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Dunja Hayali: Mit der Bibel für ein respektvolleres Miteinander

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Gewalt gegenüber Kindern prangerte die schwedische Schriftstellerin
Astrid Lindgren 1978 bei der Verleihung des Friedenspreises des
Deutschen Buchhandels an. Fast vierzig Jahre später erscheint der
Redetext als Buch – mit einem Vorwort von Moderatorin Dunja Hayali.

Hamburg (dpa) – Der Oetinger-Verlag in Hamburg habe einfach per Mail
bei ihr angefragt – und die Zustimmung der Lindgren-Erben gleich
mitgeteilt. «Da saß ich erst mal mit offenem Mund zuhause», erzählt
Moderatorin Dunja Hayali (42) der Deutschen Presse-Agentur. Sie
schrieb dann das Vorwort zu dem als Buch erscheinenden Redetext
«Niemals Gewalt!» von Astrid Lindgren aus dem Jahr 1978. «Ich fühlte
mich sehr geehrt, weil ich als Kind ihre Bücher verschlungen habe –
besonders ‚Madita’», sagt Hayali und ist überzeugt, dass die
Lindgren-Lektüre Einfluss auf ihre Entwicklung hatte. «Ich habe mich
schon als Jugendliche immer eingemischt. Wenn Freunde sich prügelten,
bin ich dazwischen gegangen und habe mir ein blaues Auge
eingefangen.»

Frage: Lindgren klagt in ihrer Rede die allgegenwärtige Gewalt gegen
Kinder an. Wie haben Sie sich mit den immer noch deprimierenden
Realitäten fast vier Dekaden später bekannt gemacht?

Antwort: Ich engagiere mich seit Jahren für das «Hilfetelefon». Dabei
geht es um sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen, aber auch
gegen Männer und Jungen. Und ich gehe für den Verein Gesicht Zeigen!
in Schulen und rede mit Schülern über Rassismus,
Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Homophobie. Jugendliche
erzählen mir dabei auch von eigenen Erfahrungen. In meinem privaten
Umfeld gibt es leider auch Menschen, die als Kind Entsprechendes
erlebt haben. Dazu kennen wir alle die Statistiken, die mich als
Journalistin beschäftigen. Pro Schulklassen sollen ein bis drei
Kinder sexualisierte Gewalt erlebt haben – hier bei uns in
Deutschland.

Frage: Im Vorwort erklären Sie dazu, «Gewalt hat viele Formen».

Antwort: Ich erkläre das damit, dass wir als Erwachsene eine
Vorbildfunktion haben. Gegenüber eigenen Kindern, aber auch gegenüber
denen, die in unserem Umfeld sind. Ich finde es zum Beispiel grob
fahrlässig, Kinder mit zu Demos zu nehmen, wo wilde Thesen
geschwungen werden und die ganze Stimmung doch sehr erdrückend ist.
Natürlich habe ich kein Problem damit, mit Kindern auf die Straße zu
gehen, um für Kinderrechte zu demonstrieren. Das heißt ja nicht, dass
man Kinder vor allem schützen, ihnen die Augen verschließen muss.
Aber es gibt Wege, sie sanft und behutsam über die Lebenswirklichkeit
zu informieren. Das ist nicht nur die Aufgabe von Schule und
Kindergärten, sondern auch der Eltern und des gesamten Umfelds. Ich
bin zum Beispiel Patentante von zwei Mädchen und nehme diesen Job
sehr ernst. Wir machen uns auch schuldig, wenn wir weggucken.
Weltweit sind 50 Millionen Kinder auf der Flucht. Was sagt das über
unsere Welt aus? Ich war in einem Flüchtlingscamp – das sind
Zustände, so würden wir unsere Haustiere nicht behandeln.

Frage: Sie schreiben, dass die Zustände seit Lindgrens Zeiten
schlimmer geworden seien.

Antwort: Laut Statistik hungern nicht mehr so viele Kinder wie noch
vor 30 Jahren. Dennoch scheint das Recht auf Kindheit, auf sorgloses
Großwerden, irgendwie hintenüberzufallen. Natürlich machen Hilfswerke
wie Unicef, Plan und Save The Children darauf immer wieder aufmerksam
und tun viel, um die Situation zu verbessern. Aber da stehen wir alle
in der Pflicht.

Frage: Sie schreiben: «Der enthemmten Gesellschaft scheint es egal zu
sein». Das zielt auf eine allgemeine Verrohung – was die Probleme
nicht kleiner macht.

Antwort: Ja. Hier spreche ich wieder aus Erfahrung, denn Jugendliche
erzählen mir, was sie zu lesen bekommen, online, etwa auf Facebook.
Das gab’s natürlich früher nicht. Ich kann mich zwar erinnern, dass
man damals zum Einstieg auf’s Gymnasium in eine Mülltonne gesteckt
wurde. Aber damit hatte es sich dann auch. Und die Verrohung der
Sprache, wie Jugendliche miteinander umgehen, wie respektlos sie oft
auch gegenüber Lehrern geworden sind – das kommt ja nicht von
ungefähr. Es ist schön, seine Meinung zu äußern. Aber warum muss das
gleich mit einer Beleidigung oder Diffamierung einhergehen? Die
Kinder und Jugendlichen registrieren so ein Verhalten bei Erwachsenen
sehr wohl, die haben sehr sensible Antennen. Und diejenigen, die mit
dem Hass in den sozialen Netzwerken unvermittelt groß werden, werden
dadurch geprägt und geben es auch später weiter.

Frage: Was wäre zu tun – seitens der Politik oder durch den
Einzelnen?

Antwort: Wissen Sie, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Ich möchte nicht immer alles auf die Politik schieben. Jeder Einzelne
kann für sich vergegenwärtigen, was für Konsequenzen auf nachfolgende
Generationen unser derzeitiger Umgang miteinander hat. Ich bin
überzeugt, dass man dagegen schon im Kleinen etwas tun kann. Es wäre
ein Superschritt zu zeigen, wir sind mitmenschlich miteinander, wir
achten auf unsere Nachbarn, bieten im Bus älteren Menschen einen
Platz an, telefonieren nicht, sondern lächeln und grüßen freundlich,
wenn wir im Supermarkt zur Kassiererin kommen. Wir sagen doch immer,
wie seien hier im christlich geprägten Abendland. Ich will ja nicht
pathetisch werden, aber die Zehn Gebote gepaart mit Artikel eins des
Grundgesetzes sind die perfekte Anleitung für ein faires,
respektvolles, aber auch kritisches Zusammenleben.
ZUR PERSON: Dunja Hayali ist Journalistin und Fernsehmoderatorin. Sie
wurde in Datteln (Westfalen) als Tochter irakisch-christlicher Eltern
geboren. Sie unterstützt unter anderem den Verein Gesicht Zeigen! und
ist im Aufsichtsrat von Save The Children.

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