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Rumoren an der Basis: Unionsanhänger grenzen sich von Merkel ab Von Wolfgang Jung

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Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl schließen sich Konservative in
der Union zusammen. Sie wollen «das Interesse des deutschen Volkes»
schützen. Nicht nur diese Formulierung erinnert an die AfD. Nutzt die
Initiative am Ende dem politischen Gegner?

Schwetzingen (dpa) – Es ist eine seltene Provokation gegen die eigene
Parteiführung, nur sechs Monate vor der Bundestagswahl. Aus Protest
gegen die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
gründen unionsinterne Kritiker an diesem Samstag in Schwetzingen
(Baden-Württemberg) einen bundesweiten Dachverband. Es rumore an der
Basis von CDU und CSU gewaltig, sagt Organisator Alexander Mitsch.

«Ich habe eine dreistellige Zahl von Emails mit fast demselben Tenor
erhalten: Es wird Zeit, dass die CDU ihren konservativen Flügel
stärkt», sagt der Diplom-Kaufmann. Zu den Kernforderungen des
geplanten Verbands namens Freiheitlich-konservativer Aufbruch in der
Union (FKA) zählt eine Wende in der Flüchtlingspolitik. Bekanntester
Unterstützer dürfte Hessens ehemaliger Kultus- und Justizminister
Christean Wagner sein, der in Schwetzingen eine Rede halten soll.

Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Thomas Strobl zeigt sich
wenig begeistert von dem Projekt. «Die Türen und Fenster in der CDU
stehen weit offen: Wer sich inhaltlich einbringen will, ist dazu
herzlich eingeladen», sagt der Innenminister von Baden-Württemberg.
Niemand müsse sich absondern. «Wir haben am Samstag einen
mitgliederoffenen Landesparteitag – wer etwas ansprechen möchte, kann
das dort tun.»

Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl steht die CDU unter Druck.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz verschafft dem politischen
Konkurrenten verbesserte Umfragewerte. Und nun gründet sich auch noch
eine parteiinterne Bewegung als Sammelbecken für Unzufriedene – mit
einigen Positionen, bei denen die Grenze zur AfD durchlässig wird.

Schon der Zeitpunkt kann als Affront verstanden werden. Während sich
die baden-württembergische CDU am selben Tag beim Landesparteitag in
Sindelfingen auf die Bundestagswahl einschwört, wollen die
«Unionsrebellen» in Schwetzingen fordern, dass die Partei «das
Interesse des deutschen Volkes stärker berücksichtigt». Im Palais
Hirsch erwartet Mitsch etwa 70 Vertreter konservativer Initiativen.

Dem 49-Jährigen aus Heidelberg zufolge möchte der «Aufbruch» vor
allem eins: «enttäuschten Mitgliedern wieder eine Heimat geben». Auch
er selbst sei lange ein Anhänger Merkels gewesen. Doch die
Griechenland-Hilfe und die Migrationspolitik hätten ihn von der
Kanzlerin weggeführt – und zur AfD hingeführt?

«Nein», sagt Mitsch. «Die AfD hat Positionen übernommen, die die
CDU/CSU aufgegeben hat.» Die Positionen würden nicht falsch dadurch,
weil die AfD sie jetzt vertrete. Mitsch spricht von einer «klaren
Abgrenzung» zur AfD, andere sehen eher einen schmalen Grat.

«Die Schnittmenge zur AfD ist groß», sagt der Freiburger Politologe
Michael Wehner. Es sei die Frage, ob am Ende nicht Rechtspopulisten
von der neuen Bewegung profitieren. Den Zeitpunkt der Gründung – vor
der Wahl – hält Wehner für «völlig ungünstig». «Einfluss nehmen zu
wollen ist legitim, aber es ist ein falsches Signal», sagt der
Experte der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg.

Als Vorbild für ihre Initiative nennen die Organisatoren gerne den
früheren Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876-1967) und dessen
christlich-soziale und liberale Wurzeln. «Ich kann mir gut
vorstellen, dass er unseren Idealen nahesteht», sagt Mitsch. Wehner
stößt das bitter auf. «Das ist eine populistische Vereinnahmung der
Nachkriegs-Gründerfigur der CDU», meint der Politologe. Und auch
Sven-Georg Adenauer, ein Enkel Konrad Adenauers, wirkt irritiert. Er
habe bei der Verwendung des Namens ein «gewisses Unbehagen», sagt der
CDU-Landrat von Gütersloh. «Bei mir hat sich niemand gemeldet.

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