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Einmischen und vernetzen: Engagement in politischen Hochschulgruppen

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Wer etwas verändern will, muss sich engagieren. Dazu haben gerade
Studierende viele Möglichkeiten. Politische Hochschulgruppen sind
eine davon. Hier können sie bei wichtigen Entscheidungen mitmischen
und ihre Werte vertreten – ohne gleich Parteimitglied zu werden.

Berlin/Jena (dpa/tmn) – Wenn man Friedrich-Maximilian Weberling auf
die Jusos anspricht, verdunkelt sich sein Gesicht. «Ich kenne nicht
so viele Jusos», sagt er dann. Der 22-jährige Student engagiert sich
an der Technischen Universität Berlin im konservativen Ring
Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS). Die Jungsozialisten –
kurz Jusos – sind da inhaltlich ein ganzes Stückchen entfernt. Der
junge Mann mit den feuerroten Haaren beschreibt sich selbst als
wertkonservativ. «Ich bin wirtschaftsliberal, das Leistungsprinzip
ist mir wichtig», fügt er hinzu. Diese Überzeugungen sieht er am
ehesten bei den Christdemokraten vertreten.

Der RCDS ist ein Studierendenverbund, welcher der CDU nahesteht.
Neben dem RCDS gibt es noch andere politische Hochschulgruppen, die
Parteien nahestehen. Die Juso-Hochschulgruppen zum Beispiel gehören
zur SPD, die Linke.SDS lässt sich bei den Linken verorten, Campusgrün
erwartbar bei den Grünen. Die Studierendenverbände vertreten die
Interessen ihrer Kommilitonen im Studierendenparlament oder im
Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta). Neben den Gruppen der
großen Parteien gibt es an den meisten Universitäten zusätzlich
unabhängige Gruppen oder Fachschaften.

Weberling studiert Maschinenbau, fünftes Semester. An diesem grauen
Dienstag hat er sich etwas Zeit für ein Treffen freigeschaufelt.
Klausuren stehen an. Er scheint jedes Gebäude der Uni zu kennen –
dort sei die Mathematik, da drüben die Physik. Höhepunkt ist der
Lichthof mit einem modernen Glasdach – restaurierte Geschichte nach
der Zerstörung im Krieg.

Die Geschichte des RCDS an der TU Berlin ist ebenfalls wechselhaft.
Die Hochzeit sei Mitte der 2000er gewesen. Da stellte der RCDS den
Asta und ließ die Asta-Druckerei schließen, erzählt er nicht ganz
ohne Stolz: «Da haben Linke ihre Flugblätter gedruckt.» Das Ganze
sorgte ganz schön für Wirbel. Dann wurde es ruhig um den RCDS,
Weberling versucht nun, die Gruppe wieder aufzubauen.

Aber warum neben dem intensiven Studium Zeit in Hochschulpolitik
stecken? Weberling erzählt, dass seine Familie sehr politisch sei.
Auch die Eltern waren während der Studienjahre im RCDS. Weberling
betrieb Rudern als Leistungssport – eine Verletzung setzte dem vor
zwei Jahren ein jähes Ende. Es war Zeit für etwas Neues.

Und: die Digitalisierung. «Ich habe Angst, dass wir da in Deutschland
was verpassen», sagt er. Mit seinem Engagement will er das ändern und
macht sich dafür stark, dass man Hausaufgaben auch online abgeben
kann oder dass die Anmeldung für alle Klausuren auch über das
Internet möglich ist.

Derartige Erfolge seien für Studierende wichtig, erklärt Eckhard
Priller. Er ist Co-Direktor am Maecenata Institut für Philanthropie
und Zivilgesellschaft in Berlin. «Natürlich spielen auch
übergeordnete politische Fragen eine Rolle.» Für Studierende, die
sich engagieren, sei es aber entscheidend, dass ihr Einsatz nicht im
Sande verläuft.

Konkret heißt das für Studierende, an der Hochschule Projekte
umzusetzen und Ergebnisse zu sehen: «Die Effizienz, die ihnen im
Bildungssystem beigebracht wird, trifft auch auf das Engagement zu.»
Die Bindung zu den übergeordneten Partei sei zweitrangig. Auch
Politik als Beruf steht nicht im Vordergrund. Selbst später Politiker
werden? «Das spielt für viele kaum eine Rolle», sagt Priller.
Wichtiger sei es, sich vor Ort einzumischen und sich mit Kommilitonen
zu vernetzen.

Das bestätigt auch Emily Feigel. Die 20-jährige Jurastudentin
engagiert sich an der Universität Jena bei den Jusos. «Ich kenne bei
den Juso-Hochschulgruppen niemanden, der dabei ist, um später in die
Politik zu gehen», sagt sie. Etwa einmal im Monat ist sie in Berlin,
denn sie ist auch im Bundesverband der Juso-Hochschulgruppen aktiv.
Fragt man sie, warum sie sich engagiert, sprudelt es nur so aus ihr
heraus: «Uns ist es wichtig, dass wir inklusiv und feministisch sind,
dass wir uns für studentische Beschäftigte an der Uni einsetzen und
gegen diskriminierendes und rassistisches Gedankengut kämpfen.»

Anders als Weberling ist Feigel auch Parteimitglied, wie sie beim
Kaffee in einem Laden einige Meter entfernt vom Willy-Brandt-Haus,
der SPD-Parteizentrale, erzählt. Angst, dass ihr politisches
Engagement einen potenziellen Arbeitgeber abschrecken könnte, hat sie
nicht – und sie würde es im Lebenslauf auch nicht verstecken. Das
haben sie und Weberling gemeinsam. «Im Gespräch würde sich das doch
sowieso bemerkbar machen», sagt sie.

Dass ihr Einsatz allerdings viel Zeit frisst, gibt sie zu. «Wir
treffen uns regelmäßig, organisieren Vorträge, diskutieren, bringen
uns ein.» Das sei nicht immer ganz leicht mit dem Studium zu
vereinbaren, aber machbar. Schade findet Feigel es, dass sich so
wenige ihrer Kommilitonen im Studiengang engagieren: «Ich habe das
Gefühl, dass ein Großteil gar nicht politisch engagiert ist.» Sie
geht auch davon aus, dass die Verschulung des Studiums – sprich der
Bologna-Prozess – sein Übriges dazu beigetragen hat, dass unter den
Studierenden kaum noch Zeit dafür ist.

Dabei kann so ein Einsatz auch bei der Jobsuche von Vorteil sein.
«Das ist ein Sprungbrett», sagt Ulrich Lanzer, Personal- und
Organisationsentwickler aus Wien, der sich auch mit dem Thema
Karriere in der Politik befasst. Der Experte sieht berufliche Chancen
auch abseits des Politikbetriebs – etwa in der Wirtschaft: «Man lernt
durch so ein Engagement, Leute zu mobilisieren, Themen zu
kampagnisieren und mit anderen Gruppen zu verhandeln.» Auch
Öffentlichkeitsarbeit, die Verantwortung für Budgets, der Umgang mit
Macht und Vernetzung seien Bestandteile des Einsatzes – und später im
Job wichtige Fähigkeiten.

Vernetzt sind auch die Jusos in Jena untereinander. «Wir sind
eigentlich alle miteinander befreundet», sagt die 20-Jährige. Das sei
auch nicht verwunderlich, da man so viel Zeit miteinander verbringe.
Die Gemeinschaft sei wichtig. Wenn man Emily Feigel fragt, warum sie
nicht dem RCDS oder einer anderen politischen Hochschulgruppe als den
Jusos beigetreten ist, muss sie schmunzeln – als wäre die Frage ein
bisschen absurd. «Die Jusos sind der Inbegriff dessen, was ich
politisch verkörpere.»

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