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 Wenn Kinder sparen lernen

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Die Kaugummis lassen sich mit Karte bezahlen, Amazon bucht direkt ab
und das Konto wird von einer Internetbank ohne Filiale verwaltet: Für
viele Menschen wird Geld immer virtueller. Wird es schwerer, Kindern
den Wert von Geld beizubringen?

Berlin (dpa) – Die wahre Währung in Kindheitstagen war rund, dicklich
und knatschig zwischen den Zähnen. Mit dem Colakracher vom Kiosk ließ
sich der Wert des Taschengelds am besten begreifen: Eine Mark = zehn
Colakugeln, Wechselkurs nicht garantiert. Die Phase mit den
Süßigkeiten währte nicht ewig, die Wünsche wurden größer und das
Taschengeld wurde gespart.

Auch heute haben Kinder noch Sparschweine – aber Geld lässt sich im
Alltag ihrer Eltern seltener anfassen. Kontaktlos bezahlen oder vom
Handy überweisen, heute ist viel möglich. «Wir zahlen viel öfters mit
der Karte», sagt Korina Dörr vom Deutschen Sparkassen- und
Giroverband (DSGV) in Berlin. Gerade beim Online-Shopping merke man,
dass Bezahlen virtueller sei.

«Ich gebe nichts mehr über die Ladentheke», sagt Dörr. Manchmal fehle
es, den Euro wirklich in der Hand zu haben. «Das macht es natürlich
schwieriger.» Auch Erwachsene machten die Erfahrung. Kinder hätten ab
der Grundschule ein Gefühl für Geld, manche früher. Taschengeld
sollten Kinder ihrer Meinung nach ab der 5. Klasse monatlich und
nicht mehr pro Woche bekommen. «Damit man auch lernt, sich das
einzuteilen, und nicht gleich alles auszugeben.»

Sich einteilen, nicht alles ausgeben – Kinder sollen also das Sparen
lernen. Das war auch eine Idee, als Sparkassen vor rund 90 Jahren das
erste Mal zum Weltspartag aufriefen. Der ist am 31. Oktober. In
Zeiten der Nullzinspolitik ist Sparen heute eine schwierige Sache.
Bei Erwachsenen jedenfalls hat sich die Einstellung zu manchen
Geldanlagen ziemlich verändert.

Das Sparbuch zum Beispiel ist nicht mehr das, was es mal war. Laut
Befragung des DSGV halten es weniger Menschen für geeignet, um
Vermögen aufzubauen. Auch der Weltspartag hat nach Meinung von
Kirsten Schlegel-Matthies an Bedeutung verloren. Sie könne sich
erinnern, wie Kinder früher ihr Gespartes zur Bank gebracht und
etwa ein Kuscheltier bekommen hätten. «Das ist, glaube ich, überhaupt
gar kein Anreiz mehr.»

Schlegel-Matthies forscht an der Universität Paderborn und hat
Hinweise für Lehrer zur finanziellen Bildung erarbeitet. Sparen, sagt
sie, sei heute kein Selbstzweck mehr. Denn es stelle sich die Frage,
was einem das bei niedrigen Zinsen bringe. Kinder müssten eher den
Umgang mit Geld lernen, etwa dass Geld nicht einfach aus dem
Automaten komme und man etwas dafür tun müsse.

Nach Angaben des Deutschen Jugendinstituts hat sich das Sparverhalten
von Kindern in den vergangenen 20 Jahren wenig verändert. Kinder
legten prozentual einen ähnlichen Anteil zurück wie früher, sagt
Alexandra Langmeyer. Verändert habe sich die Situation bei manchen
Jugendlichen – sie hätten teilweise schon Schulden bei Eltern oder
Freunden.

«Das scheint etwas mehr zu werden», sagt Langmeyer. Es gebe noch
keine wissenschaftlichen Studien dazu, ob etwa die Kartenzahlung
jungen Kindern das Verstehen von Geld schwerer mache. «Aber ich kann
mir schon vorstellen, dass es eine größere Herausforderung ist zu
verstehen, wenn Geld von einer Karte abgezogen wird.»

Kinder verstünden erst ab einem bestimmten Alter, dass Geld bei einer
Überweisung oder einer Kartenzahlung weg sei, sagt auch
Schlegel-Matthies. Viel virtueller ist Geld ihrer Meinung nach im
Alltag nicht unbedingt. «Geld ist immer noch etwas, was für einen
Großteil der Bevölkerung auch wirklich im Portemonnaie deutlich
sichtbar sein muss.» In nordischen Ländern sei das schon ganz anders.

Dass gerade kleine Kinder manchmal in Vergleichen denken – ob
Colakracher, Fußballbildchen oder Sticker – kennt sie auch. «Die sind
noch in der Welt, was es ihnen wert ist, nicht, was es anderen wert
ist.» Langmeyer vom Jugendinstitut beobachtet auch, dass ganz kleine
Kinder oft noch eine andere Orientierungshilfe haben: «Bei ihnen sind
viele 1-Cent-Münzen viel Geld.

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