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Physik mit dem Smartphone in der Salatschleuder

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In Deutschland gilt die Aversion gegen Mathe und Naturwissenschaften
als gesellschaftsfähig. Wie kann man Schüler dafür begeistern? Indem
sie den Alltag mit neuen Augen betrachten?

Aachen (dpa) – Für Fernsehmoderator Frank Plasberg war Mathe in der
Schule ein Angstfach, wie er mal erzählte. Und SPD-Kanzlerkandidat
Martin Schulz bekam einst den Rat von seinem Mathelehrer: «Mit Mathe
wird das nichts, Schulz. Werd Politiker!». In Deutschland sind solche
Bekenntnisse gesellschaftsfähig. Man kokettiere sogar ein bisschen
damit, sagt der Vorsitzende des Fachlehrerverbands zur Förderung des
mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts (MNU), Gerwald
Heckmann. Viele seien der Ansicht: «Nicht schlimm, wenn man da nicht
so gut ist.»

Tatsächlich kämpft Deutschland mit einem eklatanten
Arbeitskräftemangel im Bereich der Mathematik und
Naturwissenschaften. Und zwar vor allem in den nicht-akademischen
Berufen, wie das Institut der Deutschen Wirtschaft kürzlich
festgestellt hatte. Um mehr junge Menschen für solche
Ausbildungsberufe zu gewinnen, komme es vor allem auf die schulische
Bildung an.

Bei seinem Bundeskongress (6.-10. April) in Aachen berät der Verband
zur Förderung der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik,
Naturwissenschaft und Technik) mit mehr als 1000 Fachlehrern darüber,
was zu tun ist. Ein Drittel des Unterrichts müsse auf diesen Bereich
entfallen, betont Verbands-Chef Heckmann. Was natürlich bei dem
Mangel gerade an Physiklehrern nicht immer ganz einfach sei.

Es geht auch um einen zeitgemäßen Unterricht. Beim letzten weltweiten
Schulvergleichstest PISA blieben die deutschen Schüler 2015 bei
Mathematik und Naturwissenschaften mit ihren Leistungen im oberen
Drittel der Ranglisten, erzielten aber schlechtere Ergebnisse. Der
Bericht hielt auch fest, dass der Bezug zur alltäglichen Lebenswelt
der Schüler in den Fächern scheinbar eine geringe Rolle spiele.

Salatschleuder und Smartphone im Physikunterricht? Für die Aachener
Mathematik-Professorin Johanna Heitzer ist das so ein
Unterrichts-Beispiel mit Alltags-Bezug. «Mit der richtigen App auf
dem Handy können Sie das Handy in die Salatschleuder tun und das kann
seinen Aufenthaltsort, die Geschwindigkeit und die auf das Handy
wirkende Kräfte direkt messen und auswerten», sagt die
Kongressleiterin von der RWTH Aachen.

Echte Flugrouten als Grundlage für die analytischen Geometrie,
Computersimulationen, die chemische Reaktionen auf Teilchenebene
sichtbar machen, sind weitere Möglichkeiten. «Der Kongress lebt von
Ideen aus dem realen Unterricht», sagt die Wissenschaftlerin an der
RWTH Aachen. Der Kongress spornt Nachwuchslehrer an, in dem er drei
von ihnen für ihre innovativen Ideen auszeichnet.

Nachwuchslehrerin Nora Simon vom Franz-Stock-Gymnasium in Arnsberg
ist Preisträgerin des vergangenen Jahres: Sie hat für den Unterricht
einen QR-Code entwickelt, den man normalerweise als verschlüsselte
Produktinformationen kennt. Wenn die Schüler diesen zweidimensionalen
Code mit ihrem Smartphone entschlüsseln, finden sie etwas viel
Wertvolleres: Hinweise zur Lösung ihrer Matheaufgaben.

Mathematik und Naturwissenschaften gelten als schwierig. Der Verband
will die Anforderungen in den einzelnen Altersstufen objektivieren.
Wie bei den Sprachen schon üblich sollen Fortschritte und Lernerfolge
mit einem Level ausgewiesen werden. Angestrebt werde ein europäischer
Referenzrahmen, sagt Heckmann. Eine Definition, welches
Leistungsniveau in welcher Altersstufe erreicht werden sollte.

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