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Marvin hilft Marvin: Körperbehinderte testen Pflegeroboter Von Brigitte Geiselhart, dpa

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Die Hochschule Ravensburg-Weingarten hat einen Assistenzroboter
entwickelt, der das Leben von körperlich eingeschränkten Menschen
erleichtern könnte. Wie sähe das im Alltag aus?

Weingarten (dpa) – Marvin und Marvin verstehen sich schon richtig
gut. Der eine ist 18 Jahre alt, körperlich behindert, sitzt
im Rollstuhl und ist auf Hilfe angewiesen. Der andere ist ein
Roboter, der von der Hochschule Ravensburg-Weingarten in
Baden-Württemberg entwickelt wurde – und der für den Menschen Marvin
Thurner eine echte Unterstützung im Alltag und Haushalt werden
könnte.

Thurner lebt im Internat des Körperbehindertenzentrums Oberschwaben
(KBZO) in Weingarten (Kreis Ravensburg). Er hat eine sogenannte
Infantile Zerebralparese und Tetraspastik. Zusammen mit
anderen Schülern testete er den Prototypen des Pflegeroboters. So
kann Roboter-Marvin dem Mensch-Marvin ein Glas Wasser einschenken
oder ihm einen Apfel reichen.

«Marvin, hol mir Chips aus der Küche und bringe sie mir», sagt Dusan
Zagorac. «Du möchtest, dass ich dir Chips bringe – ist das korrekt?»,
fragt Marvin nach – ein wenig förmlich. «Okay, ich hole das Objekt
Chips und bringe es dir.» Dusan Zagorac ist von Geburt an körperlich
eingeschränkt. Er lebt wie Marvin Thurner im KBZO-Internat und ist
von dem Assistenzroboter begeistert. «Marvin ist eine super Sache»,
sagt der 16-Jährige. Etwas aus einem Regal oder einem Schrank zu
holen oder wieder einzuräumen sei für ihn alleine nicht möglich. Nur
mit der Flaschenöffnungsfunktion hapere es beim Roboter noch etwas,
sagt er. «Aber Marvin ist ja erst der Anfang.»

Entwickelt wurde Roboter Marvin am Institut für Künstliche
Intelligenz der Hochschule. Gerade mit Blick auf Marvins
Alltagstauglichkeit stecke der Teufel aber im Detail, sagt der
Instituts-Leiter Wolfgang Ertel. Trivialwissen, das für Menschen
selbstverständlich sei, müsse im Fall eines Roboters jeweils einzeln
programmiert werden.

So sei es für einen Computer einfacher, jemanden im Schach zu
besiegen, als etwa ein Fenster an der Wand zu erkennen oder die Tür
im Raum zu finden. «Uns mit Roboterprogrammierung zu beschäftigen,
ist unser Beruf, unsere Leidenschaft», sagt Wolfgang Ertel. «Aber
hier haben wir die Möglichkeit, den Menschen direkt in ihrem Alltag
behilflich zu sein. Das ist für uns eine ganz andere Dimension.»

Dass der Bedarf da sei, das steht auch für Projektmitarbeiterin
Barbara Weber-Fiori außer Frage. «Für Menschen mit körperlichen
Behinderungen geht es um den Wunsch nach Selbstbestimmung, nach
Autonomie, auch um das Gefühl der Sicherheit», sagt die
Wissenschaftlerin der Hochschulfakultät Soziale Arbeit, Gesundheit
und Pflege.

Der technische Fortschritt böte eine große Bandbreite von
Möglichkeiten, um das Leben von Menschen mit Einschränkungen
barrierefreier und komfortabler zu machen, sagt auch der
stellvertretende Vorstandsvorsitzende der «Zieglerschen», Rolf
Baumann. Das diakonische Unternehmen aus Wilhelmsdorf (Kreis
Ravensburg) begleitet den Praxistest von Marvin. Technische
Grundlagenforschung, wie sie die Hochschule mit dem Pflegeroboter
betreibe, sei für die Entwicklung solcher Systeme unerlässlich.

Im kommenden Jahr wollen die wissenschaftlichen Mitarbeiter Benjamin
Stähle und Steffen Pfiffner mit Marvin beim «Robocup», dem führenden
Wettbewerb für intelligente Roboter und einem der weltweit
bedeutendsten Technologieevents, antreten. «Marvin ist aber noch
nicht fertig», sagt Professor Wolfgang Ertel. «Unser Ziel ist nicht
die Produktentwicklung, wir wollen nur aufzeigen, was möglich ist,
was geht und machbar ist. Die Industrie hat nun die Chance, den Ball
aufzunehmen.»

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