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Mit dem Anwalt an die Uni – Einklagen in den Wunschstudiengang Von Julia Ruhnau

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Für manche ist der Weg zum Traumberuf schon nach der Schule vorbei.
Der Abischnitt reicht nicht für den Wunschstudiengang, oder man hat
den Auswahltest der Uni nicht bestanden. Wer trotzdem studieren will,
kann es dann noch mit einer Studienplatzklage versuchen.

Münster (dpa/tmn) – Abi, Hochschulbewerbung, ein paar Ablehnungen,
eine Zusage – so sieht bei vielen Studenten der Weg zum Studium aus.
Doch was, wenn nur Absagen kommen? Wenn man für den Traumstudiengang
nicht zugelassen wird? Man kann es erneut probieren, warten, sich
umorientieren – oder klagen. Denn theoretisch hat laut Grundgesetz
jeder das Recht, seinen Beruf frei zu wählen und das entsprechende
Studium zu machen.

«Studienfreiheit heißt, dass sich jeder aussuchen kann, an welcher
Uni er studieren will», erklärt Rechtsanwältin Mechtild Düsing
Artikel 12 des Grundgesetzes. Bewerber brauchen nur einen
entsprechenden Schulabschluss und die Hochschulen müssen genügend
Plätze haben. Hier liegt der Ansatzpunkt für eine Klage. «Es gibt
einen Anspruch auf Ausschöpfung der Studienplatzkapazität bis zur
Grenze der Belastbarkeit», erklärt Düsing. Heißt: Die Hochschulen
müssen so viele Studenten aufnehmen, wie es aufgrund ihrer
Ausstattung möglich ist.

Wie viele das sind, ermitteln die Universitäten durch
Kapazitätsberechnungen. Ist die Berechnung falsch und die Uni hat
weniger Plätze angegeben als möglich wären, können Abiturienten auf
einen der unbesetzten Plätze klagen. Am Anfang steht dafür die
reguläre Bewerbung auf den gewünschten Studiengang. Die ist zwar
nicht in allen Bundesländern Voraussetzung für eine Klage. «Wir
empfehlen das aber immer», sagt der Rechtsanwalt Phillip Verenkotte,
der sich auf Studienplatzklagen spezialisiert hat.

Denn viele Verwaltungsgerichte werten die Bewerbung positiv, als
Zeichen dafür, dass man sich bereits ernsthaft um einen Studienplatz
bemüht hat, erklärt der Anwalt. Nach der Bewerbung folgt ein Antrag
auf Zuweisung eines Studienplatzes außerhalb der festgesetzten
Kapazität (AKA). Achtung: Hier gibt es Fristen zu beachten, und die
sind von Universität zu Universität verschieden. Manchmal ist die
Frist schon abgelaufen, bevor der Bewerber überhaupt eine Ablehnung
für den Studienplatz erhalten hat.

Ist der AKA eingereicht, gibt es zwei Möglichkeiten: Er wird
angenommen oder abgelehnt. «Fast alle AKA scheitern», macht
Rechtsanwalt Verenkotte klar. Dann kommt die Klage. Ab hier müssen
sich Bewerber ernsthaft überlegen, ob sie sich einen Anwalt nehmen.
«Man braucht keinen Anwalt, aber die Chance auf Fehler ist sehr
hoch», gibt Rechtsanwältin Düsing ihre Einschätzung ab.

Wer es ohne Anwalt versuchen möchte, kann sich bei den
Studierendenvertretungen einiger Unis beraten lassen. Marcel Zentel
arbeitet bei der Hochschulberatung des Asta an der TU Berlin. Er hat
die Erfahrungen gemacht, dass Klagen auch auf eigene Faust
erfolgreich sein können. «Das ist ein Standardverfahren, wo
hauptsächlich Vordrucke hin und her geschickt werden», ermutigt er
Klagewillige. Die entsprechenden Vorlagen gibt es beim
Verwaltungsgericht. An der TU gibt es jeden Sommer Kurse, bei denen
sich Interessenten über die Einzelheiten informieren können.

Um die 100 Interessenten gebe es jedes Jahr, erzählt Zentel. Eine
offizielle Statistik über Klagen und Erfolgsquoten existiert nicht.
Auch die Kosten variieren von Fall zu Fall und von Bundesland zu
Bundesland. Für Berlin nennt Zentel für den Anfang in der Regel etwa
200 Euro Gerichtskosten plus knapp 500 Euro, wenn die Uni sich von
einem Anwalt vertreten lässt. Rechtsanwalt Verenkotte beziffert die
Kosten für ein einfaches Verfahren inklusive Anwaltshonorar auf etwa
2000 Euro. Werden mehrere Universitäten verklagt, was zum Beispiel in
Medizin fast immer der Fall ist, müsse man mit etwa 1500 Euro pro Uni
rechnen. Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten nur in
Ausnahmefällen.

Ist das Verfahren einmal im Gang, gibt es mehrere Möglichkeiten.
Entweder bietet die Hochschule einen Vergleich an. Das sei vor allem
bei kleinen Studiengängen mit wenigen Klägern häufig der Fall,
erzählt Verenkotte. Wer sich in einen Spezialstudiengang wie Nautik
einklagt, hat also bessere Chancen als ein Zahnmedizinbewerber.
«Manche Unis überbuchen ihre Studiengänge auch», erklärt
Asta-Mitglied Zentel eine Strategie der Universitäten gegen
Kapazitätsklagen. Statt 120 immatrikulieren sie 150 Studierende und
beugen so dem Vorwurf vor, zu wenige Bewerber aufzunehmen.

Auch wenn man das Verfahren gewinnt und die Uni noch Plätze besetzen
muss: Sicher ist das Studium nicht. Denn wenn es mehr Kläger als
Plätze gibt, wird entweder gelost oder es kommen wiederum der
Notendurchschnitt oder Kriterien wie die Wartesemester zum Tragen.
Düsing rät trotzdem, diesen Weg zu versuchen, wenn man den
Studienplatz wirklich will und die Klage finanzieren kann. «Es ist
ein Grundrecht, man muss kein schlechtes Gewissen haben», findet sie.

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