SDS-newsline Onlinezeitung

Streit um Schulpolitik – Wiedervorlage für nächste Bundesregierung? Von Werner Herpell, dpa (Foto – Archiv)

| Keine Kommentare

Bildung ist eines der Topthemen im Superwahljahr. Heftig umstritten
bleibt, wie sehr der Bund den Ländern in der Schulpolitik helfen und
Einfluss nehmen darf. Der Bundesrat stellt das «Kooperationsverbot»
nun auf den Prüfstand. Auf Wiedervorlage für die nächste Regierung?

Berlin (dpa) – Vor fast sechs Jahren fand Frank-Walter Steinmeier,
damals noch als SPD-Fraktionschef im Bundestag, selbstkritische Worte
über die 2006 von seiner Partei mitgetragene Grundgesetzregelung zur
Bildungspolitik. «Wir haben geirrt. Das Kooperationsverbot war
Blödsinn, es muss weg», sagte der heutige Bundespräsident.

Bis heute sorgt dieser Passus dafür, dass der Bund wenig Einfluss auf
die Schulpolitik der Länder hat, insbesondere nicht durch die
Finanzierung von Bildungsmaßnahmen. Ein Aufreger im Wahlkampf – und
auch am Freitag in der letzten Länderkammer-Sitzung vor der Wahl. Im
Bundesrat prallten die Fronten noch einmal aufeinander.

Ob das Kooperationsverbot die nächste Legislaturperiode in einer
neuen großen Koalition oder einem anderen Regierungsbündnis überlebt,
ist offen. Die derzeitige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka
(CDU), Schutzpatronin starker Länder-Kompetenzen in der Schulpolitik,
wird dem künftigen Kabinett möglicherweise nicht mehr angehören.

Potenzielle Juniorpartner in einer vermutlich wieder unionsgeführten
Regierung – SPD, FDP, Grüne – wettern gegen die bisherige
Grundgesetzregelung, die Linkspartei sowieso. Eine gewisse Lockerung
des Kooperationsverbotes mit der jüngsten Neuregelung der
Bund-Länder-Finanzbeziehungen genügt ihnen nicht.

Die Gegner verweisen auf marode Schulgebäude und Lehrermangel, die
Bildungsintegration von Flüchtlingen und behinderten Kindern, die
dringend notwendige digitale Aufrüstung des Unterrichts, den Ausbau
der Ganztagsschulen für mehr Bildungsgerechtigkeit. Und all das bei
oft leeren Länder-Kassen und einer harten Schuldenbremse ab 2020.

Die von SPD, Grünen und Linken regierten Länder Berlin, Brandenburg,
Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen wollen
nun keine Trippelschritte mehr akzeptieren. Sie fordern «die
Bundesregierung auf, mit den Ländern in Gespräche über eine Änderung
des Grundgesetzes einzutreten, durch die das Kooperationsverbot
zwischen Bund und Ländern in der Bildung aufgehoben wird». Der
Entschließungsantrag wird in den Fachausschüssen weiter diskutiert.

Gefragt sei ein «kooperativer Bildungsföderalismus», der die
Länder-Verantwortung in der Schulpolitik wahrt, dem Bund aber mehr
finanzielle Einflussoptionen gibt, betonten SPD-Politiker in der
Bundesratssitzung. So räumte der niedersächsische Ministerpräsident
Stephan Weil – wohl auch zur Beruhigung der Unions-Kollegen – ein:
«Ein Bundesschulamt wäre sicherlich ein mittlerer Alptraum.»

Für die Unionsseite warnte Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich
gleichwohl davor, die Bildungskompetenzen auf den Kopf zu stellen.
«Wer die Musik bezahlt, der bestimmt auch, was gespielt wird», sagte
der CDU-Politiker. Im übrigen sei das Thema «für ein Strohfeuer im
Wahlkampf viel zu wichtig».

Bayerns CSU-Kultusminister Ludwig Spaenle beharrt ebenfalls auf der
Grundgesetzregelung: «Die Letztverantwortung der Länder für die
schulische Bildung hat sich bewährt. (…) Eine Vermischung der
Verantwortung zum Beispiel von Bund und Ländern verführt dagegen
leicht dazu, Verantwortung hin- und herzuschieben.»

Auch die amtierende Bundesbildungsministerin Wanka bekräftigte am
Freitag sogleich ihre Ablehnung des Antrags der sieben Länder: «Der
Bund kann nur finanzielle Verantwortung übernehmen, wenn er auch
inhaltliche Verantwortung trägt. Wer nach dem Bund als Zahlmeister
originärer Länderaufgaben ruft, macht sich selber klein.»

Beide Seiten bemühen in der seit Jahren schwelenden, im Superwahljahr
2017 zugespitzten Debatte aktuelle Studien zur Schulpolitik – davon
gibt es schließlich mehr als genug. Und auch die am Sonntag zur Wahl
stehende CDU-Kanzlerin tauchte in der Debatte auf – mit Angela
Merkels knapp zehn Jahre altem Zitat von einer «Bildungsrepublik
Deutschland».

Ob und wie das Kooperationsverbot den 2008 versprochenen finanziellen
Kraftakt für die Schulen behindert, dürfte also in der nächsten
Legislaturperiode Konfliktstoff für Bundesregierung, Bundestag und
Bundesrat liefern. Ein exotisches «Orchideenthema» wie einst ist die
Bildungspolitik nach diesem Wahlkampf jedenfalls nicht mehr.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.