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Job und Reisen kombinieren: Ist «Bleisure Travel» ein neuer Trend?

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Eine Dienstreise privat um einen Tag Urlaub verlängern, und der
Arbeitgeber zahlt den Flug: Das klingt verlockend. Bleisure Travel
heißt der Trend, Berufliches und Privates mit einer Reise zu
verbinden. Doch es gibt viele Fallstricke.

Bremen/Köln (dpa/tmn) – Wer schon einmal eine Geschäftsreise um einen
Tag Urlaub verlängert hat, darf sich Bleisure Traveller nennen. Noch
nie gehört? Die angelsächsische Wortschöpfung Bleisure setzt sich aus
Business (Geschäft) und Leisure (Freizeit) zusammen und beschreibt
angeblich einen wachsenden Trend: die Kombinationen von beruflichen
und privaten Reisen. Ist das eine neue Entwicklung? Oder bloß alter
Wein in neuen Schläuchen? Klar ist: Die Arbeitswelt verändert sich –
und damit auch die Einstellung zu Freizeit und Job.

Über das Phänomen Bleisure Travel gibt es noch kaum Statistiken.
Zumindest der Verband Deutsches Reisemanagement (VDR) hat dazu keine
Zahlen. Der Dienstleister CWT Solutions Group wertete aber im
vergangenen Jahr rund 7,3 Millionen Geschäftsreisen aus dem Jahr 2015
aus. Jeder fünfte Reisende kombiniert demnach mindestens einmal pro
Jahr die berufliche Reise mit Freizeit. Die Zahl der Bleisure-Reisen
sei aber seit 2011 nicht gestiegen. Es handelt sich zumindest nicht
um einen kurzfristigen Trend.

Die Definition in der Studie ist aber ohnehin schwammig: Als
Bleisure-Trips zählen demnach schlicht alle Reisen, die zu Beginn
oder am Ende um eine Samstagnacht verlängert wurden. Nicht erfasst
wurde, was genau am Zielort passierte. Daran zeigt sich: Es ist
schwer zu sagen, wo der Job aufhört und Urlaub anfängt.

«Da gibt es die Geschäftsreisen, wo man vielleicht eine Stunde für
sich selbst freischaufeln kann», erklärt Prof. Rainer Hartmann,
Freizeit- und Tourismusforscher an der Hochschule Bremen. «Und es
gibt Freizeitreisende, die nur mal schnell eine Stunde am Tag den
Laptop anschmeißen und Mails bearbeiten.» Dazwischen sind ganz viele
Kombinationen denkbar. «Sobald eine erkennbare Vermischung da ist,
könnte man das als Bleisure-Reise bezeichnen.»

Oft verschwimmen auf beruflichen Reisen Arbeit und Freizeit. Im
Bleisure Report 2014 des Dienstleisters Bridge Street Global
Hospitality gaben 83 Prozent der Geschäftsreisenden an, die Zeit in
einer fremden Stadt zu nutzen, um sich diese anzusehen. «Lupenreine
Geschäftsreisen sind eher in der Minderheit», schätzt Hartmann.

Das dürfte sicher gelten, wenn man Freizeit wie der Forscher als
«maximale Selbstbestimmung» definiert: Keiner sagt einem, was man zu
tun hat. So zählt theoretisch schon ein ausgedehntes Mittagessen als
Freizeit – jedenfalls ohne Kunden oder Geschäftspartner.

Häufig werden bei Bleisure-Reisen aber einfach Dienstreisen mit
Urlaubstagen kombiniert. Aber bitte transparent: «Man sollte niemals
Berufliches und Privates vermischen und stets den Arbeitgeber über
seine Pläne informieren», warnt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für
Arbeitsrecht aus Köln. Sonst missbrauche der Mitarbeiter die
Vermögensinteressen des Arbeitgebers für private Zwecke.

«Wenn Sie eine Dienstreise buchen, weil sie ihren Bruder besuchen
wollen, fehlt der dienstliche Anlass», sagt Oberthür. «Worüber man
gar nicht erst nachdenken sollte: länger bleiben und den Arbeitgeber
die weiteren Übernachtungen zahlen lassen. Oder die Ehefrau oder den
Ehemann mitnehmen und den Arbeitgeber das Doppel- statt Einzelzimmer
zahlen lassen.» Wer privat einen Tag länger bleibt, sollte mit
dem Chef klären, was passiert, wenn sich der Flug durch den Extratag
verteuert. Und für Selbstständige gilt: Wer ein Privatvergnügen als
Betriebsausgabe deklariert, begeht Steuerhinterziehung.

Und wie sieht er nun aus, der Bleisure Traveller? Einen bestimmten
Typ gibt es nicht. Von der Führungskraft über den Außendienstler bis
zum Laptop-Selbstständigen kann es jeder sein – tendenziell aber eher
Jüngere. Und nicht unbedingt Berufstätige, die gefühlt ihr halbes
Leben in Hotels und Flughafenterminals verbringen.

«Je mehr ein Mensch beruflich reist, umso weniger kombiniert er das
mit Urlaubsplänen. Der Flug wird da zur Busfahrt, und abends will man
einfach nur mit dem letzten Flieger wieder nach Hause kommen», sagt
Trendforscher Sven Gabor Jánszky, der sich viel mit Unternehmen über
die Zukunft der Arbeit austauscht. Attraktiv seien Bleisure-Reisen
eher für Angestellte und Freiberufler, die vielleicht einmal im Monat
reisen, zum Beispiel zu Kunden oder Konferenzen.

Wer die Möglichkeit hat, darf sich fragen: Warum eigentlich nicht?
«Vor ein paar Jahren galt es oft noch als anrüchig, eine Tagung
privat zu verlängern», weiß Jánszky. «Da hieß es schnell: Sie fahren
nur dorthin, um noch Urlaub zu machen. Das hat sich geändert.» Heute
werde es eher als positiv wahrgenommen, wenn Mitarbeiter Nützliches
mit dem Schönen verbinden – sofern alles transparent ist.

Dieser Mentalitätswandel hat mit der Veränderung der Arbeitswelt zu
tun. Prof. Hartmann erkennt in dem Phänomen Bleisure Travel die
großen gesellschaftlichen Trends: Globalisierung, Digitalisierung,
wachsende Mobilität. Zum anderen werde Arbeit heute oft nicht mehr
als Belastung, sondern als Bereicherung angesehen, ergänzt Janszky.
Der Job bereitet Freude – und das ist auch gut so.

Die Kehrseite ist, dass heute gefühlt jeder überall und zu jeder Zeit
erreichbar sein muss. Der Mitarbeiter als Manager seiner selbst.
«Jeder ist auf sich selbst zurückgeworfen und kann, soll oder muss
selbst entscheiden, wann er arbeitet», sagt Hartmann. Das sorgt oft
für chronische Überforderung. Der Forscher verweist auf große Firmen,
die den Mailserver für ihre Mitarbeiter nach Dienstschluss abstellen
– als Schutz vor zu viel Stress. Und Digital Detox heißt der Trend,
die mobilen Geräte auf Reisen komplett abzuschalten.

Dennoch bieten Bleisure-Reisen natürlich einige Vorteile. Ganz
praktisch: Der Reisende spart Geld, wenn der Arbeitgeber den Flug
bezahlt. Denn zurückfliegen muss er ja ohnehin, auch wenn er noch
einen Tag Urlaub an eine Dienstreise dranhängt.

«Bleisure Travel bietet beiden Seiten Vorteile: Der Mitarbeiter kann
sich Dinge ermöglichen, die früher komplizierter waren, und einfacher
die Welt sehen», bilanziert Jánszky. «Und das Unternehmen bekommt
Arbeitskräfte, die zufriedener und ausgeglichener sind.» Ein bisschen
Bleisure, könnte man sagen, schadet nicht.

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