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Im Streit um Spitzenforschung wackelt die neue «Exzellenzstrategie»

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Zu früh gefreut? Die Absegnung einer neuen «Exzellenzstrategie» für
die Forscher-Elite galt lange nur als Formsache. Dann entbrannte
heftiger Streit. Nun soll die Runde der Regierungschefs im Kanzleramt
den Knoten durchschlagen. Die Erfolgschancen: ungewiss.

Berlin/Hamburg (dpa) – Es war so schön geplant für diesen Donnerstag:
Die Regierungschefs der 16 Länder und Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) unterschreiben die Neuauflage der milliardenschweren
Exzellenzinitiative für Spitzenforschung, kurz loben sie ihre
Fachminister für deren in monatelanger Kleinarbeit erzielte
Vereinbarung – um sich dann im Kanzleramt den «wichtigen» Themen zu
widmen: Bund-Länder-Finanzen, Integrationskosten für Flüchtlinge.

Doch der Sekt könnte schal werden, womöglich wird erstmal nichts aus
den Feierlichkeiten rund um die Elite-Förderung der Hochschulen mit
533 Millionen Euro pro Jahr (künftig «Exzellenzstrategie»). Denn in
der vorliegenden Form wollte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD)
das Bund-Länder-Papier noch kurz vor der Ministerpräsidentenkonferenz
nicht unterschreiben. Womit die Vereinbarung der Minister hinfällig
wäre – bei derartigen Abkommen ist nämlich Einstimmigkeit vorgesehen.

Das Hamburger Nein könne sich zum Ja wandeln, falls ein tragfähiger
Kompromiss auf den Tisch komme, sagte Wissenschaftssenatorin
Katharina Fegebank (Grüne) bis zuletzt. «Sie können sich vorstellen,
dass gerade rege Betriebsamkeit am Telefon, per E-Mail und SMS
besteht – auf allen Ebenen.» Aus ihrer Sicht teilen immer mehr
Experten die Hamburger Bedenken, wenn auch hinter vorgehaltener Hand,
darunter andere Bundesländer und diverse Hochschulen. Noch sei nicht
klar, ob es am Donnerstag zu einer Abstimmung der Regierungschefs
kommt. Fegebank: «Es ist nichts für schwache Nerven gerade.»

Eine Kompromiss-Regelung müsse «nach einer bestimmten Zeit auch
anderen Hochschulen die Möglichkeit geben, exzellent zu werden». Da
könne sie sich «verschiedene Varianten vorstellen». Der Senatorin
zufolge «geht hier um eine echte Weichenstellung mit Blick auf die
Zukunft unseres Wissenschaftssystems. Wenn wir dauerhaft Wettbewerb
und Vielfalt haben wollen, (…) dann brauchen wir dieses dynamische
Element.» Die Alternative sei eine «Zementierung» des Systems. Dabei
sieht Fegebank etwa die aufstrebende Uni Hamburg im Nachteil.

Die Zeit drängt. Denn die 2006 gestartete, bislang 4,6 Milliarden
Euro teure Exzellenzinitiative läuft Ende 2017 aus. Noch in diesem
Sommer sollen im Nachfolgeprogramm die Ausschreibungen für bis zu 50
Forschungsprojekte als Exzellenzcluster beginnen. Mitte 2019 sollen
die acht bis elf neuen Top-Universitäten feststehen. Dass jede
Hochschule in diesem Wettbewerb gleiche Chancen hat, scheint dem
rot-grün regierten Hamburg zweifelhaft, da die «Platzhirsche» ihre
Leistungen nicht wirklich überprüfen lassen müssten. Der umstrittene
Evaluationsparagraf könne aber ergänzt werden – indem auch bereits
geförderte Exzellenzuniversitäten regelmäßig nach sieben Jahren neu
auf den Prüfstand müssen.

Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) droht mit einem
«Exzellenzstrategie»-Flop eine der bittersten Niederlagen ihrer gut
dreijährigen Amtszeit. Sie hatte den Durchbruch schon vor Wochen
strahlend verkündet und sieht sich nun ausgebremst. Dabei hatte Wanka
bislang durchaus selbstbewusst meist nur Schönes zu verkünden – der
Hamburger Widerstand nervt ihr Ministerium spürbar. Ob es am
Donnerstag doch noch klappt, gilt auch in Berlin als unsicher.

In anderen Bundesländern möchte man das eigentlich schon abgehakte
Thema Elite-Forschung nun schnell beiseite räumen. So dringt
Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann
darauf, dem Förderprojekt zuzustimmen: «Wir werden uns dafür
einsetzen, dass das zustande kommt, und erwarten das auch von den
anderen Ländern», sagte er am Dienstag in Stuttgart.

Die Bildungsgewerkschaft GEW hingegen, schon lange kritisch
eingestellt zur Exzellenzinitiative, plädiert dafür, noch mal neu
nachzudenken. «Statt für den überfälligen Ausbau der Hochschulen und
die Verbesserung der Qualität von Forschung und Lehre in der Fläche
zu sorgen, wollen Bund und Länder auf unbestimmte Zeit Milliarden in
die Spitzenforschung an ausgewählten Elite-Unis pumpen», sagte der
GEW-Hochschulexperte Andreas Keller. Nun sollten die Regierungschefs
«die Reißleine ziehen» – und ihre Entscheidung vertagen.

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