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Kinder und Algorithmen – in Kitas die digitale Welt verstehen

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Informatik an Kitas: Was sich verrückt anhört, lässt sich spielerisch
kindsgerecht verpacken. Dennoch gibt es dabei aus Expertensicht noch
Baustellen. Nicht nur bei der technischen Ausstattung hapert es.

Berlin (dpa) – Die Waschmaschine ist für die Kinder ein Gerät voller
Geheimnisse. «Da oben kommt das Wasser raus», sagt Erzieherin Kathrin
Kulenisch. Die Kinder, die in einer Kita im Osten von Berlin um das
Gerät herumstehen, starren durch das gläserne Auge der Tür. Dann
fängt die Wäsche in der Maschine zu wirbeln an. «Der Motor dreht die
Pumpe», erläutert die Erzieherin. Die Kleinen sollen lernen, wie die
moderne Welt funktioniert. Es geht darum, die Technik in Geräten zu
verstehen. Bildungsforscher sehen hier Nachholbedarf.

Von außen betrachtet sieht es nach Haushaltsunterricht aus, wenn die
Kinder beim Waschen zuschauen. Im Kern geht es aber um etwas Anderes:
zu lernen, wie die digitalisierte Welt tickt und sie nicht einfach
nur gedankenlos zu konsumieren. Denn Algorithmen – immer gleiche
Abläufe – stecken nicht nur hinter Computern. Kindern sollen sie an
Dingen entdecken, die sie aus ihrem Alltag kennen: etwa beim
Lichtschalter, bei der Klospülung oder bei der Waschmaschine

Im Gruppenraum legt Kathrin Kulenisch Plastikreifen auf den Boden.
Sie symbolisieren die verschiedenen Schritte beim Wäschewaschen und
sollen zugleich spielerisch zeigen, wie Algorithmen funktionieren.
Die Kleinen spielen das nun durch. Ein Kind mimt die Waschmaschine
und gibt Kommandos an das andere Kind, das in die einzelnen Ringe
springt. Jeder der Ringe steht für einen Schritt beim Waschen: Zuerst
Wäsche hineinlegen, dann Waschpulver einfüllen, Programm auswählen
und den Startknopf drücken. Vier Schritte, vier Ringe.

Kathrin Kulenisch hat eine Fortbildung zu diesem Thema besucht.
Hinter dem Angebot steht die gemeinnützige Stiftung «Haus der kleinen
Forscher» in Berlin. Mehrere Tausend Fachkräfte in Kitas,
Grundschulen und Horten sollen bis Ende des Sommers fit darin gemacht
werden, dass Kinder solche Abläufe entdecken können.

Aus Sicht von Bildungsexpertin Eva Reichert-Garschhammer sind
derartige Initiativen längst überfällig – gerade in Kindergärten. Das
sei etwas, das schon länger anstehe, sagt die stellvertretende
Direktorin des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München. Digitale
Bildung sei schon vor mehr als zehn Jahren als Bildungsauftrag in
Kitas verankert worden. Fachleute seien sich uneins gewesen, sagt
sie: Die einen traten für eine frühe Auseinandersetzung mit digitalen
Geräten ein, die anderen sagten, dass junge Kinder in Kindergarten
davon aus Schutzgründen noch ferngehalten werden müssten.

Neben Lesen, Rechnen und Schreiben gilt der Umgang mit digitalen
Medien inzwischen als vierte Kulturtechnik. «Kinder erleben Digitales
als etwas ganz Normales», gibt der Vorstand der Stiftung «Haus der
kleinen Forscher», Michael Fritz, zu bedenken.

Inzwischen ist die Meinung verbreitet, dass die Digitalisierung der
Gesellschaft in Kitas ein Thema sein sollte. Reichert-Garschhammer
sagt dazu: Kinder müssten den kreativen, kritischen und sicheren
Umgang mit digitalen Geräten aktiv erfahren und in Gesprächen
reflektieren. «Und das schon in der Kita, in einem pädagogisch
begleiteten, kindgerechten, risikofreien und zeitlich dosierten
Rahmen.» Die Expertin sieht einen «sehr hohen Qualifikationsbedarf
bei allen pädagogischen Fachkräften».

Im Entwurf ihres Koalitionsvertrags für eine mögliche Bundesregierung
schreiben Union und SPD keine konkreten Maßnahmen dazu fest.
Allgemein heißt es lediglich: Es brauche eine «digitale
Bildungsoffensive, die die gesamte Bildungskette in den Blick nimmt».

In einer von der Stiftung «Haus der kleinen Forscher» in Auftrag
gegebenen Umfrage aus dem vergangenen Sommer hatten sich 75 Prozent
der befragten Erzieher in deutschen Kitas dafür ausgesprochen, dass
Kinder schon in ihren Kitas die Möglichkeit haben sollten, den
verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Geräten zu erlernen.

Nur: Oft fehlt es an solchen Geräten. «Die Ausstattung der Kitas mit
digitalen Medien wird eine der großen Fragen der Zukunft sein», sagt
Reichert-Garschhammer. Sie verweist auf Projekte zur Erforschung des
Tablet-Einsatzes in drei Bundesländern. «Wir brauchen auch WLAN in
den Kitas», fordert sie.

In der Kita in Berlin-Hellersdorf, in der Kathrin Kulenisch arbeitet,
gibt es weder kabelloses Internet noch Tablets. Mit der digitalen
Welt kommen die Kinder vor allem zu Hause in Berührung, besonders mit
den Smartphones der Eltern. «Sie erzählen, dass sie damit spielen.
Das Wort Telefon ist für sie schon gar kein bekannter Begriff mehr.
Sie kennen nur Handy», sagt die 49-Jährige. Ihre Kita versteht sich
deshalb auch als eine Art Entschleunigungszone. Ihre Smartphones
müssen die Eltern in ihren Taschen lassen, wenn sie die Kinder in die
Kita bringen oder abholen. Kathrin Kulenisch findet: «Die Kinder
sollen einen gesunden Umgang mit den Geräten lernen.»

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