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Die Kunst des Klatschens: Warum Tratsch im Job so verbreitet ist

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Klatsch ist im Job nicht wegzudenken. Vielen gilt er als schlechter
Stil. Doch ein Stück weit gehört er dazu, um erfolgreich zu sein. Das
sagen zumindest Experten. Doch wann wird es zuviel? Und wie setzt man
sich zur Wehr?

Lüneburg/Frankfurt/Main (dpa/tmn) – Dem einen ist der Klatsch das
Salz in der faden Kantinen-Suppe, dem anderen vergeht dabei der
Appetit: Tratsch ist aus der Arbeitswelt kaum wegzudenken. «Hast Du
schon gehört?» – so geht es meistens los. «Kollegin S ist schwanger –
die streicht sich im Meeting ständig über den Bauch.» «Kollege N hat
ein Verhältnis mit Kollegin C aus der Nachbarabteilung.» – «Und sag‘
es keinem weiter, aber: Kollege Y hat einen ganz schwierigen Sohn.
Der steht jetzt vor Gericht wegen Vandalismus.»

Keine Frage: Klatsch macht aus den langweiligsten Mitarbeitern
schillernde Figuren einer Seifenoper. Doch ist Klatsch immer
schlecht? Wie wehrt man sich gegen Klatsch über die eigene Person?
Und wie erfährt man überhaupt davon?

Klatsch zu definieren, ist gar nicht so leicht: Wo endet er – und wo
fängt das Gerücht oder sogar Mobbing an? «Klatsch ist unspezifischer
als ein Gerücht», versucht sich Coach Regina Michalik mit einer
Definition. Sie hat ein Buch zum Thema Intrigen geschrieben. Klatsch
sei quasi eine Art Small-Talk, ein Gerücht richte sich dagegen
gezielt gegen eine Person – und werde als Wahrheit verkauft. «Klatsch
sind negative Informationen über das Privatleben einer Person, die
eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind», ergänzt der
Soziologe Christian Schuldt. Er hat eine Zeit lang für ein
Boulevardmagazin geschrieben und dann später ein Buch zum Thema
Klatsch veröffentlicht.

Das Wort stammt aus dem 18. Jahrhundert. Damals wuschen die Frauen
auf öffentlichen Plätzen ihre Wäsche und tauschten dabei den neuesten
Tratsch aus, wie Prof. Birgit Althans von der Leuphana Universität
Lüneburg erklärt, die eine Kulturgeschichte des Klatsches
veröffentlicht hat. Dabei klatschte die Wäsche auf das Waschbrett –
das Wort für diese Art der Unterhaltung war geboren. Aus dieser Zeit
stammen auch Redewendungen wie «Schmutzige Wäsche in der
Öffentlichkeit waschen» oder «jemanden durchhecheln» oder
«Klatschbasen» und «Klatschtanten».

Und auch, wenn Führungskräfte ihn nicht gerne sehen, weil er
Arbeitszeit frisst: Tratsch habe durchaus positive Funktionen, sagt
Prof. Althans. Er helfe dabei, in stressigen Situationen Druck
abzulassen und sich von eher langweiligen Routineaufgaben abzulenken.
Wenn es bei der Arbeit wieder einmal stressig wird, sorge Klatsch oft
für Entspannung. Er könne zur Verbrüderung der Mitarbeiter führen.

Und er schweiße die Klatschenden zusammen, ergänzt Autor Schuldt: «Er
ist etwas Böses, das Gutes tut.» Wer gemeinsam über Dritte redet,
fühle sich miteinander eng verbunden. Und nebenbei würden bei solchen
Gesprächen die Werte ausgehandelt, die in einer Gruppe gelten. Wird
über eine Affäre des Kollegen getuschelt, wird damit auch deutlich,
dass Affären vom Team nicht akzeptiert, sondern verurteilt werden.

Trotzdem ist auch klar: Die Grenze zwischen Klatsch und Mobbing ist
schmal, eine rote Linie schnell überschritten. «Klatsch zeugt
mitunter auch von einem geringen Selbstbewusstsein von demjenigen,
der klatscht», erklärt die Psychologin Juliane Dreisbach. Er diene
auch dazu, sich über andere zu erheben. Und für denjenigen, den er
trifft, sei er alles andere als angenehm.

Und noch eins komme hinzu: In Zeiten, in denen immer mehr Privates in
sozialen Netzwerken veröffentlicht wird, müsse Klatsch tendenziell
immer krasser werden, sagt Dreisbach. Die Informationen müssten
häufig schon sehr intim sein, um als Klatsch dienen zu können. Sonst
hat der Betroffene den Inhalt gar nicht selten schon selbst ins Netz
gestellt.

Sich beim Thema Klatsch ganz herauszuhalten, ist jedoch häufig keine
gute Idee. Man isoliere sich im Team, erklärt Autor Schuldt. In der
Folge bekommen Berufstätige viele Informationen nicht mehr mit. Und
sie würden auch selbst leichter zum Gegenstand von Klatsch, weil sie
außerhalb der Gruppe sind und zum Außenseiter werden.

Wer als Berufseinsteiger neu in eine Firma kommt, sollte deswegen
ruhig ein bisschen aus seinem Privatleben erzählen, rät Coach
Michalik. Das verhindert von Anfang an, dass Gerüchte entstehen, weil
es so wenig Informationen über einen gibt. Ansonsten sollte man beim
Gerede über Kollegen genau hinhören. Wer gut im Beobachten ist, wird
schnell heraushaben, was in der Gruppe toleriert wird und welche
Werte in der Abteilung gelten. Selbst sollte man sich mit Klatsch
über Dritte als Berufsanfänger zurückhalten, schließlich hat man die
Vertrauensbasis der Kollegen noch nicht.

Und was ist, wenn über einen selbst geredet wird? Wer gut integriert
ist, über den wird in der Regel wenig geredet, sagt Schuldt. Und wer
über ein enges Netzwerk verfügt, hat auch eher einen Freund, der
einem Gerüchte über die eigene Person steckt. Erfährt man dann davon,
gibt es unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten.

In einigen Fällen mache es Sinn, das Gerücht zu ignorieren, sagt
Coach Michalik. Denn eins sollten sich Berufstätige klarmachen:
Setzen sie sich dagegen zur Wehr, spitzt sich die Situation häufig zu
– und am Ende bleibe immer irgendetwas hängen. Trotzdem werde es
immer Situationen geben, in denen man reagieren muss, weil das
Gerücht einem sehr schadet.

Das kann zum Beispiel sein, wenn über einen Kollegen gesagt wird,
dass er zuviel trinkt. Hier helfe es im ersten Schritt zu überlegen:
Wer profitiert davon, dass es dieses Gerücht gibt? Das helfe dabei,
den Urheber des Gerüchts auszumachen. Dann kann man denjenigen direkt
zur Rede stellen – oder man wendet sich direkt an den Vorgesetzten,
wenn es ein sehr schädliches Gerücht ist.

Am Ende ist es mit dem Klatsch im Arbeitsleben ein bisschen wie mit
dem Salz in der Suppe. Ein bisschen davon lässt sie besser schmecken.
Doch wer zu stark würzt, versalzt die Suppe.

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