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«Tadle nur, wenn du helfen willst» – Schulleiter lernen vom Kapitän Von Bettina Grönewald

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Kriegt man Lehrer von Bord, die schlechten Unterricht machen? Können
Schulleiter etwas von einem Kapitän lernen? Der Deutsche
Schulleiterkongress gibt Antworten auf ungewöhnliche Fragen.

Düsseldorf (dpa) – Auf einem Schiff im tosenden Ozean ist gute
Führung überlebenswichtig. Deswegen ist Kapitän Klaus Heinrich Block
genau der richtige Referent für den Deutschen Schulleiterkongress.
Wegen ungewöhnlicher Tipps von Praktikern aus ganz anderen Berufen
kommen jedes Jahr über 2000 Schulleiter zu dem Kongress, der am
Freitag in Düsseldorf offiziell eröffnet wurde.

Der nach Angaben der Veranstalter größte Fachkongress für Schulleiter
im deutschsprachdigen Raum bildet in seinem Themenfächer eine riesige
Palette von Schulproblemen ab, die auch viele Pädagogen zunehmend
überfordern. So erklärt etwa der Bildungsforscher Prof. Michael
Schratz von der Universität Innsbruck, wie gute Leitung zu besseren
Leistungen bei Schülern und im Kollegium führt.

Ein Burn-out-Experte erläutert, wie überforderte Lehrer im Alltag
«brennen statt ausbrennen». Ein anderer Schul-Experte verrät in
seinem Vortrag unter dem Titel «Hätt‘ ich mal», wie Lehrer sich
schlagfertige Reaktionen auf schwierige Konfrontationen mit
aufmüpfigen Schülern, Kollegen oder Eltern antrainieren können.

Auch Kapitän Block hat dafür aus seinem Alltag an Deck eine Menge
Tipps parat. Anhand von Videos mit wogenden Schiffen in
aufgepeitschter See, sinkenden Pötten, von Frachthaken
herunterklatschenden Jachten und wegbrechenden Containern erklärt er
den gespannt lauschenden Pädagogen, wie dramatisch Führungsfehler
sein können.

Viele Führungsprinzipien, die der 63-jährige Frachtschiffkapitän auf
hoher See gelernt hat, hält er für übertragbar auf das Schulleben.
«Ein erfahrener Kapitän beobachtet und hört zu und schreitet nur ein,
wenn etwas schiefzugehen droht», schreibt er den Schulleitern ins
Stammbuch. «Sie müssen sich da nicht profilieren.»

Nachdenklich Gesichter rufen auch Empfehlungen hervor wie: «Nutze die
Kontrolle als Chance zum Lob. Tadle nur, wenn du helfen willst. Wenn
Du hilfst, kann mehr geleistet werden und beide gewinnen.» Zweck der
Führung sei schließlich Motivation. Der schlimmste Fehler: «Wenn
Leute vorgeführt werden – vor allem aus anderen Kulturkreisen – ist
das ein unverzeihlicher Gesichtsverlust.»

Grundsätzlich fühlen sich die meisten Lehrer in ihrem Beruf gar nicht
unwohl. Das spiegelt eine repräsentative Befragung wider, die der
Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) im vergangenen Jahr in
mehreren Bundesländern in Auftrag gegeben hatte. Demnach sagten über
90 Prozent der befragten Lehrer, sie machten ihre Arbeit gerne.

Dennoch sieht der Kongress-Veranstalter und VBE-Vorsitzende Udo
Beckmann viele Baustellen. So seien Lehrer in den Schulen zunehmend
mit chronisch kranken Kindern und der Bitte von Eltern konfrontiert,
während des Schultages Medikamente zu verabreichen. Dies habe unter
anderem mit der wachsenden Zahl oft schlecht versorgter
Migrantenkinder und behinderter Kinder in Regelschulen zu tun.

«Lehrer begeben sich damit in eine rechtliche Grauzone», warnt
Beckmann. Gemeinsam mit dem Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte
fordert der VBE eine Gesundheitsfachkraft für jede Schule. In Hessen
und Brandenburg liefen bereits Modellprojekte.

Gesundheit ist auch das Kongressthema des Arztes und TV-Moderators
Eckart von Hirschhausen sowie des Mediziners Prof. Dietrich
Grönemeyer. Grönemeyer plädiert dafür, Gesundheitsunterricht schon in
Grundschulen einzuführen. Auch für Hirschhausen ist Bildung der
Schlüssel für ein gesundes Leben. Hier seien deswegen auch Lehrer
gefragt. «Schulen sind Lebenswelten, wo Menschen erreicht werden
können.»

Mancher Schulleiter grübelte, wie er das neu erworbene Wissen zuhause
anwenden kann. Ganz direkt fragt etwa eine Schulmanagerin Kapitän
Block: «Was mache ich denn mit Lehrern, über die es ständig
Beschwerden gibt und die schlechten Unterricht machen?» Dafür hat der
Seebär eine einfache Antwort parat: Bevor «eine ganze Herde krank»
werde, müsse man sich eben von einem trennen, der nicht zu motivieren
sei. Für die Schulleiter allerdings kein Patentrezept: «Entlassen
können wir aber nicht», schallt es ihm entgegen.

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