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Flexibel und standhaft zugleich: Was Resilienz für den Job bedeutet Von Lea Sibbel, dpa

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Manche Menschen lassen sich einfach nicht unterkriegen: Selbst wenn
sich die Probleme häufen, bewahren sie einen kühlen Kopf. Vor allem
im Beruf ist das eine sehr gute Fähigkeit. Resilienz nennen
Wissenschaftler diese innere Stärke. Kann man sie trainieren?

Freiburg (dpa/tmn) – Sie sind gleichzeitig flexibel und standhaft.
Gibt es im Job eine Veränderung, kommen sie damit zurecht. Ist der
Druck hoch, schaffen sie es, ihn auszugleichen. Solche Menschen sind
sehr resilient. «Man meint damit die generelle Fähigkeit, Krisen,
besondere Belastungen, schwierige Lebenssituationen gut zu
bewältigen», beschreibt es Prof. Klaus Fröhlich-Gildhoff von der
Evangelischen Hochschule Freiburg. Er forscht zum Thema Resilienz.

Der Begriff habe seine Ursprünge in der Werkstoffkunde, fügt Ella
Gabriele Ammann hinzu, die Coachings zur Resilienzförderung anbietet.
Er bedeute, dass sich ein Stoff unter Druck verformen lässt und
danach wieder in seine Ursprungsform zurückfinden kann. Bei Menschen
sagt Resilienz aber noch ein wenig mehr: Durch die Herausforderung
oder Krise sind sie gereift und gewachsen.

Warum ist Resilienz für den Beruf so bedeutend?

«Resilienz ist heute so wichtig für unseren Beruf, weil wir uns mehr
denn je ständig an neue Situationen anpassen müssen», beschreibt
Amann. «Diejenigen, die resilient sind, können Veränderungsprozesse
besser meistern», fügt die Ärztin und Unternehmensberaterin Mirriam
Prieß hinzu. «Sie sehen in jeder Krise die Chance auf Veränderung.»
Und selbst, wenn sie mal scheitern, ist das kein Weltuntergang: Denn
sie verlieren sich in einer negativen Situation nicht in den eigenen
Gefühlen, sondern lernen daraus und gehen weiter, beschreibt Prieß.
Andere, die keine hohe Resilienz haben, verbeißen sich dagegen im
Problem und erschöpfen sich so.

Auch im Zuge von Personaleinsparung und Arbeitsverdichtung ist es ein
Vorteil, resilient zu sein, um mit den Anforderungen im Berufsleben,
dem Stress, zurechtzukommen, sagt Fröhlich-Gildhoff. Die seelische
Belastbarkeit zu stärken, sei dann von großer Bedeutung. Gleichzeitig
müsse aber das betriebliche Gesundheitsmanagement stimmen – denn sind
Aufgaben einfach nicht zu erfüllen, nutzt es auch nichts, extrem
belastbar zu sein.

Resiliente Menschen haben im Job außerdem den Vorteil, Dinge auch
einmal von sich abprallen lassen zu können und gelassener zu sein, so
der Professor. Sie wissen, welche Bedeutung der Job für sie hat – und
achten auf eine Balance zwischen Beruf, Freizeit und anderen sozialen
Kontakten.

Warum sind manche Menschen sehr resilient, andere weniger?

Fröhlich-Gildhoff sagt, dass die Grundlage in der frühen Kindheit
gelegt wird. Resilienz werde durch die Erfahrung einer stabilen, Halt
gebenden Beziehung geschaffen. «Da ist jemand da, der mich hält, der
mich aber auch fordert», beschreibt er es. Prieß, die ein Buch über
Resilienz geschrieben hat, stellt die Atmosphäre im Elternhaus
heraus. Daraus, wie die Eltern untereinander umgehen und mit dem
Kind, lerne dieses, mit sich selbst und der Welt umzugehen.

Daneben gebe es personelle Resilienzfaktoren, sagt Fröhlich-Gildhoff.
Das sind eine angemessene Selbst- und Fremdwahrnehmung, angemessene
Selbststeuerungsfähigkeiten – also mit aufkommenden Gefühlen
umzugehen -, soziale Kompetenzen, Problemlösungskompetenzen, eine
positive Selbstwirksamkeitserwartung – dass man sich also selbst als
wirksam erfährt -, und Bewältigungsfähigkeiten: Was kann ich leisten,
wo kann ich mir Unterstützung holen?

Amann sagt sogar, dass der Mensch eigentlich schon hochresilient auf
die Welt komme. Er sei extrem flexibel. Das zeige sich auf
körperlicher Ebene etwa an der Neuroplastizität – der Fähigkeit, neue
Nervenbahnen zu entwickeln und Verhalten neu zu lernen. Amman stellt
daher den Kontext als besonders wichtig heraus: Es braucht den
Gestaltungsrahmen, damit jemand auch resilient sein kann, sagt sie.
Deshalb spiele der konkrete Arbeitskontext eine wichtige Rolle.

Amann macht das an einem Beispiel deutlich: Vielleicht meistert eine
junge Führungskraft die Einführung einer neuen Software schneller als
der 55-jährige Projektleiter. Aber: Wird die Firma verkauft, versetzt
das den jüngeren Arbeitnehmer womöglich erst in Angst, während der
ältere gelassen reagiert – immerhin hat er schon einige
Führungswechsel mitgemacht. Es hänge immer davon ab, welche Erfahrung
man schon mitbringt, sagt Amann. Jeder sei schon resilient, aber in
Bezug auf andere Aufgaben. Und: «Beide haben am Ende Resilienz
entwickelt.»

Kann ich resilienter werden?

Arbeitnehmer, die zum Beispiel unter Stress leiden und sich unter
Druck gesetzt fühlen, fragen sich häufig, wie sie ihre innere
Widerstandskraft stärken können. «Das Gute ist: Sie können es
trainieren», beruhigt Prieß. Aber: «Je älter der Mensch ist, desto
schwieriger ist es», macht Fröhlich-Gildhoff auch deutlich.

Prieß spricht davon, dass man sich von den gemachten Erfahrungen
lösen muss, um wieder einen klaren Blick auf die Welt zu bekommen.
Ein Beispiel: Als Kind hat jemand eine Ohnmachtserfahrung gemacht,
weil er mit dem cholerischen Vater nie eine Augenhöhe erfahren hat.
Nun hat er einen aufbrausenden Chef. «Ich verliere die Augenhöhe,
weil er mich an den Vater erinnert», sagt Prieß. Das gilt es, sich
bewusst zu machen. Und dann müsse man an seiner Beziehungsfähigkeit
arbeiten – also eine gute Beziehung zu sich selbst und dem Umfeld
aufbauen, denn beides ist eine entscheidende Voraussetzung für
Resilienz.

Was heißt das konkret? Für Prieß bedeutet es, fünf Faktoren zu
trainieren: Interesse und Empathie sowohl gegenüber anderen als auch
gegenüber sich selbst, Augenhöhe – also weder auf das Gegenüber
hinabzublicken noch es in den Himmel zu heben. Außerdem zählten
Wertschätzung und Respekt dazu. Diese Faktoren könne man selbst
trainieren: «Sie selbst merken, wofür Sie sich verurteilen, Sie
merken, ob Sie Ja zu sich sagen.» Gut ist aber, erst einmal mit einem
Faktor zu beginnen. «Die fünf auf einmal zu trainieren, ist häufig zu
viel.» Ist die innere Blockade zu hoch, gilt es, sich Hilfe zu holen.

Fröhlich-Gildhoff rät zu Achtsamkeitstrainings – auch Yoga könne
helfen, sich auf sich selbst zu konzentrieren. Wer Probleme mit der
Selbststeuerung hat, etwa schnell wütend wird oder in Panik verfällt,
müsse lernen, einen Filter einzuschieben. Auch das geht mit
Entspannungsverfahren. «Ein sehr gutes Mittel ist Bewegung. Beim
Laufen oder Schwimmen erzielt man relativ schnell Fortschritte – so
schafft man sich ein Selbstwirksamkeitserleben.» Oft helfe auch das
Gespräch mit anderen – etwa Freunden, aber auch Psychotherapeuten.

Amann macht aber auch deutlich: «Sie können einem Mitarbeiter nur in
einem bestimmten Maß mit diesen Techniken helfen.» Müssen Mitarbeiter
etwa 24 Stunden erreichbar sein, besteht ein Problem der
Gesamtüberforderung. Deshalb müsse eben auch die Umgebung die
Resilienz fördern.

Welches Ergebnis kann ein Resilienz-Training haben?

Gelassener reagieren, sich von Problemen nicht unterkriegen lassen –
das gelingt besser, wenn man seine Resilienz schult. Man hat außerdem
gelernt, Grenzen zu ziehen. «Dieses Selbstbewusstsein ist eine
Konsequenz», sagt Amann. Auch darauf muss man gefasst sein. Denn wer
nun gelernt hat, Nein zu sagen, vorher aber brav alles gemacht hat,
wonach er gefragt wurde, erntet vielleicht erst einmal Ärger, sagt
Fröhlich-Gildhoff. In dieser Situation ist es wichtig, jemanden zu
haben, der einen unterstützt – den Partner, gute Freunde, Kollegen.

Für Arbeitgeber bedeutet ein resilienter Mitarbeiter aber auch: Wird
nichts gegen eine zu große Arbeitslast unternommen, zieht der
Mitarbeiter vielleicht die Notbremse und geht. Denn resilient ist
nicht gleich stressresistent, sagt Amann. Die innere Stärke könne
eben auch dazu führen, dass Gegenwind kommt.

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