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Hamburger Programm bietet Flüchtlingen langersehnte Ausbildung Von Markus Klemm, dpa

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Die Bürokratie nennt es «dualisierte Ausbildungsvorbereitung
AvM-Dual». Für so manchen jugendlichen Flüchtling in Hamburg ist es
der langersehnte Weg in eine geregelte Ausbildung.

Hamburg (dpa) – Ginge es allein nach Marktleiterin Sahereh
Froughivand, wäre der Fall bereits erledigt. Denn sollte ihr Azubi
Abdulrahman Almaani in ihrem Supermarkt im Hamburger Stadtteil
Eimsbüttel so weitermachen wie bisher, gäbe sie ihn nicht mehr her.
Lebensfroh, lustig und sehr freundlich sei er – und darüber hinaus
auch noch kompetent. «Ich bin überzeugt, dass er die drei Jahre
seiner Ausbildung sehr gut meistern wird», sagt sie nur rund
dreieinhalb Monate nach Ausbildungsbeginn über den angehenden
Einzelhandelskaufmann. Das ist insofern außergewöhnlich, da der
20-jährige Syrer erst seit zweieinhalb Jahren in Deutschland ist.

Almaani war mit seiner Mutter und seinem Bruder im Mai 2014 über ein
UN-Programm als Flüchtling aus dem Libanon nach Hamburg gekommen und
landete dort im August 2014 zusammen mit 188 Schülern aus 29 Nationen
im Pilotprojekt «dualisierte Ausbildungsvorbereitung» (AvM-Dual). Die
Hälfte der jungen Flüchtlinge im Alter zwischen 16 und 18 Jahren habe
zuvor weniger als sieben Jahre die Schulbank gedrückt, 25 Prozent
sogar weniger als vier Jahre, sagt der Geschäftsführer des Hamburger
Instituts für Berufliche Bildung (HIBB), Rainer Schulz.

Zwei Jahre später hatten von den verbliebenen 141 Schülern 37 Prozent
den ersten allgemeinbildenden Schulabschluss und 27 Prozent den
mittleren Schulabschluss in der Tasche. 27 Prozent wechselten danach
direkt in eine Ausbildung oder Beschäftigung.

Das zweijährige AvM-Dual-Programm ist in Hamburg inzwischen für alle
jugendlichen Flüchtlinge über 16 Jahre Pflicht und wird nach Angaben
der Schulbehörde derzeit von 2244 jungen Menschen genutzt. Es
beinhaltet neben klassischem Schulunterricht in allen wichtigen
Kernfächern drei 9- bis 13-wöchige Praktika im Wechsel mit der
Schule. Vor allem die mehr als 1000 nötigen Praktikumsplätze zu
beschaffen, sei nicht einfach gewesen, sagt Schulsenator Ties Rabe
(SPD). «Das war eine gewaltige Aufgabe.»

Der 17-jährige Syrer Mohammad Alfteh Alschekh wollte eigentlich
unbedingt Kfz-Mechaniker werden. Doch jetzt – kurz vor Ende seines
Praktikums in einer Autowerkstatt – wisse er, dass er sich in etwas
Sozialem ausprobieren wolle, sagt sein Integrationsbegleiter Zbigniew
Wolny. Auch Almaani hatte vor Beginn seiner Ausbildung Praktika
absolviert, zunächst als Zahntechniker – jenem Beruf, den er schon in
Syrien angefangen hatte zu erlernen. Obwohl er auch dort einen
richtigen Ausbildungsplatz hätte bekommen können, entschied er sich
nach einem weiteren Praktikum dennoch für den Einzelhandel.

«Ich brauche mehr Kontakt zu Menschen, um meine Sprache zu
verbessern», begründet er seine Entscheidung nicht ohne Stolz.
Außerdem seien die Kollegen in dem Supermarkt «richtig nett». Da
macht es offensichtlich auch nichts, dass ihn seine Chefin durchaus
auch «quält»: Weil Froughivand überzeugt ist, dass der
Deutsch-Unterricht an der Schule allein nicht ausreicht, lässt sie
ihn jede Woche zusätzlich handschriftlich Fachberichte schreiben. Und
nicht nur das: Nach Korrektur und Besprechung darf er sie noch einmal
ins Reine schreiben – und muss sie auch noch laut vorlesen.

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