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Große Reise, großes Risiko? – Jugendgruppenleiter und ihre Haftung

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Der erste Urlaub ohne Eltern: Bei Jugendfreizeiten sollen Kinder sich
austoben, Neues erleben und Freundschaften knüpfen. Damit dabei
nichts passiert, gibt es Jugendgruppenleiter, meistens ehrenamtlich.
Doch was ist, wenn mal etwas richtig schiefläuft?

Stuttgart/Bielefeld (dpa/tmn) – Wenn aus Kindern Jugendliche werden,
wollen viele nicht mehr mit Mama und Papa in Urlaub fahren – sondern
lieber mit einer Jugendfreizeit. Anbieter solcher betreuten Reisen
gibt es in Deutschland etliche. Und damit sich die Eltern um die
Kinder nicht sorgen müssen, werden die Reisen von meist
ehrenamtlichen Jugendfreizeitleitern begleitet.

Ehrenamt heißt dabei aber nicht, dass die Betreuer nicht gut
ausgebildet sind. «Unsere Betreuer haben alle die Jugendleiter-Card»,
sagt Stephan Kelm vom Jugendwerk der AWO Württemberg. Die AWO ist der
Jugendverband der Arbeiterwohlfahrt und einer der größten
Veranstalter von Jugendfreizeiten in Deutschland. Die
Jugendleiter-Card oder kurz Juleica ist der bundesweit einheitliche
Ausweis für ehrenamtliche Mitarbeiter in der Jugendarbeit.

Jeder Inhaber einer Juleica hat eine Standard-Ausbildung absolviert.
Mindestens 30 Stunden wurden die Bewerber in Themen wie
Gruppenpädagogik, Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen und
Aufsichtspflicht geschult. Hinzu kommt bei der AWO, so wie bei den
meisten Reiseveranstaltern, noch eine eigene Ausbildung: Neue
Ehrenamtliche absolvieren an zwei Wochenenden eine zusätzliche
Jugendleiterschulung und einen Erste-Hilfe-Kurs. Da bei der AWO auch
jüngere Kinder mitfahren, die manchmal erst sechs oder sieben Jahre
alt sind, sind Vorsicht und Erfahrung besonders wichtig.

Bei Fahrten, an denen etwas ältere Jugendliche teilnehmen, ist vor
allem ein Thema relevant: Alkoholkonsum. «Das ist eines der
Hauptprobleme dieser Jugendfahrten», sagt Sven-Wulf Schöller,
Fachanwalt für Versicherungsrecht aus Erlangen. Jemand trinkt zu
viel, dann passiert ein Unfall. Jugendliche ab 16 Jahren dürfen in
Deutschland Wein, Bier und Schaumwein kaufen und konsumieren.

Gehen die Reisen in Länder, in denen schärfere Bestimmungen gelten,
müssen sich die Gruppenleiter jedoch an die Regelungen des jeweiligen
Landes halten – und den Alkoholkonsum gegebenenfalls verbieten. «Das
ist ein schmaler Grat», sagt Kristina Oehler, Prokuristin bei Ruf
Jugendreisen. Denn einige Jugendliche seien von zu Hause gewohnt,
bereits etwas trinken zu dürfen. «Dann fahren sie nach Spanien und
denken, da wartet das blühende Leben, und dann heißt es: geht nicht.
Da braucht man gewisse pädagogische Grundlagen, um denen das
klarzumachen.»

Auch bei Ruf durchlaufen die Betreuer neben der Jugendleiter-Card
eine zusätzliche fünftägige Schulung, bei denen ihnen alles zum Thema
Jugendschutz und Umgang mit Gefahren vermittelt wird. «Man muss auf
die kritischen Themen, die im Jugendalter typisch sind, sehr gut
vorbereiten», sagt Oehler und nennt vor allem den Umgang mit Alkohol,
Zigaretten, mit Drogen und Ausgehzeiten. Auch in Rechtsfragen und im
Umgang mit Schutzbefohlenen werden die Ehrenamtlichen geschult.

Eine der wichtigsten Grundlagen dabei: Jugendleiter haben die
Aufsichtspflicht. Sie müssen also dafür sorgen, dass den Kindern
nichts passiert. «Man versucht natürlich, die Schäden zu verhindern,
indem man sie für Gefahren sensibilisiert und aufpasst, dass sie
keinen Blödsinn machen» sagt Kelm.  «Aber natürlich kann auch mal
etwas schiefgehen. Ein Kind kann sich auch unter bester Aufsicht beim
Fußballspielen das Bein brechen.» Das sei dann noch keine Verletzung
der Aufsichtspflicht – allerdings müssen Betreuer in solchen Fällen
natürlich dafür sorgen, dass das Kind optimal versorgt wird.

Handelt es sich bei Schäden nicht um Vorsatz oder grobe
Fahrlässigkeit, zahlen gängige Versicherungen wie die Haftpflicht die
Schäden. In schlimmen Fällen, etwa bei einem Busunfall oder
Zugunglück, gibt es von Seiten des Veranstalters zudem die
SOS-Versicherung. So ein Fall sei zwar noch nicht eingetreten, sagt
Kelm. Doch sollte ein Großunglück geschehen, sorgt diese Police für
eine gute medizinische Versorgung, die sichere Rückführung, auch für
Seelsorge und etwa die Pressearbeit.

Richtet ein Betreuer vorsätzlich Schaden an, zahlen Versicherungen
jedoch nicht. Würde beispielsweise ein Betreuer selbst Alkohol
mitbringen und Schutzbefohlene «abfüllen», ist das kein Fall mehr für
die Haftpflicht. «Bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haften die
Jugendgruppenleiter und kommen da auch nicht raus», sagt
Versicherungsrechtler Sven-Wulf Schöller.

Bei Ruf sind die Reiseleiter in der Regel volljährig. Bevorzugt
werden zudem Ehrenamtler, die schon mindestens 21 Jahre alt sind,
damit sie sich von Jugendlichen unterscheiden und Autorität
ausstrahlen. Und auch bei der AWO müssen die Betreuer volljährig
sein. «Es gibt Minderjährige, die mitarbeiten, aber die haben nur
einen Mini-Helfer-Status und sind immer mit vollen Betreuern
unterwegs», sagt Kelm.

Und wie haften Minderjährige, wenn sie vorsätzlich oder grob
fahrlässig jemanden verletzen oder Schäden anrichten? «Bis zur
Volljährigkeit ist die Deliktsfähigkeit davon abhängig, inwieweit die
Einsichtsfähigkeit gegeben ist», erklärt Anwalt Schöller. «Die
Einsichtsfähigkeit ist ein individuelles Kriterium, da
Jugendgruppenleiter aber normalerweise mindestens 16 Jahre alt sind,
geht man davon aus, dass die so einsichtsfähig sind wie Erwachsene.»

Doch da Schadenersatzzahlungen auch mal besonders hoch werden können,
hat die Rechtsprechung eine Grenze gezogen: «Wenn ein 17-Jähriger
einen Millionenschaden verursachen würde, müsste der ja sein ganzes
Leben lang zahlen», sagt Schöller. Das werde dann auf ein
«angemessenes Maß» reduziert.

Für alle Schäden im normalen Bereich aber, empfehlen die Experten
einhellig eines: Eltern sollten auch eine Eigenvorsorge treffen, etwa
durch eine Unfallversicherung der Kinder. Und die eigene
Haftpflichtversicherung sei natürlich ein Muss. Schließlich kann auch
der Nachwuchs selbst mal einen Schaden anrichten.

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