank dennoch so penetrant
auf Erfüllung einer – wie Kritiker meinen – Lappalie bestehen? Bei
der grünen Wissenschaftssenatorin mutmaßen Gegner, dass sie allein
die Chancen der bislang erfolglosen Universität Hamburg auf den
begehrten Elite-Titel mehren will. Doch was treibt den Bürgermeister
um, der sich in Hamburg bislang nicht übermäßig für die Wissenschaft
eingesetzt hatte? Wieso hat er – wie zu hören ist – im Senat sogar
auf seinen Amtseid verwiesen, der ihm eine derart weitreichende
Unterschrift unter das Exzellenz-Paket geradezu verbiete?
Es genügt ein Blick auf das Parteibuch: Scholz ist durch und durch
Sozialdemokrat (sogar stellvertretender Bundesparteichef). Und so
geht es ihm womöglich schlicht um eine Frage der Gerechtigkeit – ein
ursozialdemokratisches Thema.