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Wenn die Luft raus ist – Innere Kündigung nicht aussitzen Von Elena Zelle

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Anwesend, aber eigentlich gar nicht da: Manche sind im Job nicht
richtig bei der Sache. Sie identifizieren sich nicht mit ihrem
Arbeitgeber und sehen keinen Sinn in ihrer Tätigkeit. Die innere
Kündigung ist die Folge. Abtun sollte man das Problem nicht.

Wiesbaden/Berlin (dpa/tmn) – Schlechte Laune am Montagmorgen,
Egal-Einstellung dem Arbeitgeber gegenüber und höchstens noch Dienst
nach Vorschrift: Wenn es einem so geht, sollten beim Mitarbeiter alle
Alarmglocken läuten. Denn das können Anzeichen für ein ernsthaftes
Problem im Job sein – die innere Kündigung. Höchste Zeit, etwas zu
ändern. Denn wer versucht, die Situation auszuhalten und nichts
unternimmt, riskiert seelische und körperliche Beschwerden.

«Wer innerlich gekündigt hat, identifiziert sich nicht mehr mit dem
Unternehmen», erklärt Anette Wahl-Wachendorf, Vizepräsidentin des
Verbands der Werks- und Betriebsärzte. Der Mitarbeiter ist nicht mehr
mit dem Arbeitgeber verbunden und handelt gegebenenfalls nicht mehr
loyal.

Das Problem der inneren Kündigung scheint nicht gerade selten zu
sein. Das Beratungsunternehmen Gallup hat 1429 Arbeitnehmer befragt
und herausgefunden: 16 Prozent haben keine emotionale Bindung zu
ihrem Unternehmen – sie haben innerlich gekündigt. Laut einer Studie
der von Kassen und Unfallversicherern getragenen Initiative
Gesundheit und Arbeit (iga) unter 381 Personalverantwortlichen
interessiert sich deren Schätzungen zufolge jeder fünfte Arbeitnehmer
nicht mehr für seinen Job und macht nur noch das Nötigste.

Zur inneren Kündigung kommt es nicht von heute auf morgen. Vielmehr
ist das ein schleichender Prozess. «Viele spüren zunächst eine innere
Unruhe und haben das Gefühl, nicht mehr angekommen zu sein», erklärt
die Karriereberaterin Ute Bölke aus Wiesbaden. «Auch sich schon
sonntags vor Montag zu gruseln und schlecht zu schlafen, ist ein
Warnsignal.»

Öfter krank sein, sich selbst und seine Hobbys vernachlässigen, die
schlechte Stimmung aus dem Job auch ins Privatleben tragen, keinen
Sinn mehr in seiner Arbeit sehen – wer derartiges bei sich bemerkt,
gibt besser auf sich Acht. «Ein erstes unangenehmes Gefühl sollte man
nicht dramatisieren, aber wenn sich die Anzeichen häufen, sollte man
etwas unternehmen», sagt Lothar Drat vom Verein gegen psychosozialen
Stress und Mobbing in Wiesbaden.

Bevor man etwas unternimmt, ist Ursachenforschung wichtig.
Wahl-Wachendorf empfiehlt dafür zunächst ein Gespräch – Freunde und
Familie sind erste Ansprechpartner. Professionell unterstützt der
Betriebsarzt. «Wenn das Verhältnis entsprechend vertrauensvoll ist,
empfiehlt sich ein Gespräch mit dem Vorgesetzten.» Betroffene können
sich bei dieser Problematik auch an den Betriebsrat wenden. Das mache
vor allem Sinn, wenn der Grund für die innere Kündigung Probleme mit
dem Vorgesetzten sind, sagt Wahl-Wachendorf.

Die Ursachen können vielfältig sein, sagt Berater Drat. Etwa
Konkurrenz, Neid oder Antipathien unter Kollegen sowie zu viel oder
zu wenig Arbeit oder Aufgaben, die nicht zu einem passen. Ein
zentrales Problem sei aber oft der Führungsstil, genauer gesagt:
mangelnde Anerkennung und fehlendes Feedback vom Chef. Wer aus
solchen Gründen überhaupt nicht mehr gerne zur Arbeit geht, ist
zunächst meist unzufrieden. Dem folgt oft die innere Kündigung. Drat
erklärt aber: «Arbeiten muss nicht nur angenehm sein. Aber es muss
angenehme Elemente haben.»

Wenn das nicht mehr der Fall ist, kann man zunächst versuchen, die
Unzufriedenheit bei der Arbeit über das Privatleben auszugleichen:
Sport treiben, Freunde treffen, sich ein Hobby suchen. «Das Leben
sollte nicht nur aus Arbeit bestehen», sagt Bölke. Wenn man eine
konkrete Ursache im Job ausgemacht hat, lässt sich unter Umständen
auch an der Stelle gegensteuern: Wer sich unterfordert fühlt, kann
vielleicht eine Weiterbildung machen, wem das Feedback fehlt, sollte
das bei seinem Chef einfordern, rät Bölke. Wer sich in seiner
Abteilung unwohl fühlt, wird auf Wunsch vielleicht versetzt.

Das Problem: «Viele Menschen reduzieren genau das, was ihnen
eigentlich guttut, wenn es schwierig wird», sagt Drat. Das
verschlimmert die Situation zusätzlich und ist genau das, was man
keinesfalls tun sollte: aushalten und weiter durchziehen. Manche
Betroffene können nicht mehr schlafen, sind weniger genussfähig,
ständig müde und erschöpft, depressiv verstimmt oder entwickeln sogar
eine Depression. Hinzu können zum Beispiel Magen- und Kopfschmerzen
kommen. «Wer sich stark über die Arbeit definiert und über längere
Zeit keine Wertschätzung erfährt, ist deutlich gefährdeter für
psychosomatische Beschwerden als ein Beschäftigter, der einen
Ausgleich in Freizeit und Familie lebt», sagt Wahl-Wachendorf.

Dann hilft manchmal nur noch eines: Die innere Kündigung in die Tat
umsetzen. Aber Vorsicht: Auch beim neuen Job sollte man sich genau
überlegen, was man will. Wem zum Beispiel
Weiterentwicklungsmöglichkeiten fehlen, sollte beim neuen Arbeitgeber
genau nach den Aussichten fragen – sonst droht erneut die innere
Kündigung.

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