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Freiheitsberaubung im Musikunterricht? – Lehrer vor Gericht Von Frank Christiansen

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Die Schüler waren laut und mussten deshalb einen Text abschreiben.
Zum Ende der Stunde setzte sich der Lehrer vor die Klassentür, um
dies zu kontrollieren. Nun muss er sich vor Gericht gegen den Vorwurf
der Freiheitsberaubung wehren.

Düsseldorf (dpa/lnw) – Eine Unterrichtsstunde über den
«Teufelsgeiger» Paganini brachte Musiklehrer Phillip Parusel (50)
sprichwörtlich in Teufels Küche. Erst tauchte die Polizei im
Klassenraum auf, dann sah er sich einem Strafverfahren ausgesetzt,
das ihm sogar eine Verurteilung wegen Freiheitsberaubung eintrug. Vor
dem Düsseldorfer Landgericht wehrt sich Parusel nun seit Montag in
zweiter Instanz gegen dieses Urteil.

Der Vorsitzende Richter Rainer Drees hätte das Verfahren auch gerne
wegen Geringfügigkeit eingestellt – doch Staatsanwältin Laura de
Bruyne spielt nicht mit. Aus ihrer Sicht ist Parusel der
Freiheitsberaubung und der fahrlässigen Körperverletzung überführt.
Richter Drees sieht das anders: «Wir haben Zweifel, dass sich die
Vorwürfe hier erhärten lassen.»

Der Richter hat aber auch grundsätzliche Bedenken: Der Fall sei
«ungeeignet, von einem Strafgericht entschieden zu werden.» Denn:
«Lehrer ist kein einfacher Job. Ihm mit einem Strafgericht ständig zu
Leibe zu rücken, macht ihn nicht einfacher.» Wenn dies Schule mache,
werde künftig nicht nur gegen die Schulnoten juristisch vorgegangen,
sondern auch noch gegen den Unterrichtsstil.

Was war geschehen? Die Klasse 6 b einer Realschule in der Stadt
Kaarst bei Düsseldorf war laut und unkonzentriert, darin sind sich
alle Befragten einig. Lehrer Parusel vergatterte die Schüler zum
Abschreiben des Wikipedia-Eintrags über Paganini. Zum Ende der Stunde
setzte er sich mit seinem Stuhl vor die Klassentür. Wer raus wollte,
musste den abgeschriebenen Text vorzeigen.

Mehrere Schüler durften zunächst nicht gehen – und ein Schüler wurde
recht unsanft zurückgedrängt, manche sagen: in die Magengrube geboxt.
Der Schüler selbst sagt, es sei nicht unbedingt Absicht des Lehrers
gewesen, habe aber wehgetan. Da rief ein anderer Schüler per Handy
die Polizei. In der Klasse würden Schüler festgehalten und
geschlagen.

Er habe lediglich einen Vordrängler zurückgeschoben, sagt Lehrer
Parusel. «Das wurde mir als Stoß in die Bauchgegend ausgelegt. Die
Schüler konnten hintereinander an mir vorbeigehen. Etwa 20 bis 25
Schüler haben das ja auch gemacht.»

Schulleiter Jürgen Bosse erfuhr in seinem Büro telefonisch von der
Polizei-Leitstelle von den Vorwürfen und machte sich sofort auf den
Weg zum «Tatort». Als er etwa eine Minute später am Klassenraum
eintraf, habe er eine «entspannte, völlig normale Situation»
vorgefunden. Vier bis fünf Schüler hätten sich noch im Raum befunden,
einer habe gefegt, die anderen hätten ihre Sachen zusammengepackt.
Dann sei auch schon die Polizei eingetroffen. Das Landgericht will
nun noch weitere Zeugen hören und den Prozess am 6. Februar
fortsetzen.

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