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Wie Sylt Wohnraum für Sylter schaffen will – Alltag in Ferienhäusern

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Die Mieten sind hoch, Wohnraum knapp: Sylt begrenzt nun den Bau von
Ferienwohnungen. So sollen sich auch Einheimische eine Wohnung auf
der Touristeninsel leisten können.

Westerland (dpa) – Ohne Touristen fehlt Geld, mit ihnen fehlen
Wohnungen: Für Sylts 20 000 Einwohner sind die knapp 900 000 Urlauber
pro Jahr eine wichtige Einnahmequelle, aber der Boom hat auch
Nachteile. Da die zahlreichen Feriengäste pro Nacht im Schnitt auch
mehr als gewöhnliche Mieter zahlen, sind günstige und normale
Wohnungen knapp. Die Verwaltung von Deutschlands wohl berühmtester
Urlaubsinsel hat deshalb nun den Bau und die Vermietung von
Ferienwohnungen eingeschränkt.

Die Gemeindevertretung beschloss, dass in Häusern ab 130 Quadratmeter
Größe künftig mindestens 60 Quadratmeter als «Dauerwohnraum» zum
Leben genutzt werden müssen. Diese können auch auf zwei Wohnungen je
30 Quadratmeter aufgeteilt werden und für ihre Bewohner gilt: Im
Sommer ein paar Wochen Sylt reicht nicht. Dieser Grundsatzbeschluss
gilt für Neubauten oder wenn aus einem Wohnhaus ein Ferienhaus werden
soll. Denn immer mehr Menschen wollen ein Ferienhaus auf Sylt.

Die Entwicklung der Immobilienpreise hatte Inselbürgermeister Nikolas
Häckel (parteilos) zuletzt «dramatisch» genannt. Eine Untersuchung
der Verwaltung ergab, Eigentumswohnungen kosteten bereits 2010 mehr
als das eineinhalbfache wie im Jahr 2000, unbebaute Flächen mehr als
das dreifache. Örtliche Makler nehmen für Wohnraum in Top-Lagen
inzwischen mehrere zehntausend Euro pro Quadratmeter, für ein Haus in
Wattlage sind so schnell zweistellige Millionenbeträge fällig.

Jetzt sei eine Entscheidung getroffen worden, «um den Ausverkauf der
Insel zu stoppen», sagte Bürgermeister Häckel zu dem am
Donnerstagabend mit 19 zu 14 Stimmen knapp verabschiedeten Antrag von
CDU und Sylter Wähler-Gemeinschaft. Er soll verhindern, dass die
Insel weiter zu einem reinen Urlaubsort wird.

Denn aktuell müssen nach Angaben der Inselverwaltung täglich bereits
4500 Menschen über den Hindenburgdamm zur Arbeit fahren. Supermärkte
überleben laut Häckel nur mit öffentlicher Förderung, Grundschulen
wurden dicht gemacht. Derweil sehen viele Käufer ihre Sylt-Immobilie
als gute Wertanlage.

Für die Sylter hatte sich Häckel deshalb eine schärfere Regel
gewünscht. Doch für den seit Monaten diskutierten Vorschlag für eine
feste Quote, wonach in allen Häusern künftig mindestens 40 Prozent
der Geschossfläche reguläre Wohnungen sein sollen, gab es keine
Mehrheit. Obwohl solch eine Regelung fairer sei, weil sie alle angehe
und nicht bloß große Häuser betreffe, sagte der Bürgermeister. Er
sprach von einem «schlechten Kompromiss».

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) im Norden, der im Februar vor
einem «Reichenghetto» gewarnt hatte, zeigte sich zufriedener.
«Familien, die schon seit Generationen auf der Insel leben, müssen
ihre Heimat Sylt verlassen. Wir halten den Beschluss der
Gemeindevertretung daher für eine vernünftige Regelung», teilte ein
Sprecher mit.

Sylts CDU-Fraktionschef Wolfgang Jensen sagte: «Die Regelung
berücksichtigt die Eigentümer von Einfamilienhäusern, die auf die
Einnahmen aus der Vermietung angewiesen sind.» So bleibe die Struktur
mit kleinen Ferienhäusern erhalten, hoffte er.

Kritik kommt vom Eigentümerverband Haus und Grund. Der
Landesvorsitzende Alexander Bla?ek sagte, er habe «erhebliche
Bedenken, ob die beschlossene Einschränkung der Rechte der
betroffenen Eigentümer zulässig ist.» Der neue Beschluss könnte zudem
Bürokratie bedeuten, weil nun «die Bauämter mit dem Maßband durch die
Gegend laufen müssten, ob die (…) 60 Quadratmeter eingehalten
werden».

Arne Klein, Makler und Vorstand im Immobilienverband IVD-Nord, sagte:
«Als Makler ist es schade, wenn in das Recht auf Eigentum
eingegriffen wird und einem solch guten Markt ein Riegel vorgeschoben
wird.» Persönlich kann aber auch Klein, der selbst in einer
Ferienregion lebt, die Regel jedoch nachvollziehen: «Wenn Straßenzüge
mehrere Monate im Jahr verwaisen, kann ich so was verstehen.»

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