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Handschrift ist mehr als Striche und Linien Von Roland Beck, dpa

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WhatsApp statt Postkarte, Tablet statt Stift. Ist die Handschrift ein
Auslaufmodell? Weltweit wird am 23. Januar das Schreiben mit der Hand
in den Mittelpunkt gerückt. Der Tag der Handschrift geht auf eine
ganz besondere Unterschrift zurück.

Nürnberg (dpa) – Am 23. Januar ist der Internationale Tag der
Handschrift. Aber die Schreibschrift ist in Gefahr: In Finnland
müssen Schüler sie schon gar nicht mehr lernen, andere Länder
diskutieren über die Abschaffung. Auf dem Vormarsch sind – auch an
deutschen Schulen – Tablet und PC. Sechs Aspekte rund um das
Schreiben mit der Hand.

IMMER WENIGER SCHÜLER KÖNNEN MIT DEM STIFT UMGEHEN

Zum Tag der Handschrift schlägt die Nürnberger Bildungsforscherin
Stephanie Müller Alarm: «Etwa 70 bis 80 Prozent der Grundschüler
können nicht mehr richtig mit der Hand schreiben». Die Folgen sind
laut der Expertin gravierend: «Das Erlernen der Handschrift ist ein
hochkomplexer Vorgang, der für die Feinmotorik der Kinder wichtig
ist. Kinder, die wenig mit der Hand schreiben, haben weniger
motorische Fähigkeiten». Die Handschrift sei deshalb mehr, als nur
Linien und Striche auf einem Stück Papier.

DER FÜLLER-FÜHRERSCHEIN

In den meisten Ländern spielen Tinten-Füller im Unterricht keine
große Rolle: Neben dem Bleistift, der sich weltweiter Beliebtheit
erfreut, werden chinesische Schriftzeichen etwa mit einem
Kalligraphiestift- oder Pinsel erlernt. Und in Indien greifen Schüler
am liebsten zum Kugelschreiber. Anders hierzulande: An vielen
deutschen Grundschulen bekommen Schüler als symbolische Anerkennung
einen Füller-Führerschein, wenn sie gut genug mit dem Tinten-Füller
umgehen können.

STIFT, TASTATUR ODER TABLET?

Der Psychologieprofessor Daniel Oppenheimer von der UCLA Anderson
School of Management in Los Angeles führte mit seinen Studenten einen
Versuch durch: Die eine Hälfte musste bei seiner Vorlesung von Hand
mitschreiben, die andere tippte das Gehörte in den Computer. Die
Mitschreiber schnitten deutlich besser ab. Weil sie nicht jedes Wort
notieren konnten, hatten sie insgesamt mehr Lehrstoff im Gehirn
gespeichert. Wissenschaftler am Transferzentrum für
Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) in Ulm untersuchen seit mehr als
einem Jahr an 150 Kindern, mit welchem Medium sich Lern-Effekte am
stärksten im Gehirn verankern: Klassischer Stift, Tastatur oder
digitaler Tablet-Stift. Voraussichtlich 2018 sollen die Ergebnisse
der vom Stiftehersteller Staedtler finanziell unterstützten Studie
veröffentlicht werden. In der ZNL-Vorstudie zeigten sich bereits
etliche Vorteile der Schreibschrift.

SCHREIBSCHRIFT IN FINNLANDS SCHULEN ABGESCHAFFT

In Finnland setzen Schulen auf Tablet und PC: Finnische Schüler
müssen die Schreibschrift seit vergangenem Herbst nicht mehr lernen.
Ähnliche Überlegungen oder Tests gibt es in den USA und in der
Schweiz, wo die «Schnürli-Schrift» zur Debatte steht. Die
Bundesregierung will von diesem Jahr an fünf Milliarden Euro für die
Digitalisierung von Schulen ausgeben. «Einmaleins und ABC nur noch
mit PC», heißt es dazu auf der Internetseite des
Bundesbildungsministeriums.

AM TABLET IST ALLES NUR 2D

Bildungsexpertin Stephanie Müller warnt vor zu häufigem Einsatz von
Lernsoftware auf Tablets: «Da ist alles nur zweidimensional!» Kinder
wollen laut Müller Dinge ertasten und erfühlen. «Egal, was auf dem
Tablet angezeigt wird, am Ende fassen die Kinder nur auf eine
Glasscheibe». Der Tastsinn leide darunter. «Das ist meiner Meinung
nach ein Grund dafür, weshalb immer mehr Kinder nicht mehr mit dem
Stift umgehen können», sagt Müller.

DIE UNTERSCHRIFT VON JOHN HANCOCK

Seinen Ursprung hat der Tag der Handschrift in den USA. Initiiert
wurde er 1977 von der Writing Instrument Association (WIMA). Das
Datum 23. Januar ist für die USA historisch bedeutsam: Es war der
Geburtstag des Amerikaners John Hancock, der am 4. Juli 1776 als
erster die amerikanische Unabhängigkeitserklärung unterzeichnete.

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