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Kampf gegen Prostitution: Streitbare Nonne Lea Ackermann wird 80 Von Jens Albes

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Eine mutige Ordensschwester an der Spitze einer internationalen
Frauenhilfsorganisation blickt auf ein ereignisreiches Leben zurück.
Wie ist die einstige Bankerin Ackermann dazu gekommen, ihr Leben den
schwächsten Frauen zu widmen?

Boppard (dpa) – Lea Ackermann, Nonne und Vorsitzende des Hilfswerks
Solwodi für Frauen in Not, springt auch kurz vor ihrem 80. Geburtstag
noch empört vom Sessel auf, wenn ihr etwas nicht passt.
«Unglaublich!», ruft sie mit Blick auf den Vorschlag der grünen
Bundestagsabgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Pflegebedürftigen und
Behinderten Sex mit Prostituierten zu zahlen. Sexualität sei zwar ein
Grundbedürfnis und Geschenk, eine Frau aber keine Ware mit
Rechtsanspruch, betont Ackermann. Zu ihrem 80. Geburtstag an diesem
Donnerstag (2. Februar) hat sich für die Bartholomäus-Kirche in
Boppard Prominenz angesagt: die rheinland-pfälzische
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und der Trierer Bischof Stephan
Ackermann.

Geboren 1937 als Tochter eines Bauunternehmers im saarländischen
Völklingen, gibt Lea Ackermann schon früh ihre Bankkarriere auf, um
als Ordensschwester nach Afrika zu gehen. In Bars und Bordellen
begegnet sie dem Leid von Prostituierten. Sie sieht in Kenia etwa die
14-jährige Maggy, die ein Baby von einem Freier zur Welt gebracht und
in einer Toilette ertränkt hat.

Ackermann ist entsetzt und gründet 1985 in Mombasa die Organisation
Solwodi (Solidarity with Women in Distress, Solidarität mit Frauen in
Not). 1987 folgt der deutsche Ableger, der bald sein 30-jähriges
Bestehen feiert. Heute unterhält Solwodi in mehreren europäischen
Ländern und in Afrika viele Beratungsstellen und auch eine Reihe von
Schutzwohnungen. 2016 hat die Hilfsorganisation 2295 Erstkontakte mit
Frauen aus 104 Ländern gezählt.

Schlank, blaue Augen, flotter Kurzhaarschnitt, schwarze Hose, dunkles
Jäckchen, dezent-rosa Pulli: Nur ein goldenes Kreuz an einer Kette
weist darauf hin, dass Ackermann einem katholischen Orden angehört.
«Ich bin nicht so die stille Nonne», sagt sie lächelnd. «Wenn ich
Unrecht sehe, spreche ich es an. Ich bin eine Praktikerin.»

Der Trierer Bischof Ackermann würdigt seine Namensvetterin als eine
«streitbare und engagierte Frauenrechtlerin, die sich mit hoher
Anerkennung in der Gesellschaft für die Bekämpfung der Prostitution
einsetzt». Die rheinland-pfälzische Sozialministerin Sabine
Bätzing-Lichtenthäler (SPD) nennt Lea Ackermann «eine mutige
Pionierin im Einsatz für Frauen in Not. Ihr großartiges Engagement
hilft Opfern von Ausbeutung und Unterdrückung weltweit.» Seit
Jahrzehnten trage sie zu einer umfassenden Sensibilisierung der
deutschen Gesellschaft bei. «Mit bewundernswerter Beharrlichkeit
verändert Lea Ackermann die Welt jeden Tag.»

Solwodi lehrt in Afrika Prostituierte, anders Geld zu verdienen,
indem sie beispielsweise Brot für Hotels backen oder Schmuck
herstellen. Der Verein ermöglicht Mädchen auch eine Ausbildung, etwa
zur Schneiderin, Köchin oder Lehrerin. Auch in der Bundesrepublik
berät die Initiative viele Opfer von Zwangsprostitution und
Menschenhändlern. Manche Ausländerinnen haben geglaubt, im reichen
Deutschland putzen, Kinder betreuen oder kochen zu können – und sind
in Bordellen gelandet. Manche Opfer begleitet Solwodi zu Prozessen,
manche können in Schutzwohnungen unterkommen.

Als junge Frau stand Lea Ackermann vor ganz anderen
Herausforderungen: Sie half zum Beispiel beim Aufbau einer deutschen
Bankfiliale in Paris. Schon 1960 trat sie mit 23 Jahren in den Orden
«Missionsschwestern unserer Lieben Frau von Afrika» ein. «Meine
Eltern waren nicht so begeistert», erinnert sie sich. Für den Orden
arbeitete Ackermann von 1967 bis 1972 als Lehrerin und
Schuldirektorin in Ruanda. Darauf folgte in München ein Studium der
Pädagogik, Psychologie und Theologie samt Promotion. 1985 bis 1987
bekämpfte die Nonne mit Doktortitel die Elendsprostitution in Kenia
und baute dann Solwodi in Deutschland aus.

Und jetzt? Auch im neunten Lebensjahrzehnt will die mit
Auszeichnungen überhäufte Buchautorin für ihre Organisation da sein:
«Ich bin robust.» Allerdings arbeitet sie bereits eine Nachfolgerin
ein: Schwester Annemarie Pitzl. «Ich will ein bisschen kürzer
treten», sagt Lea Ackermann. Für Hobbys habe sie bislang keine Zeit
gefunden. Eines ihrer neuen Ziele: «Wenn meine Knochen es mitmachen,
will ich noch mal auf dem Jakobsweg in Spanien wandern.»

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