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Zombies im Kinderzimmer – Wenn Filme Kindern Angst machen

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Die Tricks der Filmschaffenden werden immer raffinierter, ihre
Horror-Effekte immer besser, die Präsentation daheim erreicht
Kino-Niveau. Über das Internet ist der Zugriff einfacher denn je. Was
macht das mit der Kinderpsyche?

Düsseldorf (dpa) – Das Grauen kam vom Lerchenberg: Statt «Coco – der
neugierige Affe» lief am frühen Sonntagmorgen der Grusel-Klassiker
«Halloween – die Nacht des Grauens» beim Zweiten Deutschen Fernsehen.
Nach 29 Minuten und einigen Beschwerden wurde der Irrtum korrigiert.
Was beim ZDF ein Ausrutscher war, ist in vielen Haushalten Programm:
Kinder gucken Filme unabhängig von der Altersfreigabe. Für
Medien-Wissenschaftler wie Maya Götz ist das ein größer werdendes
Problem.

Was mit modernen Spielfilmen auf Kinderseelen einprasselt, ist für
die Kleinen schwer zu verarbeiten. ««Die Tribute von Panem», das ist
ein toller Film», sagt Götz. «Aber was viele Eltern nicht wissen: Da
bringen sich Kinder gegenseitig um. Das ist für Kinder als Zuschauer
sehr bedrückend und kann Alpträume erzeugen.»

Besonders gefährdet, hatte Götz mit einer Studie herausgefunden, sind
die Acht- bis Neunjährigen. Von ihnen hat die Mehrheit beim Fernsehen
Angst: 60 Prozent gaben das bei einer Befragung zu. Meistgenannter
Kinder-Angstmacher laut der Studie: Die Serie «The Walking Dead» mit
einer FSK-Altersfreigabe ab 18 Jahren. «Wie kann das sein? Wieso
verhindern die Eltern das nicht?», fragt Götz.

Die Medienwissenschaftler beim Internationalen Zentralinstitut für
das Jugend- und Bildungsfernsehen in München gingen dieser Frage nach
und haben festgestellt, dass die meisten Eltern die FSK-Einstufung
als freundliche Empfehlung unterschätzen: «Dabei ist das der Hinweis,
das Kinder durch den Film in ihrer Entwicklung voraussichtlich
Schaden nehmen, wenn er für sie nicht freigegeben ist», sagt Götz.

Gefährdet seien besonders die jüngeren Geschwister, die mit den
älteren Fernsehen gucken. Die Wissenschaftlerin hat nun mit der
Landesanstalt für Medien NRW eine Unterrichtsreihe für Lehrer
entwickelt. «Das ist angelegt für eine Vertretungsstunde – statt
Schiffeversenken», sagt Götz. Weil Lehrer relativ wenig Einfluss auf
das haben, was Schüler zu Hause treiben, gibt es eine
Elterninformation dazu. «Ideal wäre natürlich ein Elternabend.»

Die Reihe, erschienen im «TV Profiler», soll letztlich Kindern
helfen, mit Ängsten besser und bewusster umgehen zu können, sagt
Jürgen Brautmeier, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW. Darüber
hinaus sollen sie in ihrem Verantwortungsbewusstsein gestärkt werden
– gegenüber sich selbst und anderen – etwa kleineren Geschwistern.

Für die Folgen falschen TV-Konsums hat Götz Fälle gesammelt: «Wir
haben einen 26-Jährigen kennengelernt, der als Sechsjähriger «Der
weiße Hai» sehen durfte – weil sein Opa dachte, es sei ein harmloser
Tierfilm.» Wie tief ihn dieses traumatische Erlebnis beeindruckt hat,
spürt der Student noch 20 Jahre später: «Er hat immer noch
Angstattacken beim Baden in bayerischen Seen.»

Die immer ausgefeiltere Computeranimation macht moderne
Gruselschocker zum echten emotionalen Problem: «Die Monster waren
früher nicht so gruselig, da sah man bei den Mumien das Klopapier und
es krochen auch noch keine Käfer aus dem Mund.» Viele Kinder
reagieren darauf mit Alpträumen: Sie sind der Versuch der Seele,
Gesehenes im Schlaf aufzuarbeiten.

Die Eltern sollten beim TV-Konsum ihres Kindes mindestens in Hörweite
sein um mitzubekommen, was sich die Kleinen reinziehen, rät sie. Wenn
ein Kind sichtbar Angst hat, sollte es mit dieser nicht
alleingelassen werden: «Beruhigen, in den Arm nehmen, Fernseher
ausmachen.»

Ab dem Grundschulalter helfe gegen die Angst auch, auf die Machart zu
verweisen: «Wie geht ein Kinderfilm aus? Gut.» Oder: «Da kommt wieder
böse Musik, hörst du.» «Demaskieren» nennen das die Medienpädagogen.

Schwierig wird es auch für problembewusste Eltern, wenn in harmlosen
Kinderserien plötzlich Verstörendes zu sehen ist: «Bei SpongeBob
taucht plötzlich ein Pirat mit einem Geisterschiff auf, das viele
Kinder gruselt. Bei den Simpsons gibt es eine einzelne
Halloween-Folge, die mit der Altersfreigabe ab 12 eingestuft wurde.

Auch die Klassiker bergen Untiefen: «Die Szene im Disney-Klassiker
«Bambi», in der die Mutter stirbt und Bambi alleine im Wald ist,
macht Vorschulkindern enorme Angst – ist aber damals nicht als
Problem erkannt und mit FSK 0 eingestuft worden.»

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