Berlin (dpa) – Auch nach der Spitzel-Affäre um Imame des türkischen
Moscheeverbandes Ditib hat die Bundesregierung einem Medienbericht
zufolge die Einreise von 350 islamischen Geistlichen genehmigt. Die
deutschen Behörden hätten dazu im vergangenen Jahr Arbeitsvisa mit
einer Gültigkeitsdauer von 180 Tagen ausgegeben, berichtete der
«Kölner Stadt-Anzeiger» am Mittwoch. Das gehe aus einer Antwort des
Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor,
die der Zeitung vorlag. Allerdings habe das Ministerium keine
Erkenntnisse darüber, ob die Imame das Land nach Ablauf der Frist
wieder verlassen oder möglicherweise Asyl beantragt haben.
Die Ditib ist in Deutschland wegen ihrer Nähe zur türkischen
Regierung unter Druck und wird von Kritikern als verlängerter Arm von
Präsident Recep Tayyip Erdogan angesehen. Mehrere Imame sollen auf
Anweisung aus Ankara Erdogan-Gegner bespitzelt und denunziert haben.
Die Religionsbehörde Diyanet entsendet alle rund 900 Ditib-Imame nach
Deutschland und bezahlt sie.
Ermittlungen gegen mehrere Geistliche wegen Spitzel-Vorwürfen waren
am Dezember eingestellt worden. Wie die Bundesanwaltschaft damals
mitteilte, sah sie bei sieben Männern zwar einen hinreichenden
Tatverdacht. Weil diese aber Deutschland mit unbekanntem Ziel
verlassen hätten, könne keine Anklage gegen sie erhoben werden. Die
Geistlichen wurden verdächtigt, Informationen über Anhänger der
Gülen-Bewegung gesammelt und an das türkische Generalkonsulat in Köln
berichtet zu haben. Die Türkei macht den in den USA lebenden Prediger
Fethullah Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich.
«Die Bundesregierung ist völlig naiv oder verantwortungslos»,
kritisierte Sevim Dagdelen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der
Linken im Bundestag. Es sei absurd zu erwarten, dass «ein Verband die
Stärkung demokratischer Haltungen in Deutschland unterstützen soll,
der in eine Spionage-Affäre verstrickt ist und an der Einschüchterung
von Erdogan-Kritikern und Verfolgung von Andersdenkenden mitwirkt».