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FDP: Keine Koalition um jeden Preis – Aber was dann? Von Ruppert Mayr, dpa

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Kanzlerin Merkel und FDP-Chef Lindner hatten bereits ersten Kontakt
am Rande der Elefantenrunde im Fernsehen. Ein halbes Dutzend Anrufe
gingen in der FDP-Zentrale ein. Thema: Regierungsbildung.

Berlin (dpa) – Wolfgang Kubicki greift an diesem Montagmorgen nicht
einfach nur so eine Krawatte aus dem Kleiderschrank. Nein, er greift
sich bewusst die dezente, grüne. Die habe er schon bei den
Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen in
Schleswig-Holstein getragen. Und auch jetzt sei sie als «erste
vertrauensbildende Maßnahme» zu verstehen, sagt der FDP-Vize in
Richtung Grüne.

Es seien aber die Grünen, die jetzt zunächst ihrer Basis erklären
müssten, weshalb sie auf die FDP im Wahlkampf so eingedroschen
hätten, sagt Christian Lindner. Der FDP-Chef gibt sich am Tag nach
dem fulminanten Comeback der FDP im Bundestag staatstragend und
auffällig besonnen. Nachdem er bislang oft leger mit weißem Hemd und
offenem Kragen daherkam, trägt er nun Krawatte.

Offenbar gab es schon einen ersten Kontakt mit der Kanzlerin am Rande
der Elefantenrunde im Fernsehen. Und im Hans-Dietrich-Genscher-Haus
ging ein halbes Dutzend Anrufe zum Wahlausgang ein. Vor den
zahlreichen Kameras in der Bundespressekonferenz demonstrieren die
FDP-Spitzen Lindner, Kubicki und Generalsekretärin Nicola Beer, dass
ihnen bewusst ist, welche staatspolitische Verantwortung die
Liberalen jetzt haben.

Entsprechend geißeln sie nochmals die SPD und ihren frühen Rückzug
auf die Oppositionsbank. Aber nein, die Entscheidung der SPD habe in
keiner Weise Einfluss auf das Verhalten der FDP bei möglichen
Koalitionsverhandlungen, versichert Lindner. Doch wenn Jamaika als
einzige Koalitionsvariante übrig bleibt, stärkt das die
Verhandlungsposition der FDP. Sie kann die Preise hochtreiben.

Fast schon gebetsmühlenartig wiederholen die FDP-Spitzen und voran
Lindner: «Wir machen kein Diktat. Aber die Trendwenden müssen
kommen.» Die FDP habe auf ihrem Sonderparteitag vor gut einer Woche
zehn gleichberechtigte politische Handlungsfelder beschlossen, in
denen Trendwenden unabdingbar seien. «Das ist so gemeint, wie es da
steht. (…) Das sagen wir ohne Schärfe.»

Natürlich lassen sich Lindner, Kubicki und Beer auf keine
Diskussionen über mögliche Kabinettswünsche ein. Wie wär’s mit dem
Finanzministerium statt mit dem bequemeren und prestigeträchtigen
Auswärtige Amt? Dieses Mal dürften das Bildungsministerium und vor
allem das Innenministerium für die FDP interessant werden, ungeachtet
möglicher Ambitionen der CSU. Wenn die FDP ihr Einwanderungsgesetz
endlich durchbringen will, scheint jetzt die Zeit mit einer
angeschlagenen Union günstig zu sein.

Das hässliche Wort Neuwahlen will in der FDP keiner in den Mund
nehmen – wenigstens jetzt, einen Tag nach dem Wiedereinzug ins
Parlament nicht. Das wäre «respektlos gegenüber den Wählerinnen und
Wählern», sagt Lindner. Doch auch die Klientel der Liberalen aus der
Wirtschaft würden dies nicht gerne sehen.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer erklärte, angesichts der
weltpolitischen Lage und der wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten,
sollten sich die regierungswilligen und -fähigen Parteien darauf
konzentrieren, rasch eine handlungsfähige Regierung zu bilden.
Deutschland müsse Stabilitätsanker in Europa bleiben. Auch
innenpolitisch sei viel zu tun: Ganztagsbetreuung ausbauen, das
Arbeitsrecht der digitalen Lebenswirklichkeit anpassen oder die
Sozialversicherungsbeiträge unter 40 Prozent halten, erläuterte
Kramer. Da fallen einem die zehn Punkte zur Trendwende wieder ein.

Am Tag nach der Bundestagswahl wird indessen immer deutlicher, dass
der schwierigere Part möglicher Koalitionsverhandlungen der mit der
angeschlagenen CSU ist. Im nächsten Jahr sind Landtagswahlen in
Bayern und CSU-Chef Horst Seehofer hat als Losung einen harten «Kurs
Mitte-Rechts für die Zukunft» ausgegeben. Eine Regierungsbildung sei
ohne die CSU nicht möglich. Mit dieser Situation werde die CSU aber
verantwortungsvoll umgehen, versichert er – was immer das heißt.

Der FDP-Chef nimmt für die Liberalen in Anspruch, die Partei der
Mitte zu sein. Und wohl auch an die Adresse der CSU ergänzt er, diese
Position sei in den vergangenen vier Jahren im Parlament verwaist
gewesen. Deshalb wurde der rechte Rand so stark.

Lindner wird am Montagnachmittag bei der konstituierenden Sitzung der
neuen FDP-Bundestagsfraktion schon mal zu deren Chef gewählt. Die
endgültige Entscheidung aber, ob er Fraktionsvorsitzender bleibt oder
doch noch ins Kabinett wechselt, dürfte erst nach erfolgreichen
Koalitionsverhandlungen fallen, hieß es. Würde Lindner ins Kabinett
Merkel wechseln, würde der eingefleischte Parlamentarier Kubicki doch
noch zu seinem Wunschjob als Fraktionschef kommen.

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