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Zäher Abschied von der Kreide – Bildungsmesse Didacta in Stuttgart

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Gefühlt ist die Digitalisierung seit zehn Jahren Topthema auf der
jährlichen Bildungsmesse Didacta. Trotzdem kommen Deutschlands
Schulen nicht so recht hinterher. Doch was sind die Gründe dafür?

Stuttgart (dpa) – Whiteboard statt Tafel, Finger statt Kreide, Tablet
statt Schulheft: Die Digitalisierung ist für Deutschlands
Bildungssystem die Herausforderung schlechthin, da sind sich die
Experten bei Europas größter Bildungsmesse, der Didacta in Stuttgart,
am Dienstag einig. Allerdings wissen alle das schon seit Jahren – und
dennoch hinkt Deutschland bei Studien zur Digitalisierung vielen
anderen Ländern hinterher. Noch immer stehen in den Klassenzimmern
mehr Tageslichtprojektoren als Touchscreens. Und die Kreidezeit ist
noch lange nicht vorbei. Die Gründe sind vielfältig:

GELD. Es ist eine Binsenweisheit, dass mit mehr Geld alles viel
schneller ginge. Doch Didacta-Präsident Wassilios Fthenakis betont:
«Allein die Einführung neuer Technologien wird die Bildungsqualität
nicht automatisch verbessern.» Zunächst müssten die Pädagogen in die
Lage versetzt werden, Kindern und Jugendlichen in dem Bereich
überhaupt noch etwas beibringen zu können. Fthenakis lobt die
angekündigten Milliarden, die der Bund ab 2018 in die
Breitbandanbindung, in W-LAN-Zugänge und Endgeräte stecken will.

PÄDAGOGIK. Auch die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz,
Baden-Württembergs Ressortchefin Susanne Eisenmann (CDU), betont:
«Die Technik muss der Pädagogik folgen und nicht umgekehrt.» Die
beste technische Ausstattung bringe nichts, wenn an einer Schule kein
pädagogisches Konzept zum sinnvollen Einsatz vorhanden sei. Daran
arbeite man in den Ländern. Im Gegenzug gibt es Zusagen des Bundes,
dies dann mit Milliarden zu unterstützen – jedoch erst nach der
Bundestagswahl im Herbst.

GRÜNDLICHKEIT. Vielleicht sei es auch die deutsche Gründlichkeit und
Zurückhaltung, die deutsche Schulen zurückgeworfen habe, sagt Saskia
Esken, Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion für digitale
Bildung. Zu oft werde etwa der Datenschutz als Ausrede benutzt.
«Dabei gibt es einen Mangel an Veränderungsbereitschaft.» Man müsse
den Lehrern Mut machen. Einer Studie zufolge nutzt nur jeder zehnte
deutsche Lehrer täglich einen Computer, in Kanada sind es siebenmal
so viele, in den Niederlanden fast sechsmal.

TECHNIK. Schlechte Online-Anbindung, miese Vernetzung und ein armer
Physiklehrer, der sich als Einziger darum kümmert – so beschreibt
Georg Brüster vom Bildungsmedienanbieter Gida die Lage an vielen
deutschen Schulen. «Wir hören häufig von Schulen, die sich zwar mal
ein Whiteboard angeschafft haben. Doch das steht dann irgendwo in der
Ecke, weil sich keiner darum kümmern mag.» England habe vor zehn
Jahren schon so viele Whiteboards an Schulen gehabt wie jetzt hier.

LEHRERFORTBILDUNG. «Es fehlt nicht nur an guten didaktischen
Konzepten», sagt Katja Schwaniger vom Schulbuchverlag Cornelsen,
«sondern auch bei der Lehrerfortbildung». Die Digitalisierung
systematisch in den Universitäten zu thematisieren, sei längst
überfällig.

WILLE. Manche – wie der Bund Freier Waldorfschulen – wollen einfach
nicht, sehen keine Beweise dafür, dass der Einsatz von Digitaltechnik
herkömmlichen analogen Unterrichtsformen überlegen sein soll.
Untersucht worden sei das nie. Lernstoff und Methodik müssten dem
Alter der Kinder angepasst werden. Kontakt mit dem Digitalen sei ab
zwölf Jahren früh genug. «Spätere Medienmündigkeit wird durch frühe
Abstinenz erreicht», berichtet Sprecherin Cecilia Schönstedt aus
Studien. Konsequenterweise wird an diesem Messestand getöpfert.

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