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Eine Bude für 530 Euro? Studenten verzweifeln bei der Wohnungssuche Von Werner Herpell

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Das Wintersemester 2016/17 ist für Studienanfänger nur scheinbar noch
weit weg. Wer ein bezahlbares Zimmer sucht, sollte sich schon jetzt
Gedanken machen. Denn der Wohnungsmarkt für Studenten ist so eng wie
selten zuvor. Bund und Länder sind gefordert.

Berlin (dpa) – München ist das mit Abstand teuerste Pflaster für
Wohnungssuchende in Deutschland – auch für Studenten, die eine
WG-Bude brauchen. Zu Beginn des Sommersemesters lag der
Standardmietpreis für unmöblierte Zimmer in einer Wohngemeinschaft
der Isarstadt mit 530 Euro am höchsten, vor Frankfurt/Main (447 Euro)
und Stuttgart (430 Euro). Tendenz: in allen drei Städten steigend.

Die Auswertung des Berliner Empirica-Instituts auf Basis von mehr als
100 000 Warmmieten-Inseraten für WG-Zimmer in 120 deutschen Städten
bestätigt einen Trend: Das ganz normale Wohnen wird für viele
Studierende fast unerschwinglich – allerdings abhängig vom
Uni-Standort. Denn es geht auch billiger: Die günstigsten WG-Angebote
für Zimmer zwischen 10 und 30 Quadratmetern gab es der Studie zufolge
in Chemnitz (216 Euro) und Wilhelmshaven (230 Euro) – nicht gerade
Traumziele für die akademische Bildung.

Zugleich verrät die bislang letzte Sozialerhebung des Deutschen
Studentenwerks (DSW) für 2012, dass sich Studierende zu 27 Prozent
ein WG-Zimmer wünschen, zu 26 Prozent eine Wohnung alleine und zu 31
Prozent eine Bleibe mit Partner oder Partnerin und eventuell auch mit
Kind. Im «Hotel Mama» wollten nur 6 Prozent wohnen bleiben, in einem
Studentenwohnheim 9 Prozent unterkommen.

Womöglich ändert sich in der jetzt startenden DSW-Sozialerhebung 2016
angesichts mancher WG-Mondpreise das Image der Wohnheime. Anteilmäßig
stehen freilich immer weniger Kapazitäten zur Verfügung. 2015 kam
dort nur noch jeder zehnte Studierende unter. Der Mangel an
Wohnheimplätzen – die Quote im Verhältnis zur Studentenzahl fiel in
25 Jahren von fast 15 Prozent (1991) auf 9,86 Prozent (2015) – könnte
sich noch sehr negativ auswirken.

Die Zahl der Studierenden in Deutschland stieg seit Mitte der
Nuller-Jahre um 40 Prozent auf fast 2,8 Millionen – inklusive immer
mehr Ausländern, die besonders auf günstigen Wohnraum angewiesen
sind. «Im selben Zeitraum sind die öffentlich geförderten
Wohnheimkapazitäten aber nur um fünf Prozent gewachsen», sagt
DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde, der dringend mehr
staatlich geförderten Wohnraum für Studenten verlangt.

Aktuelle Studien wie von Empirica oder dem Institut der Deutschen
Wirtschaft (IW) bestätigen laut Meyer auf der Heyde eine «Zuspitzung»
vor allem in Großstädten und an attraktiven Universitätsstandorten.
Dort träten Studierende zunehmend in Konkurrenz mit ärmeren
Wohnungsuchenden und Flüchtlingen. «Wir kennen Städte mit hoher
Flüchtlingsaufnahme, wo die Wartelisten unserer Studentenwerke
zuletzt wieder kräftig angewachsen sind.»

Meyer auf der Heyde hört gelegentlich das Argument, junge Leute
müssten ja nun nicht unbedingt in München oder Hamburg studieren –
zwischen Aalen, Wuppertal und Schmalkalden gebe es doch viel Auswahl.
«Man kann ja nun nicht die Marktprobleme, die seit Jahren zu erwarten
waren, den Studenten anlasten nach dem Motto: Ihr seid zu verwöhnt»,
entgegnet er dann.

Zunächst einmal habe «jeder das Recht, sich die Uni auszusuchen,
solange das nicht durch einen Numerus Clausus ausgehebelt ist». Die
dringlichere Frage sei doch: «Wie kriegen wir die Marktentwicklung
durch Stützmaßnahmen so in den Griff, dass auch junge Leute mit
schmalem Geldbeuten in diesen attraktiven Städten studieren können?»,
sagt Meyer auf der Heyde.

Das DSW kritisiert, dass eine ganze Reihe Bundesländer bei im Bau
befindlichen oder geplanten Studentenwohnheimplätzen auf Sparflamme
kochen oder gar nichts tun. Mit Stand 1. Januar 2015 waren
Brandenburg, Bremen, das Saarland und Sachsen auf diesem Gebiet
überhaupt nicht aktiv, weist die Statistik aus. Den Löwenanteil der
bundesweit 13 600 neuen Wohnheimplätze finanzierten demnach
Nordrhein-Westfalen (4788), Bayern (3088), Baden-Württemberg (2383)
und Hessen (1427).

«Die armen Länder haben Probleme, da müsste der Bund helfen», fordert
Meyer auf der Heyde. Notwendig seien 25 000 zusätzliche
preisgünstige, staatlich geförderte Wohnheimplätze als Minimum. Sein
Credo: «Wenn die Bundesregierung sich am Ausbau der
Studienkapazitäten beteiligt, dann muss sie sich folgerichtig auch an
einem Hochschulsozialpakt beteiligen.» Erst recht, «wenn nun noch zu
erwartende 20 000 studierfähige Flüchtlinge hinzukommen. Die stehen
am untersten Ende der Einkommenskala.»

Die Regierung zeigt nun immerhin Initiative: Für Neubauten und mehr
Sozialwohnungen erhalten die Länder für 2016 bis 2019 jährlich rund
eine Milliarde Euro – fast eine Verdoppelung der Bundesmittel.
Schwarz-Rot will private Investoren dazu bringen, nicht vorrangig
Bürogebäude, Einfamilienhäuser oder Luxuswohnungen zu bauen, sondern
kleinere, günstige Wohnungen. Ob dort am Ende aber auch Studenten
wohnen?

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