Hannover (dpa) – Niedersachsen ist Agrarland Nummer 1 in Deutschland,
mit VW aber auch Heimatland des größten europäischen Autobauers.
Politiker wie Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier, Sigmar
Gabriel (alle SPD), Christian Wulff oder Ursula von der Leyen (CDU)
starteten ihre Karriere in Niedersachsen. Mal wurde das Land von
einer konservativen CDU/FDP-Regierung geführt, derzeit wieder von
einer rot-grünen Koalition. Nun werden die Karten neu gemischt. Alles
Wichtige zur Wahl:
WÄHLERFAKTEN: Die Abstimmung in Niedersachsen ist die erste
Landtagswahl nach der Bundestagswahl am 24. September. Knapp 6,1
Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen, den neuen Landtag zu
wählen. Der Landtag wird für fünf Jahre gewählt. Landeslisten von 15
Parteien sind zugelassen, vier mehr als 2013. Damals lag die
Wahlbeteiligung bei 59,4 Prozent.
PARLAMENT: Dem niedersächsischen Parlament gehören mindestens 135
Abgeordnete an. Wegen Überhang- und Ausgleichsmandaten gibt es
derzeit 137 Parlamentarier. In 87 Wahlkreisen werden die Abgeordneten
direkt gewählt, die anderen ziehen über die Landeslisten der Parteien
in den Landtag in Hannover ein.
MINISTERPRÄSIDENTEN: Seit Gründung des Landes Niedersachsen stellte
die SPD rund 46 Jahre lang den Ministerpräsidenten, die CDU rund 24
Jahre. Zwischen 1955 und 1959 kam der Regierungschef von der damals
existierenden rechtsgerichteten Deutschen Partei (DP). Stephan Weil,
früher Oberbürgermeister in Hannover, steht seit 2013 an der Spitze
der Regierung, zuvor hielt die CDU den MP-Posten zehn Jahre lang.
KOALITIONEN: Derzeit ist in Niedersachsen zum zweiten Mal eine
rot-grüne Regierung an der Macht. Sie hatte aber nur eine Stimme
Mehrheit, die verloren ging, als die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten
im August völlig überraschend zur CDU wechselte. Die SPD konnte
mehrfach in Niedersachsen mit absoluter Mehrheit regieren. Auch der
CDU gelang das unter Ursula von der Leyens Vater Ernst Albrecht
mehrfach. Immer wieder ging die Union aber auch eine Koalition mit
der FDP ein.
AUSGANGSLAGE: Derzeit sind vier Parteien im Parlament: Die stärkste
Kraft ist seit 2003 die CDU, die bei der letzten Wahl 36,0 Prozent
erhielt. Die SPD fuhr damals 32,6 Prozent ein. Die Grünen erhielten
13,7 Prozent, die FDP 9,9 Prozent. Die Linke schaffte die
5-Prozent-Hürde nicht und verpasste den Wiedereinzug ins Parlament.
SPITZENKANDIDATEN: Ministerpräsident Stephan Weil führt die SPD auch
bei der Wahl im Oktober als Spitzenkandidat an. Seit 2013 ist der
58-Jährige Chef der rot-grünen Koalition. CDU-Herausforderer ist
Bernd Althusmann, der bis 2013 Kultusminister in Niedersachsen war,
dann bei der Wahl aber den Wiedereinzug in den Landtag verpasste. Die
Grünen gehen mit der derzeitigen Fraktionschefin Anja Piel an der
Spitze ins Rennen, die FDP mit dem früheren niedersächsischen
Umweltminister Stefan Birkner. Die Linke wird von der
Physiotherapeutin Anja Stoeck in den Wahlkampf geführt, die AfD von
der Immobilien- und Versicherungsmaklerin Dana Guth.
WAHLKAMPFTHEMEN: Größter Streitpunkt ist die Schulpolitik: SPD und
Grüne betonen Bildungsgerechtigkeit, die SPD verspricht etwa, die
kostenlose Schülerbeförderung bis Klasse 13 auszubauen. Die Grünen
wollen die Schulsozialarbeit fördern. Dagegen plädiert die CDU für
Leistung: In den Grundschulen sollen ab Klasse 3 wieder überall Noten
gegeben werden, außerdem soll wieder empfohlen werden, ob die Kinder
auf Gymnasium, Real- oder Hauptschule wechseln sollen. FDP und CDU
wollen auch mit dem Versprechen punkten, mehr Polizisten
einzustellen. Die Grünen setzen darauf, die Wende in der
Landwirtschafts- und Energiepolitik voranzubringen. So wollen sie
etwa den Bau von 40 000 Ladesäulen für E-Autos vorantreiben.
UMFRAGEN: Die CDU lag in den Umfragen zunächst weit vor der SPD,
verlor dann aber kontinuierlich. In den letzten Erhebungen der
Forschungsgruppe Wahlen (Donnerstag/ZDF) und des Instituts Civey
(Freitag/«Spiegel Online») rutscht sie mit 31,8 bis 33 Prozent hinter
die SPD mit 34,5 bis 34,6 Prozent. Die Grünen und die FDP kommen auf
8,5 bis 9 Prozent, die AfD liegt bei 7 bis 7,8 Prozent. Die Linke
muss mit 5 bis 5,7 Prozent um den Einzug in den Landtag zittern.
OPTIONEN: Nach den aktuellen Umfragezahlen reicht es derzeit weder
für eine Fortführung von Rot-Grün noch für eine CDU/FDP-Koalition.
Vier Optionen sind damit zurzeit rechnerisch möglich: eine große
Koalition; ein Jamaika-Bündnis mit CDU, FDP und Grünen; eine
Ampel-Koalition mit SPD, FDP und Grünen – für Rot-Rot-Grün reicht es
in der einen Umfrage knapp nicht, in der anderen gerade so.
Eine große Koalition ist für CDU-Chef Althusmann eine Option,
SPD-Chef Weil bezeichnet sie als «extrem unwahrscheinlich». Einer
Jamaika-Koalition stehen CDU, FDP und Grüne ablehnend gegenüber,
zudem ist das Klima zwischen Grünen und CDU durch den Wechsel der
Abgeordneten Twesten vergiftet. Mit einer Ampel-Koalition könnte die
SPD sich an der Macht halten, diese Konstellation hat die FDP aber
klar abgelehnt. Rot-Rot-Grün hat Weil nicht ausgeschlossen.