Tierwirte hüten Kühe, Schweine, Hühner, Schafe oder Bienen. Kein Ei
und kein Honigglas kommen ohne ihre Hilfe auf den Tisch. Für die
Gesellschaft übernehmen sie eine wichtige Aufgabe. Moderne Technik
hilft ihnen dabei.
Groß Kreutz (dpa/tmn) – Kein Arbeitstag vergeht für Lukas Schmidt
ohne frische Luft und die Arbeit mit einer Herde Kühe. Der 20-Jährige
hat seit seiner Kindheit einen Bezug zu Tieren. «Meine Eltern halten
Kühe und Pferde», erklärt er. Einen Schreibtischjob konnte er sich
nie vorstellen. In seiner Freizeit reitet er leidenschaftlich gerne
Dressur. Da ihn Kühe interessieren, ist er nun angehender Tierwirt in
der Fachrichtung Rinderhaltung.
Mit Schemel und Milchkanne ist heute kaum ein Tierwirt anzutreffen.
Gemolken wird in vielen Betrieben halbautomatisch an Melkständen. In
anderen Ställen muss gar nicht mehr selbst Hand angelegt werden.
Schmidt arbeitet bei der RBB Rinderproduktion Berlin-Brandenburg.
Seine Ausbildung findet in Kooperation mit der Lehr- und
Versuchsanstalt für Tierzucht und Tierhaltung in Groß Kreutz im
Westen von Brandenburg statt. Hier übernehmen vollautomatische
Roboter das Melken. Ein Transponder, eine Art Funkgerät, an der Kuh
speichert die Einstellungen, damit der Roboter passgenau am Euter
sitzt. Die Maschinen werden von Tierwirten überwacht und gewartet.
Andere Aufgaben sind weniger digitalisiert: «Auch das Ausmisten der
Liegeboxen gehört zum festen Alltag im Kuhstall», sagt Schmidt.
Die RBB Rinderproduktion Berlin-Brandenburg beschäftigt sich auch mit
der Zucht. Auch deshalb hat Schmidt sich für die Ausbildung in Groß
Kreutz entschieden. Dafür kommt der 20-Jährige jede Woche aus seiner
Heimat im 50 Kilometer entfernten Karow (Sachsen-Anhalt).
Tierwirte arbeiten überall dort, wo Nutztiere gehalten werden. Schon
vor der Ausbildung muss man sich für eine der fünf Fachrichtungen –
Schäferei, Imkerei, Rinder-, Schweine- oder Geflügelhaltung –
entscheiden. 1976 wurden die Fachrichtungen zu dem Beruf des
Tierwirts zusammengefasst. Die Ausbildung dauert drei Jahre, kann
aber mit Abitur auf eineinhalb Jahre reduziert werden.
Während der Ausbildung lernen Jugendliche, wie sie die jeweilige
Tierart artgerecht halten. Dazu zählen etwa die Fütterung und
Unterbringung, aber auch die Tierhygiene und Züchtung. Es geht aber
auch um die rechtlichen Rahmenbedingungen des Tierschutzes. «Während
der Ausbildung lernt man, wie man Tiere in Notsituationen tötet, um
Schmerzen zu verhindern», sagt Martin Lambers. Er ist Referent für
Berufsbildung und Bildungspolitik beim Deutschen Bauernverband. Eine
Notsituation entsteht etwa bei starken Verletzungen oder unheilbaren
Krankheiten.
Die Digitalisierung macht auch vor dem Kuh- oder Schweinestall nicht
Halt: «Der Beruf wird immer weiter technisiert», erklärt Markus
Bretschneider vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Mit
moderner Technik werden etwa Bewegungsprofile von Kühen auf der Weide
erstellt, es werden Liegezeiten und die Häufigkeit des Wiederkäuens
erfasst. Abweichungen von der Norm können auf Probleme hinweisen.
«Durch die Datenerfassung und -verarbeitung sollen Krankheiten früh
erkannt werden», erklärt Bretschneider.
Wer diesen Beruf ergreifen will, sollte verantwortungsbewusst sein,
sagt Lambers. Die Tiere werden rund um die Uhr beobachtet und
versorgt. Geburten richten sich nicht nach festen Arbeitszeiten. Der
Beruf erfordert deshalb ein hohes Maß an Flexibilität. Besondere
formale Voraussetzungen für den Beruf gibt es laut Lambers nicht.
Jedoch sollten Auszubildende nicht unter Allergien leiden. «Es ist
körperlich harte Arbeit, die man verrichtet», ergänzt Schmidt. Man
müsse damit leben, dass man sich immer mal wieder Muskelkater oder
kleine Blessuren, wie blaue Flecken, zuziehen kann. Auch die Arbeit
im Freien müsse man mögen.
Die Ausbildungsvergütung liegt laut dem Deutschen Bauernverband im
ersten Ausbildungsjahr je nach Ort, Fachrichtung und Größe des
Betriebs zwischen 550 und 700 Euro. Ab dem dritten Jahr sind es
zwischen 650 und 800 Euro. «Das Gehalt nach der Lehre liegt meistens
bei knapp unter 2000 bis 2500 Euro», sagt Lambers. Es kann im
Einzelfall auch deutlich weniger sein. Die Branche leide unter der
sinkenden Zahl von Schulabgängern. Nach der Ausbildung haben
Tierwirte gute Aussichten: Viele Absolventen werden übernommen, sagt
Bretschneider. Die meisten Ausbildungsverhältnisse gebe es in
Sachsen, Thüringen und Brandenburg. 2015 gab es laut dem BIBB 930
Auszubildende.
«Ich will die Zeit hier im Betrieb nicht missen», sagt Lukas Schmidt
über seine Ausbildung. Der 20-Jährige will noch Veterinärmedizin
studieren. Die Ausbildung vermittle dafür sehr gute Grundlagen. Die
Lehre hat ihm aber auch persönlich viel gebracht: «Ich habe eine
Menge Lebenserfahrung gesammelt. Es ist auch schön, wenn man sein
erstes eigenes Geld verdient».