SDS-newsline Onlinezeitung

Fliegen als Teil des Fußballlehrerjobs – Mirko Slomka: «Ganz toll» Von Dietmar Fuchs

| Keine Kommentare

Essen (dpa) – Stefan Kuntz sitzt auf dem Chefpilotensessel.
«Versuchen wir den Looping mal», sagt der Trainer der U21-Mannschaft
des Deutschen Fußball-Bundes scherzhaft. Dann steuert er mit sanfter
linker Hand, augenscheinlich völlig entspannt und gelassen, den
Airbus 320.

Der Start auf dem Salzburg-Airport verläuft reibungslos, Kuntz zieht
die Maschine dezent nach oben. Als links und rechts die ersten Berge
auftauchen, schnattert der Bordcomputer von Terrain, dem sich der Jet
nähert. Kuntz muss nachjustieren.

Der kurze Flug ist ganz okay, meint der daneben sitzende
Profi-Copilot, der nicht oft eingreift, als Kuntz versucht, das Gerät
sicher durch die Lüfte über Salzburg zu steuern. Beim Anflug wird es
schwieriger, Kuntz driftet ein wenig ab, bekommt den Vogel sicher,
aber hart wieder zu Boden. «Bei der Landung ist hinten aber einigen
bestimmt echt übel geworden», bemerkt der 55-Jährige lachend.

Es ist – zum Glück – nur ein Simulator mit künstlichem Horizont, an
dem sich Kuntz und andere seiner Zunft da als Jet-Kapitäne an der
TFC-Flugschule in der Nähe von Essen-Kupferdreh testen dürfen.
«Denken und entscheiden unter komplexen Bedingungen» – das ist die
Vorgabe eines Ausbildungsmoduls für die Elite-Cheftrainerfortbildung
der DFB-Akademie.

Die Idee, Coaches wie Kuntz, dessen U19-Kollegen Meikel Schönweitz,
den Frankfurter Niko Kovac, den Augsburger Manuel Baum, Alexander
Nouri, André Schubert oder Mirko Slomka im Fliegen zu schulen, hatte
Frank Wormuth, Leiter der Fußballlehrerausbildung des DFB. Weil
Wormuth Parallelen zwischen seinen Leuten und Chefpiloten sieht:
schnell und richtig zu handeln, wenn sich auf dem Rasen oder in der
Luft kritische Situationen ergeben.

Der Zwei-Tage-Lehrgang auf den Höhen über Essen ist das zweite von
zehn Modulen einer Fortbildungsreihe, die pro Teilnehmer 12 500 Euro
kostet. Im November 2017 lief Teil eins. Damals ging es um die
interkulturelle Handlungskompetenz – ein wichtiges Feld für Trainer
wie Kovac, der bei der Frankfurter Eintracht Profis aus 16 Ländern um
sich hat. «Es war ein überragender Einstieg, wir haben viel über die
Arbeit mit Menschen aus anderen Kulturkreisen gelernt», sagt der
57-jährige Wormuth.

«Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen», ergänzt er. Spieler aus
afrikanischen oder asiatischen Ländern müssten anders betreut werden
als etwa solche aus dem europäischen Fußballbereich. Deshalb gehören
zum Beispiel auch Körpersprache, Rhetorik, Medienschulung und
Konfliktkommunikation zum Angebot, das Wormuth unterbreitet. Oder
auch das Thema Persönlichkeitsdiagnostik: Ist ein Spieler der
geborene Leader, braucht er mehr oder weniger Motivations-Einheiten?

«Das gehört dazu», sagt Kovac, der wie seine anderen Kollegen
lernbegierig ist, sich weiter entwickeln und nicht auf hergebrachtem
Wissen stehenbleiben möchte. Also fingert der Frankfurter an einem
roten Schalter herum: «Da ist der Schleudersitz!» Und dass das
Fliegen Spaß macht, unterstreicht Mirko Slomka. «Ganz toll», findet
es der aktuell Jobsuchende, nachdem er am anderen Simulator in New
York und München gelandet ist.

Denn das, was Kuntz am Anfang versucht hat, ist nicht der ultimative
Kick. Der erste Simulator ist statisch, der zweite, einer für den
Airbus 330, macht auf vier Stelzen die echten Bewegungen des
Flugzeugs nach, mit Turbulenzen, mit harten Landungen, mit
unwirtlichen Bedingungen in der Luft.

Und genau da ist die Parallele zwischen Trainer und Pilot: Beide
müssen in extrem kurzer Zeit diffizile Herausforderungen bewältigen:
der eine zum Beispiel bei zwei Platzverweisen und den notwendigen
taktischen Umstellungen, der andere, wenn die Sicht schlecht wird,
wenn es oben turbulent oder wenn die Landung auf Sicht riskant wird.

Der generelle Anspruch der DFB-Akademie ist es, dass sich die
Elite-Cheftrainer anderen Tätigkeitsfeldern öffnen, aus denen sie
dann für ihren beruflichen Alltag noch mehr Nutzen ziehen können. Das
Ganze dauert noch bis Mai; dann sind weitere acht Workshopmodule
bewältigt. Und dann soll das Wissens- und Kenntnisspektrum der
Fußballlehrer so gepusht worden sein, dass selbst unter komplexesten
Bedingungen die richtige Entscheidung gefällt werden kann.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.