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Hitlers Hetzschrift in der Schule – «Mein Kampf» im Unterricht

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Mit Jahresbeginn sind die Urheberrechte für Adolf Hitlers Hetzschrift
«Mein Kampf» ausgelaufen, eine vielbeachtete kritische Edition ist
auf dem Markt. Experten nehmen das zum Anlass, die Rolle des Buches
im Schulunterricht zu überdenken.

München (dpa) – «Ich mag mir nicht ausmalen, was geschieht, wenn der
Pausengong ertönt, ehe die Auseinandersetzung mit und die Aufklärung
über die menschenverachtenden Inhalte abgeschlossen ist», sagt
Charlotte Knobloch. Die Vorstellung, Adolf Hitlers Hetzschrift «Mein
Kampf» im Unterricht zu behandeln, im Lehrplan zu verankern, findet
die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland
unerträglich. «Ich halte Hitlers antisemitisches Machwerk des Hasses
nicht für einen geeigneten Baustein für den Unterricht», sagt sie.
«Die damit einhergehende Fokussierung auf die Person Hitlers ist
irreführend.»

Nationalsozialismus, Holocaust und der Zweite Weltkrieg kämen im
Unterricht ohnehin zunehmend zu kurz, kritisiert die 83 Jahre alte
Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.
«Da ist es nicht sinnvoll, diese wenigen Stunden mit der Lektüre
einer der widerlichsten antisemitischen Hetz- und Hassschriften zu
verbringen.»

Seit die Urheberrechte an Hitlers in den 1920er Jahren verfassten
Machwerk ausgelaufen sind und eine viel beachtete und inzwischen 55
000 Mal verkaufte kritische Edition des Buches auf den Markt gekommen
ist, diskutieren Bildungsexperten verstärkt die Rolle von «Mein
Kampf» im Schulunterricht.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, war einer
der ersten, der vorschlug, die Edition bundesweit im Unterricht
einzusetzen – ein Vorschlag, dem sich auch Bundesbildungsministerin
Johanna Wanka (CDU) angeschlossen hat und den verschiedene bayerische
Landtagsfraktionen per Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung des
Plenums am Donnerstag gesetzt haben.

«Ich setze ein gewisses Alter voraus, aber ich bin dafür, dass man
Auszüge im Unterricht behandelt», betont Kraus. Ein 13-jähriger
Schüler habe möglicherweise noch nicht das historische Wissen, das
Machwerk richtig einzuordnen – «ab 16 aufwärts» sollte das seiner
Ansicht nach aber kein Problem sein. Die Behandlung des Buches in der
Schule bedeutet für ihn auch Prävention gegen Rassismus und
Extremismus.

Besonderen Schulungsbedarf für Geschichtslehrer sieht er nicht. «Die
haben alle Geschichte studiert, und außerdem sind auch bisher schon
Originalquellen im Unterricht behandelt worden. Das hat auch immer
geklappt.» Er wünscht sich für die Lehrerschaft aber beispielsweise
Textempfehlungen.

Die bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit ist
gerade dabei, eine Broschüre zum Thema zu erstellen – quasi als
Leitfaden für Lehrer, die das Buch mit ihren Schülern im Unterricht
behandeln. Sie soll im Herbst erscheinen. «Die Edition ist ein großer
Zugewinn – vor allem für die Vorbereitung der Lehrkräfte auf das
Thema», sagt Ulrich Baumgärtner, Professor für Geschichtsdidaktik an
der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, der an der
Broschüre mitarbeitet.

Er betonte die Bedeutung von Originalquellen. Die Schüler hätten ein
Recht darauf zu erfahren, woher das historische Wissen über den
Nationalsozialismus stammt. ««Mein Kampf» ist für die NS-Ideologie
die zentrale Quelle», sagt er. «Das Buch wurde im Nationalsozialismus
zur Bibel der NS-Bewegung und hat von daher als Originalquelle auch
eine besondere Bedeutung.» Er glaubt, dass man das Buch schon mit
14-jährigen Schülern besprechen kann – in abgeschwächter Form sogar
auch bereits mit jüngeren.

Für Charlotte Knobloch sind diese Überlegungen nur schwer
nachzuvollziehen. Solange das Judentum als Religion und das blühende
jüdische Leben in Deutschland vor 1933 in der Schule stiefmütterlich
behandelt würden, solange Schüler in Deutschland kaum etwas über
Juden wüssten, das nicht mit dem Holocaust zu tun habe, «solange
halte ich es für unverantwortlich, ausgerechnet die zutiefst
antijüdische Schmähschrift «Mein Kampf» im Unterricht zu behandeln».

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