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Lustig oder lächerlich: Die Guerilla-Bewerbung ist eine Gratwanderung Von Tobias Schormann

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Eine graue Mappe mit Standard-Anschreiben, Lebenslauf und Foto?
Langweilig! Warum nicht mal eine Torte als Bewerbung verschicken oder
sich auf einer Plakatwand präsentieren? Mit der passenden kreativen
Idee fallen Bewerber auf.

Berlin (dpa/tmn) – Als Bewerber muss man aus der Masse herausstechen.
Denn für begehrte Stellen gibt es oft Dutzende von Kandidaten. Mit
einer 0815-Bewerbung kommt man da nicht weit. Mutige Kandidaten
wählen daher eine Guerilla-Taktik und versuchen, mit
unkonventionellen Mitteln in die Offensive zu gehen.

Solche Guerilla-Bewerbungen sind eine hohe Kunst – bestenfalls
beweisen Kandidaten damit, dass sie kreativ sind und offen für neue
Ideen. Alles Punkte, die heute in vielen Berufen gefordert werden.
Und sie zeigen, dass sie sich Mühe gegeben haben, erklärt der
Karrierecoach Bernd Slaghuis aus Köln. «Das hat dann einen
«Wow»-Effekt beim Personaler.» Auffallen um jeden Preise sei aber die
falsche Devise. Denn zwischen genial und genial daneben ist es nur
ein schmaler Grad. Schlimmstenfalls wirkt es einfach nur peinlich.

Der Entertainer Stefan Raab zum Beispiel soll seinen Bewerbungen ein
Glas Honig und einen Pinsel beigelegt haben – so könne sich der
Arbeitgeber den Honig selbst um den Bart schmieren. Klingt lustig,
kann in der Praxis aber leicht schiefgehen: So dürfte der Personaler
einfach nur total genervt sein, wenn er statt einer ordentlichen
Bewerbung ein völlig verklebtes Paket erhält, weil das Glas
dummerweise auf dem Postweg aufgegangen ist.

Auch eine Bewerbung im Blumenstrauß hört sich erst einmal nach einer
netten Idee an – wer bekommt nicht gerne Blumen? Dumm nur, wenn der
Personaler ein paar Tage im Urlaub war und bei der Rückkehr bloß noch
einen vertrockneten Strauß vorfindet. Und wer beim Wunscharbeitgeber
ohne Termin aufläuft, um etwa eine künstlerische Performance
hinzulegen, wird in der Regel am Empfang abgefangen und wieder
hinauskomplimentiert. Sieht meist auch blöd aus.

Einfach nur anders als die anderen zu sein, ist außerdem kein
Einstellungsgrund. Am Ende kommt es auf die Substanz an, erklärt
Slaghuis. Es muss daher einen inhaltlichen Bezug zum Unternehmen
geben. «Sonst zuckt der Personaler nur mit den Schultern», ergänzt
Bewerbungscoach Jürgen Hesse aus Berlin. Bei einer Bewerbung an
Ferrero könne man die Unterlagen beispielsweise in ein Nutellaglas
stecken – das erzeugt Aufmerksamkeit. «Die Verpackung macht’s
schließlich.»

Noch besser: Eine ausgefallene Torte als Bewerbung für eine
Lehrstelle in einer Konditorei vorbeibringen. Oder als technischer
Zeichner mit einem Architekturmodell bewerben. Damit hat der Chef
gleich die erste Arbeitsprobe in der Hand, erklärt Slaghuis.

Ansonsten werden Kreativ-Bewerbungen schnell aussortiert und landen
gleich im Müll, warnt Slaghuis. Das gilt etwa, wenn der Lebenslauf
einfach nur auf Klopapier geschrieben ist oder in einem Pizzakarton
liegt – ohne dass erkennbar wäre, was daran der Gag sein soll. Das
muss für Personaler schnell erkennbar sein. Denn die haben oft keine
Zeit für Spielchen: Viele nehmen sich laut einer Umfrage im Auftrag
der Firma Kienbaum für die erste Durchsicht der Unterlagen maximal
fünf Minuten Zeit.

Zu aufdringlich dürfen Bewerber auch nicht wirken – Twitter-Stalker
etwa nerven Personaler schnell. Und platte Sprüche sind nie witzig,
auch nicht als Bewerbung: Wer einen Silvesterkracher verschickt mit
dem Spruch «Nehmen Sie mich, ich bin der Knaller!», wird höchstens
ein müdes Lächeln ernten.

Einige Kandidaten sind mit ihren ausgefallenen Ideen zu regelrechten
Internet-Berühmtheiten geworden. Einfach kopieren dürfen Bewerber
diese natürlich nicht – sie können aber eine Anregung für die eigene
Jobsuche sein. Fünf Beispiele:

1. Im Unternehmensstil: Bewerber können sich etwa als Katalog im
Firmenstil präsentieren. Wie wäre zum Beispiel eine Bewerbung als
Ikea-Prospekt oder -Gebrauchsanleitung? Es reicht aber nicht, nur die
Firmenfarben oder das Logo in der Bewerbung zu verwenden, sagt
Slaghuis. Alternativ bietet sich eine Spielfigur an, die wie das
Produkt des Wunscharbeitgebers aussieht. Ein Vorbild hierfür ist etwa
die Bewerbung als Lego-Figur von Leah Bowman (http://dpaq.de/SU0c9).
«Das zeigt, dass man sich Gedanken zum Unternehmen gemacht hat und
vielleicht etwas mehr dafür brennt als andere», sagt Hesse.

2. Sich selbst im Onlineshop anbieten: Philippe Dubost aus Paris hat
es vorgemacht: Er hat eine Amazonseite erstellt, auf der er sich
selbst zum Kauf anbot (https://phildub.com/). Seine Referenzen
listete er als Produktbeschreibung auf, Stimmen seiner früheren
Arbeitgeber als Kundenbewertungen.

3. Werbeplakat und Flugblätter: Der Brite Adam Pacitti mietete 2013
von seinem letzten Geld eine Plakatwand für sein Jobgesuch. Darauf
war ein Bild von ihm zu sehen und eine Web-Adresse, unter der
Arbeitgeber mehr über ihn erfahren konnten (http://dpaq.de/Xt7GC).
«Das kann als Hingucker funktionieren», sagt Slaghuis. In einer
Großstadt geht ein einzelnes Plakat aber schnell unter, in kleineren
Städten ist der Werbeeffekt also größer. Ansonsten können Bewerber
auch Flugblätter verteilen, etwa auf einer Messe, gibt Hesse ein
Beispiel.

4. Song oder Video: Warum nicht den Lebenslauf rappen? Nur bewerben
Jugendliche sich damit besser nicht bei Firmen im Musikbusiness, rät
Hesse. Die können solche Sachen womöglich nicht mehr hören. Ansonsten
lässt sich das Werk oder ein Link darauf eventuell auf der
Facebookseite der Firma posten. Ein Ständchen vor dem Fenster ist
dagegen vielleicht keine so gute Idee. Auch ein witziger Film bringt
Personaler womöglich zum Schmunzeln. Matthew Epstein etwa ist bekannt
geworden mit seiner Video-Botschaft auf YouTube an Google, in der er
sich auf ironische Weise als genialen Marketing-Strategen inszenierte
(http://dpaq.de/bqBDw). So etwas darf nur nicht zu lang sein. Der
Vorteil: Ein Video vermittelt zugleich einen guten Eindruck vom
Bewerber.

5. Suchmaschinen-Werbung: Alec Brownstein setzte auf die Eitelkeit
der Chefs seiner Traumarbeitgeber. Er buchte Werbung auf Google, die
immer erschien, wenn diese ihren eigenen Namen in die Suchmaschine
eingaben. Dann erschien etwa der Text: «Hey, Ian Reichenthal, sich
selbst zu googeln macht viel Spaß. Mich einzustellen auch.»
(http://dpaq.de/tGR59). Ein raffinierter Trick – der im Prinzip
natürlich auch mit anderen Suchmaschinen wie Bing funktioniert.

Info-Kasten: Bewerbung muss in wenigen Minuten überzeugen

Ob eine Bewerbung ankommt oder nicht, entscheidet sich oft in wenigen
Minuten. So nehmen sich vier von zehn Personalern (40 Prozent) für
den ersten Check der Unterlagen höchstens 5 Minuten Zeit, wie eine
Umfrage im Auftrag der Firma Kienbaum zeigt. Knapp jeder Zweite (47
Prozent) opfert 6 bis 15 Minuten. Immerhin jeder Sechste (16 Prozent)
findet dabei ein kreatives Design der Bewerbung wichtig oder sehr
wichtig. Im Herbst 2016 wurden 297 Personaler befragt.

Info-Kasten: Kreativbewerbungen nur für die Kreativbranche?

Punkten Jobsuchende in der Kreativbranche am ehesten mit einer
Kreativbewerbung? Nicht unbedingt: Die Mitarbeiter dort sind
womöglich schon völlig übersättigt von Möchtegern-Kreativ-Ideen. Soll
heißen: Ein Personaler in der Kreativwirtschaft könnte schnell
allergisch reagieren, wenn er ein Bewerberfoto erst zusammenpuzzeln
muss.

Info-Kasten: Guerilla-Marketing

Die Bezeichnung Guerilla-Bewerbungen leitet sich vom Begriff
Guerilla-Marketing ab. Er wird dem Amerikaner Jay C. Levinson
zugeschrieben und bezeichnet ungewöhnliche Formen der Werbung. Die
Idee war vor allem für kleinere Firmen gedacht, die mit wenig Kosten
viel Aufmerksamkeit für ihre Produkte erreichen wollen.

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