Das Hobby zum Beruf machen. Ein eigenes Café eröffnen. Eine andere
Ausbildung absolvieren. Über einen beruflichen Neustart denken viele
nach, doch nur wenige ziehen es durch. Warum eigentlich? Drei
Menschen erzählen, wie sie den Neustart schafften.
Würzburg (dpa/tmn) – Viele Menschen träumen davon, doch nur wenige
wagen es: Den alten Beruf aufgeben und neu anfangen. Der Grund liegt
auf der Hand: Was im Traum so einfach scheint, wird in der Realität
zur echten Herausforderung. Drei Menschen erzählen, wie sie ihren
persönlichen Neustart geschafft haben.
– Vom Rechtsanwalt zum Stadtführer: Lange hatte Wolfgang Mainka diese
Idee mit sich herumgetragen. Er wollte Besuchern und Einheimischen
originell die Geschichte der Stadt nahebringen. Irgendwann fand er
die richtige Figur: den Nachtwächter. «Eine mythische Figur, mit dem
Nimbus eines Kauzes», erzählt er. 1995 führte er erstmals Freunde und
Verwandte als Nachtwächter durch Würzburg. Der Nachtwächter wurde zu
seinem Hobby. Mainka war Mitte 40, Rechtsanwalt, mit eigener Kanzlei.
Dass einige ihn wegen seines Hobbys belächelten, war Mainka herzlich
egal.
«Am Anfang war es nur eine Gaudi», sagt Mainka, der heute 65 Jahre
alt ist. Irgendwann kamen aber immer mehr Anfragen nach Führungen. In
den Hochzeiten stand er von März bis Dezember an sechs Tagen in der
Woche um 20.00 Uhr vor dem Brunnen am Rathaus. Sein Privatleben
beschränkte sich auf den Sonntag, das war der einzige Tag, an dem er
nicht als Nachtwächter unterwegs war. Und wie so oft, wenn man etwas
mit Herzblut macht, kam irgendwann der Punkt, an dem das Hobby den
Beruf ablöste.
Bei Mainka geschah das fließend: Zunächst gab er die Kanzlei auf und
ging drei Tage pro Woche als angestellter Anwalt zur Arbeit. Nach
zwei weiteren Jahren hörte er ganz auf und widmete sich vollends der
GmbH, die er für den Nachtwächter schon gegründet hatte. Heute hat er
zwölf Mitarbeiter. Neben dem Nachtwächter gibt es mittlerweile auch
Führungen tagsüber. «Die Firma ist gesund, der Umsatz ordentlich.»
Belächelt wird er nicht mehr. Sein Tipp für den Neustart: «Man soll
das machen, was man kann. Talent ist wichtig. Und es braucht Geduld.
Durststrecken muss man einkalkulieren.»
– Von Schildern und Reklame zum Groß- und Außenhandel: Mirco
Hildebrandt aus Lüneburg wollte immer in die Grafik- und Werbebranche
und kreativ sein. Doch nach seinem erweiterten Realschulabschluss
fand er einfach keinen Ausbildungsplatz – weder als Mediengestalter
noch als Webdesigner. So überlegte er sich, es über die Hintertür zu
versuchen. Der damals 16-jährige machte eine Ausbildung zum Schilder-
und Lichtreklamehersteller. «Ich hatte den Wunsch, über diesen Weg in
der Branche Fuß zu fassen.» Doch als er fertig war, mit nun 19
Jahren, zeigte sich schnell: Sein Plan sollte nicht aufgehen.
Ein bis zwei Monate schrieb er Bewerbungen, erhielt Absagen,
überlegte, was jetzt kommen soll. Schließlich entschied er sich für
eine Neuorientierung und holte sein Abitur nach. Das hieß: drei Jahre
Berufsgymnasium. «Der Fokus auf die Wirtschaft brachte mich auf die
richtige Spur», sagt er. Rechnungswesen, BWL, VWL – das machte ihm
Spaß, wie er erzählt. Mit 22 Jahren hatte Hildebrandt eine
abgeschlossene Ausbildung und dazu die allgemeine Hochschulreife. Der
nächste, vermeintlich logische Schritt auf der Leiter wäre nun ein
Studium. Doch Hildebrandt hatte einen anderen Plan im Kopf.
«Ich bin praktisch veranlagt. Ich will nicht nur Theorien haben,
sondern die Dinge auch greifen können», schildert er seine damaligen
Überlegungen. Und es sollte ein Job mit wirtschaftlichem Inhalt sein.
Hildebrandt bewarb sich wieder für eine Ausbildung. Seine Wahl fiel
auf den Groß- und Außenhandelskaufmann. Das war vor über drei Jahren.
Inzwischen hat Hildebrandt auch diese Ausbildung abgeschlossen. Note:
sehr gut. Er ist von seinem Arbeitgeber übernommen worden und strebt
mittlerweile eine Weiterbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt
an. 25 Jahre ist er nunmehr alt. Hat er Zeit verschenkt? Er überlegt,
sagt dann: «Nein, es war ein Entwicklungsprozess.» Sein Tipp für den
beruflichen Neustart: «Es bringt nichts, an etwas festzuhalten, was
nicht klappen will. Man muss einen Plan B haben.»
– Von Wellness und Shiatsu zum eigenen Café: Verena Hintzsche erfüllt
ein Klischee. Viele Menschen, die unzufrieden sind in ihrem Beruf,
träumen von einem Café – und diejenigen, die das wagen, scheitern
nicht selten. Auch Hintzsche, 56, aus Berlin, hat diesen Traum
geträumt. Doch als ihr ein Erbe die finanziellen Möglichkeiten dazu
gab, setzte sie ihn tatsächlich auch um. Allerdings nicht
idealistisch, sondern genau kalkuliert. Sie machte eine Ausbildung
zur Barista und erstellte einen Business-Plan. Und sie wusste, worauf
sie sich einlässt: «Eine 80-Stunden-Woche», sagt sie.
Seit einem Jahr steht sie nun fast immer sechs Tage die Woche in
ihrem Kleinod in einer ehemaligen Kutschendurchfahrt eines Altbaus im
hippen Viertel Berlin-Kreuzberg: «Kaffee Diele», so heißt Hintzsches
wahr gewordener Café-Traum. Es hat nur zwölf Sitzplätze und einen
kleinen Tresen. Das Café ist nicht Hintzsches erster Neustart: Sie
hat in ihrem Leben schon viele Male ihren Beruf gewechselt – das
macht sie gelassen. «Das Leben ist bei einem Job nicht zu Ende», sagt
sie. Sie lernte Industriekauffrau und arbeitete sich in zehn Jahren
zur Verkaufsleiterin hoch. Mit 31 Jahren hatte sie das erste Mal
genug. «Es hat keinen Spaß mehr gemacht.»
Sie ging 20 Monate auf Weltreise. Danach machte sie sich
selbstständig: Zunächst beriet sie Kosmetik-Firmen, danach vertrieb
sie Immobilien, dann arbeitete sie in der Gastronomie. Irgendwann
fiel ihr ein Prospekt zu Shiatsu in die Hände, da war sie 38 – mit 40
war sie ausgebildete Shiatsu-Therapeutin. Sie machte noch eine
Ausbildung zur Wellness-Massagetherapeutin, zum Heilpraktiker in
Psychotherapie und zur Traumatherapeutin. Bis das Erbe kam – und sie
wieder neu startete. Ihr Tipp für den beruflichen Neubeginn: «Wer neu
starten will, muss vorher genau seine Hausaufgaben machen. Kann der
aufgestellte Plan funktionieren und, ganz wichtig, hat man das nötige
Know-how dafür? Ohne das geht es nicht!»