SDS-newsline Onlinezeitung

Träge Medien kommen auf Trab: Was Schulbücher heute leisten müssen

| Keine Kommentare

Auf der Bildungsmesse Didacta wird kommende Woche das beste Schulbuch
prämiert. Die Medien werden inzwischen oft durch digitale Angebote
ergänzt. Wichtig ist aus Sicht von Forschern auch, dass sie die
Lebenswelt der Kinder widerspiegeln.

Braunschweig (dpa) – Längst bestimmen Smartphones und Tablets unseren
Alltag. Problematisch wird es, wenn Schulbücher dieser Wirklichkeit
hinterherhinken. Denn neue Auflagen mit inhaltlichen
Weiterentwicklungen dauern oft etwas. «Schulbücher werden gemeinhin
als träge Medien bezeichnet», sagt Eckhardt Fuchs, Direktor des
Georg-Eckert-Instituts (GEI) in Braunschweig. Dennoch sieht der
Professor für Historische und Vergleichende Bildungsforschung
positive Beispiele. Auf der Bildungsmesse Didacta in Hannover
verleiht sein Institut an diesem Dienstag mit der Bundeszentrale für
politische Bildung und dem Didacta Verband den Preis «Schulbuch des
Jahres».

Für den Bildungsforscher stehen digitale und traditionelle analoge
Medien nicht in Konkurrenz, sondern ergänzen sich. Bei den
Nominierungen für den Preis «Schulbuch des Jahres» seien vor allem
ergänzende Materialien wie Arbeitsblätter, DVDs und Internet-Links
aufgefallen. Als Beispiel nennt Fuchs das «Mbook Geschichte» von
Cornelsen, bei dem die Verlinkung mit frei verfügbaren Materialien im
Netz herausragend sei. Das mache das Fach Geschichte spannend.
Erweiterungen wie QR-Codes seien zudem längst im Einsatz.

In der Bildungslandschaft hierzulande sei auch «cloud computing»
gerade eine heißes Thema, sagt Fuchs. Dabei sollen langfristige und
verlässliche Strukturen entstehen, über die Lehrer und Schüler mit
digitalen Medien orts- und geräteunabhängig arbeiten können. Die
Cloud-Lösungen funktionieren laut Fuchs ähnlich wie bekannte Angebote
wie zum Beispiel Dropbox. Weil sie aber vom Land oder Bund betrieben
werden, bieten sie im Vergleich zu profitorientierten Angeboten
Vorteile in Bezug auf die Datensicherheit. «Schwieriger gestalten
sich die Fragen nach den Inhalten, die zukünftig in der Cloud für
Bildungszwecke zur Verfügung stehen», meint Fuchs.

Dass die Digitalisierung die Gestaltung von Unterricht verändert und
erweitert, sei heute klar, sagt Ilas Körner-Wellershaus, Leiter beim
Ernst Klett Verlag. Noch gebe es aber kein Rezept, wie ein digital
gestützter Unterricht aussehen müsse, um das Lernen nachhaltig
positiv zu beeinflussen.

Für den Braunschweiger Lehrer Sebastian Staak reagieren die Verlage
zu langsam auf Veränderungen. «Wir haben eine Schülergeneration, die
anders liest als vor zehn Jahren», sagt Staak. «Darauf gehen die
Verlage noch nicht ein. Sie entwickeln sich zwar langsam, hätten aber
schon mehr schaffen können.» Sein Alltag sei noch entfernt von
multimedialen Lernlandschaften, es dominierten Arbeitsblätter auf
Papier: «Wir Lehrer kopieren ganze Regenwälder leer.»

Tomke Dreier, Lehrerin in Seesen, sagt: «Im Zuge der Inklusion muss
auch das Schulbuch differenziert aufgebaut sein.» Wichtig sei, dass
Bilder die Texte unterstützen und sinnvoll ergänzen. Oft hätten die
Bilder leider keinen Bezug zu den inhaltlichen Schwerpunkten.

Als positive Entwicklung sieht Bildungsforscher Fuchs, dass
Schulbücher besonders in der Kategorie Sprache zunehmend realistische
Bilder vermitteln, etwa indem Kinder mit Schulproblemen auftreten.
Auch familiäre Konflikte würden aufgegriffen. «Die Schulbücher
sensibilisieren interkulturell, beschäftigen sich mit Alltagsfragen
oder greifen Jugendsprache auf», sagt Fuchs. In Zukunft werde
zunehmend auch die Erwartung an die Bildungsmedien gerichtet, die
Diversität der Schülerschaft zu spiegeln und religiöse sowie
kulturelle Fragen anzusprechen. «Im Klassenzimmer sitzen junge
Menschen, die unterschiedliche Sichtweisen auf die Geschichte und
verschiedene Erfahrungen zu Lebensweisen und Familienkonstellationen
aus ihren Elternhäusern mitbringen», sagt Fuchs.

Häufig seien Minderheiten allerdings noch als neu, anders oder fremd
markiert. Die Politik habe zwar schon Weichen dafür gestellt, dass
die Vielfalt in den Materialien und Lehrplänen vorkommt. In der
Praxis sei das aber noch nicht angekommen, auch weil die Lehrerschaft
und damit die Autoren von Schulbüchern noch sehr homogen seien. «Die
Bücher werden sich aber erst so richtig verändern, wenn Menschen
unterschiedlicher Prägung an ihnen mitschreiben», meint der Forscher.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.