Das deutsche Bildungssystem gehört zu den besseren in der Welt, aber
längst nicht alles ist gut. Vom Kindergarten bis zum Uni-Abschluss
oder zur Meisterprüfung: Die Parteien legen dafür im Wahlkampf
teilweise sehr unterschiedliche Pläne vor.
Berlin (dpa) – «Beste Schulen» (SPD), «gute Bildung» (Linke), «beste
Bildung und Ausbildung» (CDU/CSU) oder gar «weltbeste Bildung» (FDP):
In ihren Programm-Überschriften versprechen die Parteien, dass es mit
ihnen rund laufen wird in der «Bildungsrepublik Deutschland». Alle
haben erkannt, dass mit guten Konzepten für Kitas und Schulen,
Hochschulen und Berufsbildung Wahlen zu gewinnen sind. Ein Überblick:
GRUNDSÄTZLICHES: CDU und CSU sehen sich als «Garant für gute Bildung
und Ausbildung». Die Union listet Erfolge der vergangenen
Legislaturperiode auf und kündigt kurz und knapp an: «Diesen Weg
gehen wir weiter.» Im Mittelpunkt stehe eine «digitale
Bildungsoffensive» für Schüler, Auszubildende, Studenten und
Lehrkräfte gleichermaßen. Die SPD hingegen präsentiert einen
umfangreichen, kleinteiligen Wunschzettel und moniert, noch
entscheide «zu oft der Geldbeutel der Eltern. Deshalb machen wir die
Bildung gebührenfrei» – und zwar komplett.
Für die Linke verschärft das deutsche Bildungssystem «die soziale
Spaltung der Gesellschaft, statt ihr entgegenzuwirken», sie will
daher «für mehr Personal in Bildung und Erziehung» kämpfen. Auch die
Grünen kritisieren: «Zu oft bestimmt immer noch die Herkunft die
eigene Zukunft und nicht etwa Talent oder Fleiß. Es ist ein Skandal,
dass es für Kinder aus Arbeiterfamilien bei uns so schwierig ist
aufzusteigen.» Mit den Grünen hingegen soll jeder durch
Bildungsteilhabe «die Chance auf ein gutes Leben bekommen».
Die FDP setzt für ein Bundestags-Comeback so stark wie noch nie auf
das Bildungsthema und will daraus ein «Mondfahrtprojekt» mit
«Bildungsausgaben auf Top-5-Niveau» der Staatengemeinschaft OECD
machen. Die AfD wendet sich gegen «die Politik der etablierten
Parteien» und verlangt «Vermittlung des Fachwissens als zentrales
Anliegen der Schule». Zudem fordern die Rechtspopulisten wohl ganz im
Sinne ihrer Kernwählerschaft: «Keine Sonderrechte für Muslime an
unseren Schulen.»
VORSCHULE UND SCHULE: Die Union verspricht Engagement für
leistungsschwächere und -stärkere Schüler sowie mehr Durchlässigkeit
zwischen den Schultypen. Sie möchte das Gymnasium als eigenständige
Schulform weiter erhalten. Die SPD will in die Qualität von
Kindertagesstätten investieren und einen «Rechtsanspruch auf
Ganztagsbetreuung» durchsetzen. «Egal wo gelernt wird: Schulen müssen
strahlen – die Gebäude, aber auch ihre Ausstattung», heißt es
außerdem. Das soll mit einer «nationalen Bildungsallianz» in Angriff
genommen werden.
Die Linke fordert bessere Betreuungsschlüssel für Kitas sowie «eine
Gemeinschaftsschule, die kein Kind zurücklässt und sozialer
Ungleichheit entgegenwirkt». Die Grünen erwarten vom Bund, dass er
«für den weiteren Ausbau des Angebots und zur Verbesserung der
Qualität (…) mit mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr eine
größere Verantwortung für die frühkindliche Bildung» übernimmt und
alle Schulen fit für die Zukunft macht. Helfen soll eine «gemeinsame
Bildungsoffensive» mit den Ländern.
Die FDP setzt auf marktwirtschaftliche Lösungen an Schulen – «mehr
Eigenständigkeit» bei Organisation, Budget, Profilbildung und
Personal und einen «transparenten Qualitätswettbewerb um die besten
Bildungsleistungen». Zudem sollten Kita-Kräfte besser bezahlt und
freie Schulen gleichwertig unterstützt werden. Die AfD befürwortet
«ein nach Begabungen differenziertes Schulsystem, das dem
unterschiedlichen Leistungsvermögen der Schüler gerecht» werde. Eine
«ideologisch motivierte Inklusion» von Kindern mit besonderem
Förderbedarf lehnt die Partei ab.
WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG: Die Union bleibt recht allgemein: Der
Bund solle nach dem Auslaufen des Hochschulpakts 2020 «mit den
Ländern gute Lehre und digital innovative Universitäten und
Fachhochschulen stärken». Außerdem kündigen CDU und CSU an: «Bis 2025
werden wir die Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf insgesamt 3,5
Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen.» Und es soll «eine
steuerliche Forschungsförderung» in Höhe von zwei Milliarden Euro
geben. Die SPD will die derzeit darbende Grundfinanzierung der
Hochschulen verbessern und die Studierenden besser unterstützen, etwa
über höhere Bafög-Bedarfssätze.
Die Linke will die Mittel der schwarz-roten Exzellenzstrategie für
Top-Universitäten in die Hochschul-Grundfinanzierung lenken, in
«soziale Infrastruktur» etwa beim Hochschulbau investieren und das
Bafög von derzeit maximal 735 auf 1050 Euro pro Monat heraufsetzen.
Auch die Grünen wollen das Bafög für mehr Studierende öffnen und
regelmäßig erhöhen. Zudem schlagen sie einen «Bund-Länder-Aktionsplan
Studentisches Wohnen» vor.
Die FDP setzt sich für eine elternunabhängige Förderung von
Studierenden in Höhe von 500 Euro pro Monat plus Darlehensangebot
ein. Hochschulen sollten «nachgelagerte Studiengebühren» erheben
dürfen, die erst nach Studienabschluss gezahlt werden müssten. Die
AfD will statt Bachelor und Master die «bewährten Diplom- und
Magisterstudiengänge» wieder einführen und sagt: «Deutsch muss als
Lehr- und Wissenschaftssprache erhalten bleiben.»
BERUFLICHE BILDUNG: Der Wert des deutschen Ausbildungssystems mit
Betrieben und Berufsschulen wird in allen Programmen betont. So will
die Union «mehr und neue Aufstiegschancen für dual Ausgebildete»
sowie attraktive Karriereperspektiven auch ohne Abitur und Studium
schaffen. «Zusätzliche Beratung, passgenaue Unterstützungsangebote
sowie Qualifizierung» sollen die Attraktivität der seit Jahren
schwächelnden Lehre gegenüber der akademischen Bildung steigern. Die
SPD sagt noch deutlicher: «Berufliche und akademische Bildung sind
gleichwertig!» Dazu gehöre Durchlässigkeit in beide Richtungen. Die
betriebliche Lehre müsse mit einem «Berufsschulpakt» modernisiert
werden. Zudem will die SPD eine «Garantie auf einen
Ausbildungsplatz».
Die Linke verlangt «eine solidarische Umlagefinanzierung, die alle
Betriebe in die Pflicht nimmt, damit ausreichend duale und qualitativ
hochwertige Ausbildungsplätze geschaffen werden». Für die Azubis soll
es eine ausreichende Vergütung («vergleichbar dem gesetzlichen
Mindestlohn») und mehr Mitbestimmung in Betrieben geben. Wie die SPD
fordern die Grünen eine Ausbildungsgarantie direkt nach der Schule
und wollen für die berufliche Bildung die Wirtschaft insgesamt
stärker in die Pflicht nehmen.
Die Freidemokraten setzen sich für mehr digitale Bildung von Azubis
und eine «Exzellenzinitiative für die berufliche Bildung» ein:
«Deutschland braucht mehr Fachkräfte mit einer dualen Lehre als
Fachkräfte mit einer akademischen Vorbildung.» Die AfD wendet sich
gegen «immer höhere Abiturienten- und Akademikerquoten» und zieht die
Konsequenz: «Meister statt Master.»
BILDUNGSFÖDERALISMUS: Das seit gut zehn Jahren in der Verfassung
festgeschriebene «Kooperationsverbot», das den Bund weitgehend aus
der Schulpolitik heraushält, wird auch in der nächsten Wahlperiode
ein Zankapfel bleiben. Die meisten Parteien wollen es wieder
abschaffen. CDU/CSU stellen allerdings fest: «Schulbildung ist nach
der Ordnung des Grundgesetzes Ländersache und wird es bleiben.»
Vielmehr solle die künftige Bundesregierung «in einem ständigen
Dialog mit den Ländern gemeinsame bildungspolitische
Herausforderungen definieren und deren Umsetzung vorantreiben». Die
SPD möchte das Kooperationsverbot «mit einem neuen Grundgesetzartikel
104c (…) in einem ersten Schritt» aufbrechen und es schließlich
völlig aufheben, um dem Bund mehr Hilfs- und
Finanzierungsmöglichkeiten für die Schulen zu eröffnen.
Auch die Linke sieht das Kooperationsverbot als «Hindernis für
gleiche und vergleichbare Bedingungen beim Lernen und Lehren» –
stattdessen solle zugunsten öffentlicher Investitionen Bildung als
Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz verankert werden. Für die Grünen
muss «der Bildungsföderalismus entkrustet werden», um Bund und Länder
gemeinsam in die Verantwortung zu nehmen, etwa für vergleichbare
Schulabschlüsse in ganz Deutschland.
Die FDP sieht das Kooperationsverbot als Irrweg: «Die umfassende
Modernisierung des Bildungssystems würde Länder und Kommunen allein
überfordern», sie sei daher eine «gesamtgesellschaftliche Aufgabe».
Wichtig seien weniger «ideologisches Gezänk und bürokratische
Reibungsverluste» sowie mehr einheitliche Bildungsstandards und
vergleichbare Schulabschlüsse. Nur die AfD geht auf das
Kooperationsverbot in ihrem Wahlprogramm nicht konkret ein und
schreibt lediglich in Richtung der Bundesländer: «Die
Bildungsstandards in allen Schulformen müssen sich an dem jeweils
höchsten Niveau in Deutschland ausrichten.