Bis Montag in einer Woche will die Kanzlerin ihrer Partei die neue
Ministerliste präsentieren. Viele Unzufriedene verlangen nach dem
Dreiklang «jünger, weiblicher, konservativer». Ob Merkel liefert?
Berlin (dpa) – Der Ruf Angela Merkels als begnadete Taktikerin der
Macht hat in den vergangenen fast fünf Monaten seit der
Bundestagswahl schwer gelitten. Bisher ist es der CDU-Vorsitzenden
immer noch nicht gelungen, eine stabile Regierung zustande zu
bringen: Erst am 4. März wollen die Sozialdemokraten bekanntgeben, ob
eine Mehrheit beim Mitgliederentscheid für den Koalitionsvertrag mit
der Union gestimmt hat – und damit für eine neue große Koalition.
Merkel in der Hand der Sozialdemokraten: Das passt vielen in der
Union nicht.
Doch bis dahin muss die CDU-Chefin erstmal parteiintern beweisen,
dass sie ihre taktischen Fähigkeiten nicht verlernt hat. Schon am 26.
Februar muss sie sich auf einem CDU-Parteitag 1001 Delegierten
stellen. Dann geht es nicht nur um die Annahme des Koalitionsvertrags
mit der SPD. Die gilt in einer so machtgewohnten Partei wie den
Christdemokraten als so gut wie sicher. Viel spannender wird sein,
wie die Delegierten auf Merkel selbst reagieren.
Bei Funktionären und an der CDU-Basis rumort es vernehmlich. Etliche
können kaum verwinden, dass die Kanzlerin den Sozialdemokraten ein so
wichtiges Ressort wie das Finanzministerium überlassen musste, weil
sonst wohl der Koalitionsvertrag und damit fast sicher auch ihre
Kanzlerschaft geplatzt wäre. Und das einer Partei wie der SPD, die in
den Umfragen gerade mal halb so stark ist wie die Union und teils nur
noch einen Punkt vor den Rechtspopulisten von der AfD liegt.
Der Ruf nach Verjüngung und personeller Erneuerung in Regierung und
Partei ist sowieso nur vorübergehend etwas leiser geworden, weil die
meisten in der CDU der Kanzlerin in den komplizierten Verhandlungen
mit der SPD nicht zusätzlich Knüppel zwischen die Beine werfen
wollten. Doch solche Forderungen dürften leicht wieder lauter und für
die ohnehin angeschlagene Kanzlerin sehr unangenehm werden.
Merkel muss also liefern, wenn sie sich intern Luft verschaffen will.
Eine erste Gelegenheit bietet ihr nun der unerwartete Rückzug ihres
umstrittenen Generalsekretärs Peter Tauber. An diesem Montag will er
den CDU-Spitzengremien seine Entscheidung mitteilen, nicht länger als
Parteimanager im Amt bleiben zu wollen. Seit Dezember 2013 war der
43-Jährige einer von Merkels wichtigsten Leuten, formell ist er bis
Dezember gewählt.
Für Merkel bedeutet Taubers Entscheidung auch die Chance, zu zeigen,
dass sie nicht nur in der Regierung, sondern auch in der Partei
frische Köpfe platzieren kann. Schon an diesem Montag will sie
deswegen in den CDU-Spitzengremien ihren Kandidaten für die
Tauber-Nachfolge benennen. Dass sie dann zugleich schon die Namen für
die sechs Ministerposten der CDU präsentieren wird, gilt mittlerweile
als nahezu ausgeschlossen. Zu lange hätten ihre Gegner Zeit, diese
Namensliste genüsslich zu zerreden.
Außerdem hat Merkel ja nur versprochen, die Namen bis zum Parteitag
am 26. Februar zu präsentieren. Da trifft es sich gut, dass sich die
Gremien am Sonntag davor – dem 25. Februar – zu vorbereitenden
Sitzungen treffen und am Abend auch noch ein Gutteil der 1001
Delegierten des Parteitags im Adenauerhaus zusammenkommen wird. Sehr
wahrscheinlich, dass die CDU-Chefin die Ministerliste an besagtem
Sonntag öffentlich macht – und so versucht, ihre größten Kritiker vor
dem Parteitag weitgehend ruhig zu stellen.
Dabei kursieren seit mehr als einer Woche die Namen der wichtigsten
Kandidaten, die für die CDU neu an Merkels Kabinettstisch Platz
nehmen könnten. Als gesetzt gelten Schwergewichte wie der
Merkel-Vertraute und geschäftsführende Finanzminister Peter Altmaier
sowie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Anzunehmen ist,
dass die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner demnächst
nach Berlin ziehen muss – sie wird als Landwirtschaftsministerin
gehandelt und kann in diesem Bereich große Fachkompetenz vorweisen.
Ebenfalls gute Chancen auf einen Ministerposten kann sich Annette
Widmann-Mauz ausrechnen, die seit 2009 parlamentarische
Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit ist. Ihr wird vor
allem zugetraut, ihren jetzigen Chef Hermann Gröhe abzulösen.
Dann dürfte allerdings spannend werden, welchen Posten Merkel für
ihren früheren Generalsekretär Gröhe vorsieht – bei dem viele davon
ausgehen, dass die Kanzlerin ihn auch künftig gerne auf einem
wichtigen Posten sähe. Er war auch schon als Nachfolger von
Kanzleramtschef Altmaier im Gespräch – kann einem solchen Wechsel
aber selbst nicht wirklich viel abgewinnen.
Zumal auch bekannt ist, dass Merkel den bisherigen Staatsminister bei
der Bundeskanzlerin, Helge Braun, überaus schätzt – und dieser als
Altmaier-Nachfolger als Kanzleramtschef auch sein bisheriges
Steckenpferd, die Digitalisierung, dann weiter hervorragend zentral
im Kanzleramt koordinieren könnte.
Ganz besonders spannend ist die Frage, was Merkel mit einem ihrer
profiliertesten Kritiker vor hat: dem bisherigen Parlamentarischen
Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jens Spahn. Dass die
Vorsitzende an Spahn als Minister vorbeikommt, wird in Berlin kaum
mehr erwartet. Zumal sie mit einem solchen Schachzug gleich wohl auch
andere junge Kritiker wie den JU-Chef Paul Ziemiak oder den
Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann ruhig stellen dürfte.
Als ministrabel gilt der sich gerne als besonders konservativ gebende
37-jährige Spahn in der CDU allemal. Vielen gilt er in seiner Partei
als Hoffnungsträger – und er ist ein versierter Gesundheitspolitiker.
Nachdem aber schon zwei andere wichtige Namen mit dem Ressort
Gesundheit verbunden werden – Gröhe und Widmann-Mauz – scheint nicht
unwahrscheinlich, dass sich Spahn auf eine andere Aufgabe einstellen
muss – die als Bildungsminister.
Jedenfalls wurde im politischen Berlin schon genau registriert, dass
sich das CDU-Präsidiumsmitglied Spahn vergangene Woche in der «Neuen
Berliner Redaktionsgesellschaft» (Märkische Oderzeitung und Südwest
Presse, Dienstag) auffällig unauffällig in diese Richtung profiliert
hat. In dem Interview plädierte er für die Vermittlung von Anstand
und Tugenden als Teil einer Leitkultur an Deutschlands Schulen.
Mindestens genau so wichtig wie Fakten über Geschichte und
Gesellschaft sei die Frage, «ob wir jungen Menschen vermitteln, wie
wir zusammenleben wollen», sagte Spahn. Wenn das nicht ein wichtiges
Signal in Richtung Merkel war.