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Auf nach Jamaika – und mit welchen Leuten? Von Tim Braune und Teresa Dapp, dpa

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Die SPD will sich in der Opposition von ihrer historischen Wahlpleite
erholen. Merkel muss sich deshalb mit Liberalen und Grünen an einen
Tisch setzen. Das Gerangel um begehrte Kabinettsposten läuft schon.

Berlin (dpa) – Nach dem Wahl-Beben gibt es nur zwei mögliche
Regierungen: die große Koalition oder Jamaika. Doch die SPD hat einem
erneuten Bündnis mit der Union schon eine Absage erteilt. Mal sehen,
ob SPD-Chef Martin Schulz hart bleibt. Aber sollte es mit CDU, CSU,
FDP und Grünen klappen, wer würde dann Deutschland im Kabinett Merkel
IV regieren? Eine Übersicht:

ANGELA MERKEL (CDU/63): Bleibt Kanzlerin. Auch wenn ihre CDU über
acht Prozentpunkte gegenüber 2013 einbüßte. Merkel dürfte pragmatisch
sein. Kohle-Ausstieg? Könnten die Grünen bekommen. Ausstieg aus
Diesel und Benziner? Eher nicht. Da würden ihr CSU-Chef Horst
Seehofer und die Autolobby aufs Dach steigen. Apropos Seehofer. Er
stürzte in Bayern unter 40 Prozent mit der CSU ab. Ein Jahr vor der
Landtagswahl könnte es ihm besonders schwerfallen, mit den Grünen in
Berlin zu regieren. Das schränkt Merkels Beinfreiheit ein. Aus dem
CDU-Präsidium verlautet, Merkel wolle auf jeden Fall die neue
Regierung in ruhiges Fahrwasser führen. Vielleicht leite sie zur
Mitte der Wahlperiode einen Wechsel ein oder gebe den Parteivorsitz
2020 ab und mache den Weg frei für die Nachfolge zur nächsten Wahl.

WOLFGANG SCHÄUBLE (CDU/75): Die FDP dürfte in Koalitionsverhandlungen
Anspruch auf das Finanzministerium erheben. Die Lammert-Nachfolge als
Bundestagspräsident dürfte für Schäuble eine ernsthafte Option sein.
Der dienstälteste Abgeordnete gilt als leidenschaftlicher
Parlamentarier. Von den vielen Spitzenämtern, die Schäuble in der
Vergangenheit ausgeübt hatte, dürfte ihm der Fraktionsvorsitz bei der
Union am meisten Spaß gemacht haben. Schäuble ist aber auch jemand,
der gern regiert und gestaltet. Und der Umbau der Euro-Zone ist in
den nächsten Jahren eine schwierige und reizvolle Aufgabe.

URSULA VON DER LEYEN (CDU/58): Ihr PR-getriebener Umgang beim
Bundeswehr-Skandal um rechte Umtriebe in der Truppe hat ihr
Macherin-Image angekratzt. Seitdem begegnen ihr viele in der
Bundeswehr mit Misstrauen, sie würde trotzdem gern
Verteidigungsministerin bleiben. Eine wichtige Rolle dürfte sie
jedenfalls auch in Zukunft spielen.

PETER ALTMAIER (CDU/59): Merkels Allzweckwaffe. Auch bei den
Verhandlungen über ein Jamaika-Bündnis und darüber hinaus dürfte er
eine wichtige Rolle spielen dürfte. Ihm wird jederzeit ein
Ministerposten zugetraut.

JOACHIM HERRMANN (CSU/61): Bayerns Innenminister war der
Spitzenkandidat der CSU für die Bundestagswahl. Ziel von CSU-Chef
Horst Seehofer ist es, für Herrmann das Bundesinnenministerium zu
«erobern». Unklar ist, ob das gelingt. Da Herrmann nun trotz seines
ersten Listenplatzes kein Bundestagsmandat erhält, dürfte es für ihn
noch schwieriger werden.

THOMAS DE MAIZIÈRE (CDU/63): In der Flüchtlingskrise geriet der
Innenminister unter Druck, weil es im zuständigen Bundesamt nicht
rund lief. Sollte Finanzminister Schäuble doch seinen Posten räumen,
könnte de Maizière das Haus der Zahlen reizen. In Sachsen war er von
2001 bis 2002 Finanzminister. Ansonsten vielleicht wieder Manager im
Kanzleramt?

ANDREAS SCHEUER (CSU/42): Sollte die CSU in einer künftigen Koalition
drei Ministerien besetzen dürfen, könnte der Generalsekretär von
Seehofer mit einem Ministerposten belohnt werden.

GERD MÜLLER (CSU/62): Die Arbeit des bisherigen
Bundesentwicklungsministers Gerd Müller wird nicht nur CSU-intern
sehr geschätzt. Insofern kann der Schwabe durchaus auf eine
Verlängerung im Bundeskabinett hoffen.

CHRISTIAN LINDNER (FDP/38): Der FDP-Chef trat in der «Elefantenrunde»
nach der Wahl selbstbewusst auf. Lindner, der im Muskelshirt die
coolste Kampagne aller Spitzenleute organisierte, wird – erst einmal
– Fraktionschef der Liberalen im Bundestag.

WOLFGANG KUBICKI (FDP/65): Das einstige «enfant terrible» der
FDP verlässt sein heiß geliebtes Schleswig-Holstein, um in den
Bundestag zu kommen. Nach Lindner ist er unangefochten die Nummer 2
bei den Liberalen. Der Steuerstrafanwalt traut sich auch das
Finanzministerium zu, Wirtschaft oder Innen sind aber auch denkbar.

ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF (FDP/55): Der Liberale mit dem großen Namen
ist der Europa-Experte der FDP und einer der Vize-Präsidenten des
EU-Parlaments. Wäre für das Außenministerium fachlich prädestiniert,
müsste sich aber in Koalitionsverhandlungen erst mal beweisen. Und
wer weiß, ob die FDP das Außenamt überhaupt will oder bekommt.

NICOLA BEER (FDP/47): Die ehemalige hessische Kultusministerin könnte
für das Bildungsressort infrage kommen. Im Wahlkampf trommelten die
Liberalen, Deutschland brauche die weltbeste Bildung. Ihre interne
Konkurrentin um den Posten ist die Hamburger FDP-Frontfrau
KATJA SUDING.

CEM ÖZDEMIR (GRÜNE/51): Parteichef will der Spitzenkandidat nicht
noch einmal werden. Er gilt schon lange als möglicher Außenminister,
aber als Nummer Drei in einer Jamaika-Koalition dürfte das fraglich
sein. Sollten nur zwei Ministerien an die Ökopartei gehen, könnte
Özdemir kaum mit Co-Spitzenkandidatin Göring-Eckardt ins Kabinett –
der linke Parteiflügel würde einen Posten beanspruchen. In so einem
Fall oder wenn Jamaika scheitert, käme der Fraktionsvorsitz für ihn
infrage. Die Grünen wollen aber drei Ministerien.

KATRIN GÖRING-ECKARDT (GRÜNE/51): Die Spitzenkandidatin hat im
Wahlkampf ein «Superministerium» für Verbraucher-, Umwelt- und
Klimaschutz, Landwirtschaft, Energie und Digitalisierung gefordert –
und das solle grün besetzt werden. Von ihr selbst? In Kombination mit
dem Agrar- oder Verkehrsministerium, das zum Beispiel der linksgrüne
Fraktionschef ANTON HOFREITER besetzen könnte, könnte die Ökopartei
dann etwas bewegen. Abgesehen davon hat Göring-Eckardt ein stark
sozialpolitisches Profil, auch das käme infrage. Als mögliche grüne
Entwicklungsministerin wird außerdem CLAUDIA ROTH ins Spiel gebracht.

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