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Kopfhörer-Zumba – das «stille» Fitness-Programm im Park

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Beim «Silent Zumba» trainieren Hobby-Sportler gleichzeitig zu Hits
wie «Despacito». Allerdings: Wer als Passant zuschaut, hört nichts.

München (dpa) – Er läuft gerade überall, der Sommerhit «Despacito»
von Schmachtsänger Luis Fonsi. Egal, ob man von dem Schmusesong
genervt ist oder ihn mag – beim Zumba-Tanzen wird er in dieser Saison
oft gespielt. Der Titel steht auch beim sogenannten Silent Zumba von
Ramona und Pio Suh auf der Playlist. Das Trainer-Paar aus München
gibt Fitnesskurse im Freien. Das Besondere: Statt aus Boxen kommt die
Musik aus Kopfhörern.

Alle bewegen sich dabei synchron zur Musik – wer zuschaut, hört
nichts. Die Headsets kann jeder Teilnehmer gegen eine Gebühr
ausleihen. Warum Kopfhörer? Zum Zumba-Training gehöre der Sound nun
einmal dazu, sagt Zumba-«Instructor» Pio Suh. Aber im Park dürfe man
keine laute Musik spielen. Die Kopfhörer seien ein guter Kompromiss:
«Jeder Kurs-Teilnehmer kann die Lautstärke an seinem Headset beliebig
einstellen. Gleichzeitig bleibt die Umwelt verschont.» Solche
Fitness-Events gebe es auch in Italien. Die Kopfhörer brächten einen
zusätzlichen «Spaßfaktor».

Im Hirschgarten in München hat das Trainer-Paar zum
Zumba-Kopfhörertraining geladen. Meistens sind es Frauen, nur selten
gesellt sich auch mal ein Mann dazu, um Schritte, Drehungen und
Hüftschwünge zu üben, die der Trainer mit dem Gesicht zu den Schülern
gewandt quasi spiegelverkehrt vormacht.

Florentine (30) tanzt in lockeren Sport-Klamotten mit. Sie findet die
Idee mit den Kopfhörern lustig. Ein Fitnesstraining sei ganz schön
anstrengend auf Rasen, der nachgibt, wenn man springt, eine Pirouette
dreht oder wie beim Salsa oder Merengue schnelle Schritte übt, die
gern auch noch ein wenig sinnlich aussehen dürfen.

Gewöhnungsbedürftig ist so ein Kopfhörer-Training allemal. Die
30-jährige Daria aus München ist zum ersten Mal dabei. «Ich hab ein
bisschen Schiss», sagt sie – obwohl sie gern tanze. Denn Publikum hat
man bei dem Training im Park sicher. Auch ohne laute Musik aus Boxen.

Die Kopfhörer-Idee ist nicht neu. Ein junger Münchner fühlt sich an
sogenannte Silent Discos erinnert. Bei solchen «stillen» Partys im
Freien werden drahtlose Kopfhörer gegen Pfand verliehen. Auch
Freiluft-Kinos mit Kopfhörern gibt es hier und dort, um Lärm zu
vermeiden. Oder Führungen für Touristen mit Headset.

Das Phänomen, dass man mit Kopfhörern auch Zumba tanzt, kennt Volker
Ebener, Vorsitzender des Deutschen Fitness- und Aerobicverbands,
bisher nur von sogenannten Conventions, die drinnen stattfinden –
nämlich dann, wenn bei solchen größeren Sportveranstaltungen im
Nachbarraum zeitgleich Yoga-, Pilates- oder andere «stille» Kurse
stattfinden und die laute Zumba-Musik nebenan stören würde. Zu
Zumba-Kursen im Freien sei ihm nichts bekannt. Grundsätzlich seien
die Kopfhörer auch draußen denkbar, sagt er – bevor man wegen der
Musik stattdessen ganz auf den Sport verzichte.

Ähnlich äußert sich Niels Nagel vom Industrieverband für Fitness und
Gesundheit: «Es mag vereinzelt solche Kurse geben, aber auf jeden
Fall ist die Quote nicht nennenswert groß.» Auf Norderney etwa luden
Veranstalter kürzlich zum «Babalumba Silent»-Fitness mit Kopfhörern
am Strand. Nagel ist skeptisch: Durch die Kopfhörer sei man so
vertieft in die Musik, dass man Korrekturen des Trainers weniger
wahrnehme, befürchtet er.

Es geht vor allem um Rücksichtnahme. Zwar gebe es wegen Musik in
öffentlichen Parks münchenweit gesehen wenige Beschwerden, sagt ein
Sprecher des Referats für Gesundheit und Umwelt. «Nichtsdestotrotz
ist es zu begrüßen, wenn man Musik nur in Zimmerlautstärke hört oder
gar Kopfhörer verwendet.» Bei größeren Veranstaltungen gebe es
Lärmschutzauflagen, erklärt ein Sprecher des
Kreisverwaltungsreferats. Hinsichtlich der «Silent»-Veranstaltungen
lägen hier noch keine Erfahrungen vor. «Jedoch kann davon ausgegangen
werden, dass stille Veranstaltungen die Anwohnerinnen und Anwohner
weniger beeinträchtigen und deshalb eine größere Akzeptanz erfahren
würden.»

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