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Animateur und Krisenmanager – So erkennt man gute Reiseleiter Von Julia Ruhnau

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Offenbach (dpa/tmn) – Ziel und Hotel stehen fest, ebenso Reisedauer
und Tagesprogramm. Sogar das Wetter kann man einigermaßen gut
vorhersehen. In einem wichtigen Punkt bleibt eine Gruppenreise aber
eine Fahrt ins Ungewisse: Wer sie durch den Urlaub begleitet, können
Touristen nicht beeinflussen. Denn welche Qualifikationen Reiseleiter
mitbringen müssen, ist in Deutschland nicht geregelt, eine feste
Ausbildung gibt es nicht. «Sie sagen, ich bin Reiseleiter, und schon
können Sie anfangen», sagt Heinz-Jürgen Nees, Geschäftsführer beim
Reiseleiter und Tour Guide Verband (RTGV).

Für Urlauber bedeutet das: Wer da gerade ausschweifend die Vorzüge
der römischen Küche anpreist, kann ganz unterschiedliche Erfahrungen
mitbringen. «Reiseleiter werden wirklich alle», sagt Nees. Aus- und
Quereinsteiger seien genauso dabei wie Menschen mit jahrelanger
Berufserfahrung im Tourismusbereich.

Was zeichnet Könner aus? «Professionelle Reiseleiter vermitteln
erträumte Urlaubserlebnisse», sagt Dieter Gauf, Geschäftsführer beim
Busverband RDA. Sie seien eine Mischung aus psychologischem
Ansprechpartner, Vertrauensperson und Animateur.

«Ein guter Guide sollte nicht nur Wissen und Zahlen oder Fakten
herunterbeten, sondern seinen Gästen die Stadt, das Weinland oder den
Naturpark auf lebendige, unterhaltsame und sehr persönliche Art nahe
bringen», sagt Sonja Wagenbrenner, Pressesprecherin beim
Bundesverband der Gästeführer in Deutschland (BVGD).

Gästeführer unterscheiden sich insofern von Reiseleitern, dass sie
sich auf eine bestimmte Region spezialisieren und Touristen als
Experte für dieses Gebiet zur Seite stehen – statt wie Reiseleiter
Urlauber in verschiedenste Regionen zu begleiten.

Reiseleiter müssen sich auch mit Abrechnungen und Hotelreservierungen
auskennen, Hilfe bei der Abwicklung von Grenzformalitäten leisten
können sowie Reklamationen bearbeiten. Und nicht zuletzt sind sie
diejenigen, die bei Notfällen wie Unfällen oder Pannen die
Verantwortung tragen und handeln müssen. «Das ist ein hammerharter
Job», urteilt Nees.

Einen Anhaltspunkt, ob der Reiseleiter auf der eigenen Reise diese
Fähigkeiten mitbringt, sind Zertifikate. Bisher gibt es verschiedene
Weiterbildungsangebote. Einige davon sind von der IHK zertifiziert,
zum Beispiel die Seminare beim Reiseleiterverband von Nees. Außerdem
vergibt der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW)
zusammen mit der Hochschule Bremen Zertifikate für Reiseleiter. Der
Bundesverband der Gästeführer in Deutschland (BVGD) tut das Gleiche
für Gästeführer, mehr als 2000 Zertifikate hat er schon ausgestellt.
Dazu werden Ausweise nach einem Sterne-System vergeben.

Die Zertifikate sind begehrt, weil sie sowohl von Urlaubern als auch
von Reiseveranstaltern als Referenz wahrgenommen werden und eine
erste Orientierung geben können. Einheitlich sind sie aber nicht.

Je nach Verband unterscheiden sich die Anforderungen. Beim BTW sind
zum Beispiel praktische Erfahrungen als Reiseleiter sowie ergänzend
entweder (Fach-) Abitur oder eine mehrjährige Tätigkeit im
Tourismussektor Voraussetzung. Abgefragt werden in der Prüfung dann
Kenntnisse über ein bestimmtes Reiseziel, rechtliches und
organisatorisches Wissen sowie die Fähigkeit, Sachverhalte
verständlich und strukturiert vermitteln zu können.

Auch dann haben Touristen allerdings keine Garantie dafür, dass sie
einen wirklich guten Führer vor sich haben. «Das sagt nur, dass sie
einen Reiseleiter haben, der die Theorie durchlaufen hat», erklärt
Nees. Auch das IHK-Zertifikat bedeutet nur, dass die Ausbildung den
Ansprüchen der IHK genügt. «Wir versehen den Lehrgang mit unserem
Namen, wenn der Anbieter glaubhaft machen kann, dass er Kompetenz und
Erfahrung, ein sinnvolles Konzept und entsprechende Dozenten hat»,
erläutert Walter Ruß von der IHK Kassel-Marburg.

Ob jemand fundierte Kenntnisse über das bereiste Land oder die
Sehenswürdigkeiten vor Ort hat, ist damit nicht garantiert. Dieses
Wissen müssen sich die Reiseleiter selbst aneignen. Nees rät daher,
sich beim Veranstalter schon vor einer Reise darüber zu informieren,
wer einen durch den Urlaub begleiten wird und wie oft er zum Beispiel
schon vor Ort war. Und auch während des Aufenthalts sei es vollkommen
in Ordnung, den Reiseleiter nach seiner Erfahrung und seinen
bisherigen Tätigkeiten zu fragen.

Unabhängig davon kommt es dann noch auf die persönliche Note an:
Manche Menschen kommen bei Kunden besser an, andere schlechter. Wenn
Reisende unzufrieden sind, sollten sie Wagenbrenners Ansicht nach
zunächst dem Gästeführer die Gelegenheit zur Erklärung geben. Kommt
man dabei nicht weiter, könne man sich gegebenenfalls immer noch an
die Tourist-Info oder den Reiseveranstalter wenden.

Übrigens: Ist der Reiseleiter deutlich schlechter als versprochen,
können Urlauber manchmal sogar nachträglich den Reisepreis mindern.
Das Amtsgericht Köln hielt 15 Prozent Minderung für angemessen, weil
eine Reiseleiterin nur mangelnde Informationen lieferte und keine
Motivation zeigte (Az.: 138 C 323-11). Hier kommt es immer darauf an,
welchen Service der Veranstalter versprochen hat.

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